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Biel

Moutier lässt Biel nicht unberührt

Am 18. Juni entscheidet die Gemeinde Moutier über den Kantonswechsel. Für Biel könnte dieser negative Konsequenzen mit sich ziehen. Dennoch hält der Gemeinderat an seiner neutralen Position fest.

Wechselt Moutier am 18. Juni in den Jura, verliert der Kanton Bern auf einen Schlag rund 7500 französischsprachige Bewohner. Keystone
  • Dossier

von Carmen Stalder


Stimmen die Bewohnerinnen und Bewohner von Moutier Mitte Juni für den Wechsel in den Kanton Jura, verliert der Kanton Bern auf einen Schlag rund 7500 französischsprachige Menschen. Die welsche Bevölkerung Biels fürchtet deshalb, bei einem Ja an Gewicht für ihre Interessen einzubüssen.

Vom Entscheid der bernjurassischen Gemeinde ist also auch Biel betroffen. Der Gemeinderat hat deshalb seine Position bezüglich der Abstimmung festgelegt. Er ist der Auffassung, dass die Abstimmung für den Berner Jura und den Kanton Bern insgesamt von grosser Bedeutung ist, «namentlich was die Zukunft der Zweisprachigkeit des Kantons Bern anbelangt.»

In diesem Zusammenhang bekräftigt die Bieler Delegation für jurassische Angelegenheiten (DBAJ), in der die Vertreter des Rates für französischsprachige Angelegenheiten des zweisprachigen Amtsbezirks Biel (RFB) und der Gemeinderäte von Biel und Leubringen vereint sind, ihre Position der aktiven Neutralität. «Sie wird sich in die Abstimmungskampagne nicht aktiv einbringen und für keine der beiden Seiten Position ergreifen», heisst es in der Mitteilung des Gemeinderats.

Doch wieso bezieht Biel keine klare Stellung – wenn es doch nicht um weniger als die Zukunft der Zweisprachigkeit im Kanton Bern geht?


Biel ist nicht Berner Jura

Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP) begründet diese Haltung unter anderem als Zeichen des Respekts vor dem Stimmvolk. «Die Bevölkerung von Moutier soll frei entscheiden, ohne dass wir uns einmischen», sagt Fehr.

Bereits bei vergangenen Abstimmungen zu Jurafragen – in den 70er-Jahren oder 2013 – vertrat Biel eine neutrale Position. Fehr begründet dies folgendermassen: Erstens sei Biel formell und territorial nicht Teil des Berner Juras, sondern des Seelands. Zweitens gebe es im Berner Jura seit jeher Ängste, dass Biel Ansprüche auf die dortigen staatlichen Institutionen stellen könnte. «Diese Ängste sind zwar nicht berechtigt», sagt Fehr, «wenn sich Biel allerdings zu Moutier äusserte, würde dies in diesem Zusammenhang negativ wahrgenommen.»

Und drittens befinden sich unter den welschen Bielern viele zugezogene Jurassier, die zwar längst hier leben, jedoch immer noch eine projurassische Haltung einnehmen. «Wenn sich die Stadt positionieren würde, könnte dies einen Graben in die welsche Bevölkerung Biels reissen», so Fehr.


Sollte Stadt aktiver sein?

Die Atmosphäre in Biel sei bisher kaum von der Abstimmung geprägt, sagt Pierrette Berger-Hirschi, Präsidentin des RFB. Dies könne sich aber noch kurz vor dem 18. Juni ändern. «Es gibt Menschen, die beunruhigt sind. Andere wünschen, dass wir aktiver sind, wir unsere Verbindung zu Moutier oder die Folgen der Abstimmung aufzeigen», sagt Berger-Hirschi.

Diesen Wunsch hegt auch der Bieler Stadtrat Pascal Bord (PRR), der den Gemeinderat in einer Interpellation gefragt hat, ob die Stadt im Zusammenhang mit der Abstimmung nicht aktiver auftreten und sie ihre Verbindung zu Moutier signalisieren müsste. Die Antwort lautete auch bei ihm, dass die Stadt eine Position der aktiven Neutralität vertrete und sich nicht in die Kampagne einbringe. Die vorgebrachten Argumente seien zwar richtig, sagt Bord. «Trotzdem wünschte ich mir vonseiten der Stadt eine aktivere Kommunikation. Moutier ist wichtig für uns Romands», sagt Bord.


