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Biel

Mutmasslicher Drogenhändler zeigt keine Einsicht

Ein 40-jähriger Nigerianer soll in Biel und Nidau über drei Kilogramm Kokain verkauft und das daraus erwirtschaftete Geld in seine Heimat und nach Spanien überwiesen haben. Vor dem Regionalgericht wollte der Beschuldigte gestern jedoch nichts von all dem wissen.

Mindestens 35'000 Franken soll der Beschuldigte durch Drogen erwirtschaftet haben. Illustration: Tiphaine Allemann

von Carmen Stalder


Gestern und heute muss sich der Nigerianer Ajani Okoye* vor dem Regionalgericht Berner Jura-Seeland wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und gegen das Ausländergesetz sowie Geldwäscherei verantworten. Laut der Anklageschrift soll der heute 40-Jährige zwischen Anfang 2015 und Sommer 2016 mindestens 3,7 Kilogramm Kokain durch Kuriere in die Schweiz eingeführt und unter anderem in Biel und Nidau verkauft haben.

Aus diesem Drogenhandel soll Okoye mindestens 35000 Franken erwirtschaftet haben, die er anschliessend nach Spanien und Nigeria überwies oder überbringen liess. Da sich der Beschuldigte in dieser Zeit jeweils länger als drei Monate ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben soll, wirft ihm die Staatsanwaltschaft zudem vor, die bewilligungsfreie Aufenthaltsdauer überschritten zu haben.


Keine Erinnerung mehr

Aufgewachsen ist Okoye in Nigeria. Dort ist er nur gerade sechs Jahre zur Schule gegangen, einen Beruf erlernt hat er nie. Später zog es ihn nach Spanien, wo er über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt. In Barcelona heiratete er seine heutige Frau und wurde vor zehn Jahren Vater einer Tochter. Gemeinsam mit seiner Ehefrau betrieb er einen Laden für Kinderkleider. Doch dann zerstritt er sich mit ihr und sie setzte ihn vor die Tür.

Wie es dann genau weiterging, weiss Okoye heute nicht mehr. Oder zumindest vor Gericht konnte er sich gestern nicht mehr erinnern, wann er zum ersten Mal in die Schweiz gekommen war. Vielleicht 2010 oder 2011 sei das gewesen. Aus welchen Gründen er gekommen sei, wisse er nicht mehr, übermittelte die Übersetzerin dem Kollegialgericht in Fünferbesetzung aus dem Englischen.

Für Staatsanwältin Silvia Hänzi hingegen ist der Fall klar: Der Beschuldigte sei des Drogenhandels wegen in die Schweiz gekommen, denn nur dank diesen Einkünften habe er die hohen Lebenshaltungskosten hier überhaupt begleichen können.

Gestartet ist das Verfahren gegen Okoye mit Polizeibeobachtungen an der Gurnigelstrasse. Im Juni 2016 wurde er aufgrund von Auffälligkeiten in seiner dortigen Wohnung verhaftet. Und die Polizei lag richtig: Sie stiess auf einen Fingerling mit zehn Gramm Kokain sowie zwölf Kokain-Kügelchen.


Wahrheit immer anders

Dass Okoye mit noch viel grösseren Mengen an Kokain gehandelt haben soll, streitet dieser allerdings vehement ab: «Ich importiere keine Drogen und kenne keine Leute, die damit zu tun haben», sagte er. Dabei ist die Beweislast, welche die Staatsanwaltschaft gegen ihn in der Hand hat, erdrückend. Zahlreiche Whats-App- und Facebook-Konversationen verorten ihn im Drogenmilieu. Der Polizei liegen Unterlagen zu Geldüberweisungen aus dem Drogenhandel vor.

Eine bereits verurteilte Drogenkurierin hat zudem vor Gericht ausgesagt, dass sie dem Nigerianer insgesamt 90 Kokain-Fingerlinge übergeben habe. Die Staatsanwältin bezeichnet deren Geständnis als glaubhaft. Anders sieht es bei Okoye aus. Zum achten Mal wurde er gestern befragt, und jedes Mal habe seine Wahrheit etwas anders ausgesehen, so Hänzi. Habe er zuerst bereitwillig Auskunft gegeben und sich teilweise als schuldig bekannt, fahre er heute die Strategie, sich an nichts mehr zu erinnern.

Tatsächlich gab der Beschuldigte gestern an, die besagte Drogenkurierin nicht zu kennen, nie mehr als die besagte Menge Kokain, die bei ihm gefunden wurde, besessen zu haben und auch kein Geld gewaschen zu haben. «Ihnen ist bewusst, dass Sie heute etwas ganz anderes erzählen als in der Voruntersuchung?», fragte Gerichtspräsident Markus Gross.

Dabei bezog sich Gross auch auf eine Geschichte, die Okoye gestern erzählte: Die 3480 Franken, die bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden, stammten von «sozialen Kontakten». Auf Nachfrage präzisierte er, dass er darunter die Produktion mehrerer Sexvideos versteht, in denen er gegen Geld mitgemacht habe. «Davon haben wir alle zum ersten Mal gehört», sagte Hänzi. Der Beschuldigte verwickle sich in unlogische und widersprüchliche Aussagen.

Beim gehandelten Kokain handle es sich um eine sehr grosse Menge, zudem zeige der Beschuldigte weder Einsicht noch Reue und sei auch nicht geständig. Die Staatsanwältin fordert deshalb sechs Jahre Gefängnis. Verteidiger Stefan Rolli dagegen sieht einen Schuldspruch nur in einer von drei zur Last gelegten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz als unumgänglich. In allen anderen Punkten beantragt er einen Freispruch und fordert deshalb neun Monate bedingt. Das Urteil wird heute Morgen erwartet. Es gilt die Unschuldsvermutung.

* Name von der Redaktion geändert

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