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Holztechnologie

ModSharp bringt mehr Schweiz in den Bleistift

Bleistifte sollen künftig aus einheimischem Holz gemacht werden. Im Labor der Berner Fachhochschule BFH 
in Biel wird im Dienst der Wissenschaft um die Wette gespitzt.

Patricia Granado Sanzovo versucht, das Geheimnis der Perfektion der kalifornischen Zeder zu lüften. Bild: zvg

Daniela Deck

Der grosse Vorteil des Bleistifts: Er lässt sich spitzen. Darum ist er immer einsatzbereit und zuverlässig im Gebrauch. Die Eigenschaft, sich zentriert und ohne Effort spitzen zu lassen, verdankt das unscheinbare Schreibutensil der kalifornischen Zeder. Aus ihrem Holz werden Blei- und Farbstifte seit mehr als 100 Jahren hauptsächlich gefertigt.

Nun will der Schweizer Hersteller Caran d’Ache im grossen Stil auf einheimisches Holz setzen. Damit soll die Umweltbilanz der Stifte markant verbessert werden – wobei bereits heute nur zertifiziertes Holz aus nachhaltiger Produktion (FSC) Verwendung findet. Zugleich würden einheimische Zulieferer das Risiko von Lieferengpässen und Qualitätsschwankungen verringern. Zusammen mit der BFH in Biel und unterstützt von Innosuisse hat der Genfer Schreibwarenhersteller deshalb das Projekt
ModSharp lanciert.

Die Aufgabe besteht darin, ein Holz samt Verarbeitungsprozess zu finden, das zugleich weich und äusserst formbeständig ist. Ein Holz, das sich mit minimalem Kraftaufwand spitzen lässt, dabei weder ruckelt noch splittert, und sich kostengünstig verarbeiten und lackieren lässt.

 

Mehrere Holzarten in der Auswahl

«Die Herausforderung, so viele Bedingungen unter einen Hut zu bringen, das fasziniert mich am Projekt ModSharp», sagt Patricia Granado Sanzovo. Die junge Brasilianerin arbeitet als wissenschaftliche Assistentin im vierköpfigen Projektteam des Instituts für Werkstoffe und Holztechnologie IWH. Zugleich schreibt sie ihre Masterarbeit zu diesem Thema. Es sind Dutzende von Eigenschaften rund ums Holz, die geprüft werden müssen. Teils sind sie mechanischer Natur, wie die Spitzbarkeit, teils chemisch, wie die Imprägnierung mit Pigmenten und Paraffin, die die Spitzbarkeit verbessern und allgemein dafür sorgen, dass sich das Holz besser bearbeiten lässt.

Gestartet hat das Projekt Anfang 2019, im Juni 2021 soll es abgeschlossen werden. Die Ausgangslage der Forschung bildete der Vergleich einer guten Handvoll Holzarten mit der kalifornischen Zeder.

«Zuerst habe ich die Holzanatomie der kalifornischen Zeder analysiert und unsere Holzarten damit verglichen. Entscheidend dabei: die Breite der Jahrringe und das Verhältnis zwischen Früh- und Spätholz. Parallel dazu haben die Versuche zur Spitzbarkeit begonnen», erklärt Granado das Vorgehen. Zum Spitzen sei im Labor eine Maschine eigens zu diesem Zweck entwickelt und gebaut worden. Gespitzt wird das Holz sowohl im unbehandelten als auch im behandelten Zustand.

Eine erste Erkenntnis aus der Versuchsserie war, dass sich Kiefern deutlich schlechter imprägnieren lassen als die übrigen Hölzer. Bei der Linde hingegen hat es sich gezeigt, dass sie eine wachsartige Substanz enthält, die das Paraffin teilweise überflüssig macht. «Als Lebewesen unterscheiden sich Bäume nicht nur nach Art, sondern auch nach Standort, Bodenbeschaffenheit und Lichtverhältnissen in der Wachstumsphase. Das macht meine Arbeit so unglaublich interessant», sagt Granado. Ein zusätzliches Plus: «Ich habe den Überblick über das gesamte Projekt und muss mich nicht auf nur eine Sequenz beschränken.»

