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Wochenkommentar

Mit «wir gegen alle» macht die SVP mal wieder alles richtig

Würde es unserem Land besser gehen ohne die Bilateralen Verträge mit der EU? Oder sind diese Abkommen für die Schweizer Wirtschaft überlebenswichtig?

Parzival Meister, Redaktionsleiter, stv. Chefredaktor

Die grosse Diskussion, das grosse Abwägen der Möglichkeiten – das alles steht uns noch bevor. Und auch wenn wir von früheren Abstimmungen und Umfragen her wissen, dass die Schweizer den Bilateralen grundsätzlich wohlgesinnt sind, ist es noch zu früh, ein Nein zur Begrenzungsinitiative der SVP zu prognostizieren.

Sicher ist aber: Das Schweizer Stimmvolk wird in absehbarer Zeit darüber abstimmen, ob das Land an den Bilateralen mit der EU festhalten soll. Diese Woche hat die SVP gemeinsam mit der Auns die Unterschriftensammlung für ihre Begrenzungsinitiative lanciert. Dass die nötigen 100 000 Unterschriften bis im Sommer 2019 zusammenkommen, daran besteht kein Zweifel. Auch besteht dieses Mal kein Zweifel daran, dass es bei dieser Abstimmung nicht nur um Zuwanderung geht, sondern klipp und klar um das Weiterbestehen der Bilateralen I.

Doch ist es überhaupt sinnvoll, das Volk erneut über die Bilateralen abstimmen zu lassen? Ja, ganz eindeutig. Diese Abstimmung ist fällig – und zwar sowohl aus Sicht der Befürworter als auch der Gegner. Seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative ist es unabdingbar, diese Grundsatzfrage zu klären. Es wurde damals zwar davor gewarnt, dass eine Umsetzung der Initiative die Bilateralen gefährden könnte. Aber letztlich entschied sich das Stimmvolk für eine Begrenzung der Zuwanderung – und ganz sicher nicht für die Beerdigung der Bilateralen. Als man sich der Konsequenzen wirklich bewusst war, als die EU unmissverständlich klar machte, dass das Freizügigkeitsabkommen nicht separiert verhandelt werden kann, damals schon hätte man das Volk fragen müssen: Wollt ihr die Bilateralen I einer Zuwanderungsbegrenzung opfern? Das Volk konnte sich dazu nicht äussern. Und so kam der «Inländervorrang light» zu Stande. Aus staatspolitischer Sicht war es ein Meisterstück, einen Volkswillen umzusetzen (Ja zur Einwanderungsbegrenzung), der im Widerspruch zu einem anderen Volkswillen steht (Ja zum bilateralen Weg). Und trotzdem ist der «Inländervorrang light» ein derart krasser Kompromiss, dass er dem Mehrheitsentscheid nicht wirklich gerecht wurde.

Aber eben, es fehlte der Grundsatzentscheid. Jetzt erhalten wir die Möglichkeit, uns mit einem Votum aus dem Schlamassel zu ziehen. Und wem sei Dank? Der SVP. Dass die Partei uns mit ihrer Initiative überhaupt erst in diese Sackgasse geführt hat, dürfte ihr kaum schaden.

Nun, die Erfolgsaussichten für die SVP, die Abstimmung dereinst zu gewinnen, sind nicht gerade rosig. Und trotzdem ist schon jetzt klar, dass die Initiative für die SVP ein Gewinn sein wird. Sie gibt ihr die Möglichkeit, in der politischen Diskussion den Taktstock zu schwingen. Pünktlich zu den eidgenössischen Wahlen 2019 werden wir über die Initiative der SVP reden. Wir werden erleben, wie die Rechtspartei alleine gegen alle anderen etablierten Parteien der Schweiz kämpft – und das erst noch in ihrem Kerndossier. Das Thema bietet zwar auch den anderen Parteien die Möglichkeit, hinzustehen und zu sagen: Wir stehen für die Bilateralen. Doch treten sie in dieser Frage eben nicht als Parteien auf, die sich proaktiv für etwas einsetzen. Sie werden die Parteien sein, die alle gemeinsam die SVP bekämpfen. Sie werden die sein, die reagieren – auf die wie immer gut agierende SVP.

Noch einmal: Es ist richtig, dass diese Abstimmung kommt. Es ist ein Volksbedürfnis, dieses Votum zu den Bilateralen abgeben zu können. Aber es stellt sich die Frage: Geht es den SVP-Strategen mehr um die Lancierung, als um die Annahme der Initiative? Wie viele SVP-Politiker werden die Bilateralen öffentlich kritisieren und insgeheim auf ein Volks-Nein hoffen? Wie viele glauben wirklich daran, dass Isolation der richtige Weg ist, um künftigen Wohlstand zu sichern?

E-Mail: pmeister@bielertagblatt.ch

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