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Nidau

«Milchprodukte sind
 alles andere als gesund»

Um sich selbst zu finden, ging die Nidauerin Debora Döhrbeck drei Jahre auf Weltreise. 
Ihre Berufung gefunden hat sie dabei als vegane Cateringköchin und Kochbuchautorin.

Bild: zvg

Beat Kuhn

Alle Kinder lieben Tiere, aber bei der heute 30-jährigen Debora Döhrbeck war diese Liebe besonders gross: Im zarten Alter von neun Jahren beschloss sie, künftig kein Fleisch mehr zu essen: «Ich ekelte mich plötzlich davor.» Auslöser war der Knet-Animationsfilm «Chicken Run», in dem Hühner versuchen, aus einer Geflügelfarm auszubrechen, die wie ein Gefangenenlager wirkt. Von ihren Eltern wurde sie unterstützt, und die Mutter kochte jeweils eine Alternative für sie. In der Schule, wo sie die einzige in der Klasse mit diesem Ziel war, fand sie hingegen nur wenig Verständnis.

 

Milz operativ entfernt

Im Alter von zehn Jahren wurde bei ihr Thrombozytopenie diagnostiziert, also ein Mangel an Blutplättchen, die wichtig für die Blutgerinnung sind. Als die Menstruationsblutung einsetzte, bekam sie die Anti-Baby-Pille verschrieben, um die Blutungen zu reduzieren. Doch diese hatte eine dramatische Nebenwirkung: Sie verfiel in eine Depression und hatte sogar Suizidgedanken. Als sie 23 war, wurde ihr die Milz operativ entfernt, die Teil des Blutkreislaufs und des Immunsystems ist. Von da an zerstörte ihr Immunsystem die Blutplättchen nicht mehr, und ihr Körper produzierte genug Blutplättchen. Diese gesundheitlichen Probleme sensibilisierten Döhrbeck schon als junge Frau dafür, dass Gesundheit etwas Wichtiges und nichts Selbstverständliches ist.

Mit 24 beschloss sie, sich sogar vegan zu ernähren, also auch auf Produkte tierischen Ursprungs, wie Milch, Eier oder Leder, zu verzichten. Und zwar nicht allein aus tierethischen, sondern auch aus gesundheitlichen und ökologischen Gründen. So rät sie etwa von Milchprodukten ab, obwohl diese gemeinhin als Inbegriff von gesunder Ernährung gelten, weil ihr hoher Kalziumgehalt die Knochen stärke. Döhrbeck hält dagegen, dass Milch im Körper für Verschleimungen sorge, welche die Aufnahme von Nährstoffen hemmen würden. Ihr Verdikt: «Milchprodukte sind alles andere als gesund.»

Damit veganes Essen gesund ist, sollte der Gemüseanteil mindestens 50 Prozent betragen, betont sie. «Das benötigt zu Beginn ein Umdenken, da wir gewohnt sind, Spaghetti mit Tomatensauce zu essen – nicht Tomatensauce mit Spaghetti.» Durch einen hohen Gemüseanteil nehme man mehr Ballaststoffe auf, und das sei gut für die Darmbakterien, die uns nützlich seien.

Sie ist überzeugt, «dass eine ausgewogene vegane Ernährung die Gesundheit sowohl körperlich als auch mental positiv beeinflusst». Unsere Ernährung habe einen Einfluss auf unsere Stimmung und unser Immunsystem, der Zustand unserer Darmflora Auswirkungen auf Psyche und Organismus. Wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden sei aber auch ausreichend Schlaf – also sieben bis neun Stunden –, viel Sonne für genügend Vitamin D und moderate körperliche Aktivität. Sie selbst praktiziert eine Kombination aus High-Intensity-Interval-Training und Yoga, ausserdem meditiert sie.

 

Catering-Start im Lockdown

Bei der Wahl der Ausbildung entschied sich Döhrbeck für ein Psychologiestudium, «da ich davon überzeugt bin, dass unser Gehirn wahnsinnig machtvoll ist». Nach ihrem Masterabschluss an der Uni Bern hatte sie indes das Gefühl, «dass etwas fehlt». So begab sie sich auf eine Weltreise, um sich selbst zu finden. Dreieinhalb Jahre war sie unterwegs. Das konnte sie sich leisten, weil sie einerseits während des Studiums gejobbt hatte, und andererseits, weil sie unterwegs immer wieder temporär für Kost und Logis arbeitete. «Eine spirituelle, manchmal sehr schwierige, aber schöne Reise» sei das gewesen, sagt sie rückblickend.

