Sie sind hier

Abo

BT-Wanderung

Nah, reizvoll und doch kaum bekannt

Das «Bieler Tagblatt» lädt seine Leserinnen und Leser zu einer Wanderung von La Neuveville nach Cressier ein. 
Wanderleiter Willy Meyer ergänzt den Spaziergang mit überraschenden Erzählungen an geschichtsträchtigen Orten.

Combe du Pilouvi: Wenn es geregnet hat, fällt das Wasser hier weiss wie Feenhaar in die Tiefe. In trockenen Zeiten hingegen tröpfelt ein Rinnsal dem Fels entlang. Bild: zvg/Willy Meyer

Lotti Teuscher

Näher zur Leserschaft: Neben Lokalterminen und Umfragen organisiert das BT auch eine Leserwanderung. Eine Gelegenheit, mit Mitgliedern der Redaktion ins Gespräch zu kommen und eine eher unbekannte Ecke des Seelands besser kennenzulernen.

Unsere Blicke streifen mittelalterliche Häuser, gebaut aus Jurakalk, alle gepflegt, gruppiert um eine imposante Kirche: Das Städtchen La Neuveville ist nicht nur eine Augenweide, sondern hat eine auch packende Geschichte. Im Jahr 1312 liess es der Fürstbischof von Basel mit dem Ziel bauen, Flüchtlinge aus La Bonneville im Val de Ruz aufzunehmen, deren Dörfchen kurz zuvor durch den Grafen Rudolf IV. von Neuenburg zerstört worden war. Das Städtchen schloss Ende des 14. Jahrhunderts einen Burgrechtsvertrag mit Bern und einen Pakt mit Biel, um seine Eigenständigkeit gegenüber Neuenburg zu sichern. Von 1798 bis 1815 gehörte die Stadt dann zu Frankreich. Nach dem Wiener Kongress von 1815 kam La Neuveville zum Amtsbezirk Erlach im Kanton Bern.

Hinein ins Hinterland
Die Blicke bleiben an Erkern und Türmchen hängen, doch Willy Meyer, unser Wanderleiter, mahnt zum Weitergehen – quasi ins Hinterland von La Neuveville. Recht hat er, denn bereits nach wenigen Minuten verlangsamen sich unsere Schritte wieder. Hier fliesst der Ruisseau de Vaux, vom Plateau de Diesse herkommend, einer uralten, moosbewachsenen Mauer entlang. Rechterhand erheben sich Felswände, dazwischen führt ein Pfad durch die Combe du Pilouvi.

Wir spazieren über Stufen und Brücklein den unteren Teil der Schlucht hinauf, immer mit Blick auf den Bach, der hier zum Wasserfall mutiert und über hundert Meter in die Tiefe stürzt. Wenn es geregnet hat, weiss wie Feenhaar, während Trockenzeiten tröpfelt ein Rinnsal dem Felsen entlang.

Endlich schreiten wir zügiger voran und hören Willy Meyer zu. Drei Jahre hat seine Ausbildung zum Wanderleiter gedauert. Seit zwei Jahren organisiert er Wanderungen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. «Ein wenig stolz bin schon ich auf diese Ausbildung», erzählt er. Sein Ziel sei nicht einfach, eine Gruppe von Menschen sicher von A nach B zu führen. Ziel ist, den Gästen ein Erlebnis zu bieten.

Dies beginnt bei der Routenplanung, die oft kaum bekannte Sehenswürdigkeiten einschliesst. Kurz: Der Wanderleiter sucht nach interessanten Orten, die er seinen Gästen zeigen möchte. Willy Meyer informiert sich vor der Wanderung auch, damit er den Gästen Geschichten über die Region erzählen kann. Etwa Informationen zu seinem Spezialgebiet, zu uralten Bäumen entlang des Weges. Oder er stellt Gebäude und Kraftorte vor. Manchmal erzählt der Wanderleiter Sagen.

Inzwischen sind wir oberhalb von Le Landeron angekommen. Wir nehmen eine leichte Steigung durch den Rebhang. Der Blick schweift nun vom oberen Ende des Bielersees zum Neuenburgersee und über die Zihl dazwischen, welche die beiden Seen verbindet. Der Kanal, der während der ersten Juragewässerkorrektion gebaut wurde, ist fast schnurgerade, doch ein Stück der alten Thielle, wie der Fluss auf Französisch heisst, ist erhalten geblieben, es mäandert wie eine träge Schlange durch die Ebene. Abgerundet wird das Panorama von der Alpenkette.

Um seiner Wandergruppe den Weg über eine Asphaltstrasse zu ersparen, nimmt Willy Meyer einen Schleichweg durch den Rebhang. Bevor er eine Wandergruppe führt, geht der Wanderleiter den Weg ab. Immer hat er eine Reiseapotheke im Rucksack – in Notfällen richtig zu reagieren, gehört ebenfalls zur Ausbildung, die der Bergführerverband anbietet.

