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Brügg

«Mir geht es einfach gut»

Die in Brügg bekannte Erika Bratschi-Graf feiert am Sonntag ihren 100. Geburtstag. Im Interview erzählt sie stolz von ihrer grossen Familie und was sie jung gehalten hat. Vor ein paar Wochen hat sie begonnen, Sport zu treiben.

Fröhlich: Erika Bratschi-Graf ist immer für einen Scherz zu haben. David Schnell
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David Schnell

Erika Bratschi-Graf, wie geht es Ihnen?

Erika Bratschi-Graf: Mir geht es gut. Ich bin sehr zufrieden.

Wie fühlt man sich als 100-Jährige?

Das ist für mich kein grosses Thema, mir geht es ja gut.

Wie sieht ein ganz normaler Tag aus?

Ich gehe hier im Wohnheim ins Turnen und singe fast jeden Tag.

Haben Sie im Alter ein anderes Verhältnis zu der Zeit?

Nein.

Womit verbringen Sie Ihre Zeit?

Ich stricke und nähe sehr gerne. Mittlerweile mache ich das nur noch selten. Ich sitze gerne an meinem Lieblingsplatz im Aufenthaltsraum und beobachte die Aare und die Leute um mich herum.

Glauben Sie, dass es Ihnen besser geht als anderen Hundertjährigen?

Das kann ich nicht beurteilen. Ich kenne keine anderen Hundertjährigen. Mir selber geht es einfach gut, das hat mich sicher jung gehalten.

Haben Sie auf eine gesunde Lebensweise geachtet?

Ich habe anständig gegessen und viel gearbeitet. Auch körperlich. Mit Achtzig hatte mich ein Kirschbaum im Garten gestört. Meine Kinder wollten helfen, den Baum zu fällen. Als sie ankamen, hatte ich den Baum bereits mit der Säge gefällt. Geduld hatte ich noch nie. Das hat mich fit gehalten. Ausserdem habe ich nie Alkohol getrunken. Ich hatte immer gute Laune, das macht viel aus.

Haben Sie früher Sport getrieben?

Nein. Aber gesungen habe ich immer. Ich habe mich erst vor ein paar Wochen entschieden, hier im Heim beim Sport mitzumachen.

Was essen Sie gerne?

Gemüse. Ich habe immer gerne ordentlich gegessen. Das Meiste hatten wir früher selbst im Garten. Auch einige Kaninchen und Hühner. Wir waren praktisch Selbstversorger.

Haben Sie noch Ziele und Pläne?

Nein.

Wurden Sie im Alter gelassener?

Ich hatte früher immer etwas zu tun. Mittlerweile bin ich schon etwas ruhiger geworden. Ich musste ja auch.

Spielt der Glaube eine Rolle für Sie?

Ich bin schon gläubig, aber war nie ein Kirchengänger.

Sind Sie zufrieden, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken?

Auf jeden Fall. Ich bin sehr zufrieden und extrem stolz auf meine Familie. Mein Lieblingsspruch war immer «Ich war streng mit meinen Mädchen. Aber es ist aus jeder etwas geworden.»

Welches war die schönste Zeit Ihres Lebens?

Als ich meinen Ehemann kennenlernte und meine Familie gründete.

Was halten Sie für das Wichtigste im Leben?

Zufriedenheit. Und alle meine Kinder, Grosskinder, Urgrosskinder und mein Ururgrosskind.

Haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. Wenn er kommt, bin ich bereit.

Interessieren Sie sich für das politische Geschehen in der Schweiz?

Bis vor etwa einem halben Jahr habe ich jeden Tag die Zeitung gelesen. Mein Ehemann war im Gemeinderat und ich im Frauenkomitee. Wir haben unter anderem Schulanlässe organisiert und den Lehrern geholfen. Zuhause haben wir oft politisiert. Heute kümmert mich das alles herzlich wenig.

Interessiert es Sie, was auf der Welt passiert?

Wie gesagt, nicht mehr so sehr.

Was bekommen Sie von der modernen Welt mit?

Eigentlich nichts mehr. Ich habe einen Fernseher. Den benutze ich hin und wieder.

Wie feiern Sie Ihren Geburtstag?

Am Freitag gab es einen Aperitif im Heim. Die Einwohner hier im Heim haben das gewünscht. Die Behörden sind dort auch vorbeikommen und haben gratuliert. Am Sonntag, am eigentlichen Geburtstag gehe ich mit meinen Töchtern im engsten Kreis zum Essen.

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Erika Bratschi-Graf

Geboren in Murten am 6. November 1916, verlor sie ihren Vater früh. Die Mutter war Schulhausabwartin. Sie wurde zum Arbeiten als Magd in die welsche Schweiz geschickt und zog später nach Orpund, um als Serviertochter im Restaurant «Bären» zu arbeiten. Dort lernte sie ihren Ehemann Hans Bratschi kennen und heiratete 1938. Er war Schreiner und Gemeinderat. Sie war im Frauenkomitee und half bei der Organisation von Schulanlässen und den Handarbeitslehrern. Zusammen hatten sie ein Haus mit Garten und waren praktisch Selbstversorger. Sie war jahrelang Mitglied im gemischten Chor Safnern. Sie hat drei Töchter, sechs Grosskinder, zwölf Urgrosskinder und ein Ururgrosskind. das

Stichwörter: 100 Jahre, Alter, Interview

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