Geschwächter Einfluss

Rein rechnerisch gesehen würde ein Kantonswechsel von Moutier den Einfluss der französischsprachigen Minderheit im Kanton Bern schwächen. «Die Welschen in Biel bekämen vielleicht das Gefühl, vom Kanton vernachlässigt zu sein, besonders was die Finanzierung von Bildung und Kultur anbelangt», sagt Berger-Hirschi.

Für dieses Risiko müssten besonders die städtischen und kantonalen Behörden sensibilisiert werden, schreibt der Gemeinderat. «Biel, Leubringen und der RFB werden sich beim Kanton engagiert dafür einsetzen, die Zweisprachigkeit und die Massnahmen zur Unterstützung der französischsprachigen Minderheit zu stärken - unabhängig vom Abstimmungsergebnis», heisst es im Text weiter.

«Wenn der Kanton Bern seine Anstrengungen für die welsche Bevölkerung zurückfahren würde, hätte dies auch für Biel negative Auswirkungen», sagt Fehr. Dieses Risiko hängt allerdings mehr vom Kanton als der Stadt Biel ab. Denn auf wichtige Pfeiler wie die Bildung hat primär der Kanton einen Einfluss. «Bliebe das kantonale Engagement nach einem Kantonswechsel mindestens unverändert oder würde gar intensiviert, wären die negativen Auswirkungen auf die Romands in unserer Stadt real gleich null», so Fehr.


Verbindungen erhalten

Dass die Abstimmung in Moutier bei der welschen Bevölkerung von Biel Unruhe hervorruft, kann Fehr nachvollziehen. «Ich verstehe die Angst, an Einfluss zu verlieren. Zudem ist auch auf nationaler Ebene das Verständnis für Minderheiten gesunken. Der Entscheid im Kanton Thurgau gegen das Frühfranzösisch in dieser Woche ist ein Beispiel für diese alarmierende Tendenz.» Für berechtigt hält er die Ängste dagegen nicht – solange der Kanton seine Verantwortung wahrnimmt.

Anders sieht dies der Bieler Ständerat Hans Stöckli (SP), der bei einem Kantonswechsel eine Schwächung der Welschen prophezeit. Um dies zu verhindern, setzt er sich neu in einem Komitee für den Verbleib Moutiers ein. Und Pierrette Berger-Hirschi bekräftigt, dass sich der RFB weiterhin beim Kanton dafür engagieren werde, dass dieser seine Politik gegenüber der französischsprachigen Minderheit in Biel und dem Berner Jura nicht ändert. «Falls Moutier den Kanton verlässt, muss sich der RFBumso mehr dafür engagieren, die Zweisprachigkeit zu bewahren», so Berger-Hirschi.

* * * * *

Der Bieler Ständerat Hans Stöckli (SP) ist Co-Präsident des neuen überparteilichen Komitees «Moutier – mir hei di gärn». Dieses setzt sich für einen Verbleib Moutiers im Kanton Bern ein.

Hans Stöckli, warum braucht es dieses Komitee?
Hans Stöckli: Wir wollen der Bevölkerung von Moutier zeigen, dass wir Berner es begrüssen würden, wenn sie sich für den Verbleib im Kanton Bern entscheiden.

Warum ist es so wichtig, dass Moutier in Bern bleibt?
Moutier ist die grösste Stadt im Berner Jura. Sie nimmt eine Leaderfunktion ein, ist von wirtschaftlicher, kultureller und politischer Bedeutung. Würde Moutier den Kanton verlassen, würde dies die Welschen bei uns schwächen.

Inwiefern?
Die Förderung der Zweisprachigkeit könnte reduziert werden. Zudem würden danach vielleicht weitere bernjurassische Gemeinden die Kantonszugehörigkeit wechseln wollen.

Und da müssen Sie sich nun als Ständerat einbringen?
Es ist meine Aufgabe, die Interessen des Kantons zu vertreten. Dass Moutier bleibt, liegt auch im bernischen Interesse. Manche behaupten, dass sich Bern um Moutier foutiere – das will ich widerlegen.

Wie gehen Sie konkret vor?
Ich suche in Moutier mit den Menschen auf der Strasse das Gespräch – immerhin wurde ich auch dort gewählt. Es geht darum, Farbe zu bekennen. Interview: cst

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