Wichtig ist dem Wanderleiter, mit seinen Gästen die Freude an der Natur zu teilen. Er sei aber auch immer gespannt auf seine Gäste, sagt Meyer: «Ich freue mich jedes Mal, neue Leute kennenzulernen.»

Barocke Kapelle
Bei einem Weiler macht der Wanderleiter eine geheimnisvolle Miene – jetzt will er eine besondere Attraktion vorstellen: die barocke Chapelle de Sainte-Anne à Combes beim Pilgerweg zwischen Le Landeron und Cressier, gebaut im Jahr 1694. Ein katholisches Kirchlein, das etliche Geheimnisse birgt: Warum ist Jesus auf den Wandbildern gleich dreimal während verschiedenen Lebensabschnitten zu sehen? Welcher «Trompe d‘oeil» ist auf die Wand gemalt? Antworten weiss vielleicht der Besucherführer, der den BT-Wanderern die Türe zu Kappelle öffnen wird. Ein besonderes Geheimnis wurde seit langer Zeit nicht gelüftet – angeblich weiss niemand, was sich hinter einem unscheinbaren Holztürchen befindet. Willy Meyer nimmt sich Zeit, die Kapelle zu erkunden: «Mein Vorsatz ist nicht, die Gäste möglichst schnell ans Ziel zu führen.» Früher war der Wanderleiter Leistungssportler, der Bergläufe wie den Jungfrau-Marathon absolvierte. Damals spielte die Zeit eine grosse Rolle.

Heute geht es ihm nicht mehr ums Rennen, sondern ums Entdecken und Teilen. Auf die Idee, Wanderleiter zu werden, kam Meyer während einer Fotosafari in den USA: Die Gruppe hetzte von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, ohne Informationen zu erhalten. «Das ging total in die Hose», sagt der Wanderleiter. «Damals dachte ich, dass ich das besser machen könnte.»

Verkannte Schönheit
Inzwischen haben wir Cressier erreicht, eine verkannte Schönheit. Cressier ist das Städtchen, an dem man auf der Autobahn vorbeifährt. Der Ort mit der hoch aufragenden Raffinerie, die Tag und Nacht eine Rauchwolke ausstösst. Doch Cressier ist viel mehr. Gegründet im Jahr 1180 unter dem Namen Crisciaco, ist der Ort heute ein historisches Städtchen mit gepflegten Sehenswürdigkeiten.

Etwa das imposante Schloss, erbaut zwischen 1610 und 1616, in dem heute die Gemeindeverwaltung residiert. Oder die katholische Kirche, fertiggestellt 1875. Aus der Froschperspektive sieht es aus, als würde der Glockenturm den Himmel kitzeln. Zu Cressier gehören eine Altstadt mit frankophonem Flair und ein Park mit akkurat geschnittenen Büschen. Willy Meyer strahlt, als er uns zum Bahnhof führt – es ist eine Wanderung ganz nach seinem Geschmack.

*********************************************

Die Infos zur Wanderung
- Datum: Samstag, 18. Mai.
- Treffpunkt: Bahnhof La Neuveville, Place de la Gare, beim Kiosk, ab 14 Uhr.
- Anreise: Zug ab Biel nachLa Neuveville: 13.50 Uhr.
- Start: 14.15 Uhr.
- Länge: ca. 7.5 Kilometer.
- Wanderzeit: ca. 2 Stunden (ohne Pausen).
- Anstieg: ca. 250 Meter.
- Abstieg: ca. 250 Meter.
- Ziel: Bahnhof Cressier. Ankunft ca. 16.45 Uhr.
- Rückreise: Züge ab Cressier nach Biel: 16.45, 17.15, 17.45 Uhr.
- Anforderungen: leicht, etwas Trittsicherheit erforderlich.
- Alter: ab ca. 5- bis über100-jährig. Der Weg ist nicht kinderwagentauglich.
- Ausrüstung: leichte Wanderschuhe, eventuell Wanderstöcke, Kleidung entsprechend der Witterung.
- Verpflegung: Essen und Getränke aus dem eigenen Rucksack.
- Teilnahme: gratis. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
- Versicherung: Sache der Teilnehmenden.
- Wetter: Die Wanderungfindet bei jedem Wetter statt. Ausser bei extrem starkemUnwetter (Meteo-Schweiz-App).
- Wanderleitung: Willy Meyer aus Detligen ist Wanderleiter SBV, Schweizerischer Bergführerverband. Die Verantwortlichen seitens der BT-Redaktion sind Lotti Teuscher und Peter Staub. LT/pst

Info: Weitere Wanderungen von Willy Meyer finden Sie unter www.natur-erlebnisse.com

Nachrichten zu Biel »