Zurück in der Schweiz, wusste sie genau, was sie wollte: ein veganes Catering aufziehen. Denn sie hat immer schon leidenschaftlich gerne gekocht. Zum Gang in die Selbstständigkeit ermutigt wurde sie durch den Zuspruch von Freunden und Bekannten, die etwa von ihrem Kokos-Tiramisu oder ihren Spaghetti Carbonara begeistert waren – alles natürlich vegan. «Food by Debora» heisst ihr Catering, das derzeit noch ein Ein-Frau-Betrieb ist. Da sie Buffets mit Selbstbedienung macht, kann sie selbst Anlässe mit über 50 Gästen bewältigen. «Das ist zwar schon stressig, aber zwischendurch liebe ich das.»

Bei der Lancierung ihres Caterings im Frühling letzten Jahres hatte sie Pech, denn genau dann wurde der Lockdown verhängt. Sie kam dann zwar doch zu Aufträgen, muss aber auch heute noch darauf gefasst sein, dass ein Anlass mit weniger Gästen als ursprünglich gebucht stattfindet oder sogar ganz abgesagt wird. Regelmässig verpflichtet wird sie für Yoga-Weekends oder -Wochen. Existenzängste hat sie nicht – im Notfall würde sie einfach wieder temporär arbeiten gehen. Mittlerweile wohnt sie nicht mehr in Nidau, sondern in Zug, weil ihr Mann, den sie auf ihrer Weltweise in Polen kennenlernte, dort eine Stelle gefunden hat. Buchen kann man sie aber auch für das Seeland.

 

Kochbuch mit Essen aus aller Welt

Viele verbinden mit veganem Essen Verzicht und asketische Lebensweise. Nicht so Döhrbeck, die sich als Feinschmeckerin und Geniesserin bezeichnet. Sie rät, sich auf das zu konzentrieren, was einem die vegane Küche erlaubt, statt auf das, was man da nicht essen kann. «Mit ein paar Tipps und Tricks ist es nicht schwer, vegan zu kochen und sich ausgewogen zu ernähren, ohne das Gefühl zu haben, etwas zu verpassen», sagt sie.

In den über 50 Ländern, die sie besuchte, hat sie sich Rezepte für Speisen notiert, die ihr mundeten. Fleischlose Gerichte zu finden, war dabei nicht schwer, denn vielerorts haben die Menschen schlicht nicht das Geld für den regelmässigen Verzehr dieses Luxusguts. Etliche Rezepte hat sie für ein Kochbuch aufbereitet, indem sie diese mit eigenen Ideen anreicherte: «Lieblingsrezepte aus der Welt» heisst es.

Der Untertitel «Entfessle deine vegane Kreativität!», der zur individuellen Modifizierung nach eigenem Gusto aufruft, ist allerdings mit Vorsicht zu geniessen. So musste sie, die ja eine Fachfrau auf diesem Gebiet ist, die Speisen bis zu fünfmal zubereiten, bis sie ein passendes Mischungsverhältnis gefunden hatte. Das ist auch der Grund, warum sie fast drei Jahre daran gearbeitet hat. Über 500-mal hat sie das reichhaltige und optisch ansprechende Kochbuch, das sie im Eigenverlag herausgegeben hat, bisher verkauft.

Sie sei sich bewusst, dass veganes Essen nicht jedermanns Sache sei, sagt sie. Darum habe sie die Gerichte so kreiert, «dass man das Fleisch überhaupt nicht vermissen wird, beziehungsweise gar nicht merkt, dass sie vegan sind». Döhrbeck träumt davon, eines Tages Psychologie und Kochen zu verbinden, indem sie Kochkurse mit Paartherapie koppelt. Bis es so weit ist, können Paare ja schon mal miteinander nach ihren Rezepten kochen, das tut jeder Beziehung gut. Ab morgen kann man ja seinen Vorsatz umsetzen, gesünder zu essen. Wieder einmal.

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