 

Swiss-Wood-Line in einer Nische

Neben den Holzeigenschaften ist auch die Frage entscheidend, welcher Anteil des Baums verwertet werden kann. Wenn nur ein kleiner Teil des Holzes infrage kommt, machen die Kosten die Baumart unwirtschaftlich. Zudem muss der Bestand in der Schweiz oder zumindest in den umliegenden Ländern genügend gross sein für die Massenproduktion. Aktuell sind noch drei Holzarten im Rennen. Welche das sind, gibt das Projektteam mit Verweis auf die laufenden Testserien nicht bekannt.

«Mit Caran d’Ache verfügen wir über einen Partner, der mitdenkt und hoch motiviert ist. Immer wieder bringen sie Vorschläge ein und geben uns Ideen.» Granado freut sich über die gute Zusammenarbeit. Ausserdem profitiert die BFH von den Erfahrungen, die der Schreibwarenhersteller mit den Nischenprodukten der Swiss-Wood-Linie aus Buche, Kiefer und Arve bereits gesammelt hat. Denn seit 2013 hat Caran d’Ache Stifte aus heimischem Holz im Angebot. Dass diese bisher ein bescheidenes Marktsegment halten, liegt an der mühsameren Spitzbarkeit und den Produktionskosten.

Im Zweiten Weltkrieg, als der Nachschub aus Kalifornien ausblieb, setzte Caran d’Ache übrigens auf die Arve. Doch auch dieses Produkt konnte sich gegen den Spitzenreiter aus den USA nicht durchsetzen.

Weissliches Bleistiftholz ist ein Indiz für Billigware aus fernöstlicher (Lin-
den-)Produktion. Denn das Zedernholz in Blei- und Farbstiften schimmert rötlich. Wer nun denkt, das Rot sei die natürliche Farbe der kalifornischen Zeder, irrt. Dabei handelt es sich um ein Pigment. Um die künstliche Färbung zu verstehen, muss man bis ans Ende des 19. Jahrhunderts zurückblenden. Die Ironie dabei: Der Farbzusatz hat ursprünglich vertuscht, dass die hochgelobte kalifornische Zeder einst nur das zweitbeste Bleistiftholz war.

Bis um 1900 wurden Bleistifte nämlich aus der Eastern Red Cedar (Rote Zeder) gefertigt, die einst im Südosten der USA verbreitet war. Doch an dem wertvollen Holz wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts für diverse Verwendungen derart Raubbau betrieben, dass es an der Schwelle zum 20. Jahrhundert selten und damit teuer geworden war. Die Industrie sattelte auf die kalifornische Zeder um – und narrte die Öffentlichkeit; das helle Ersatzholz wurde künstlich rot gefärbt, um dem Original ähnlich zu sehen.

 

Unnötige Farbe verabschieden

Granado sieht nun die Chance, mit dem Schweizer Holz zugleich die unnötige Farbe zu verabschieden. Sie ist überzeugt, dass das BFH-Projekt ModSharp einen valablen einheimischen Ersatz für die kalifornische Zeder entwickeln wird. Dabei gibt sie zu bedenken: «Genau gleich geht nicht, sonst hätten wir das schon lange. Die Leute müssen wissen, dass es immer einen Unterschied geben wird. Doch eine gute Qualität für die Verwendung, dieses Ziel werden wir bestimmt erreichen.»

Impressum
Diese Seite ist eine Co-Produktion des Departements Architektur, Holz und Bau der Berner Fachhochschule BFH und des "Bieler Tagblatt". Die BFH ist als Partnerin in die Themenplanung involviert. Die redaktionelle Hoheit liegt bei der Redaktion. Die Seite erscheint einmal pro Monat im "Bieler Tagblatt" und im "Journal du Jura".

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