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Biel

Nett, umgänglich, aber auch streitbar

In Deutschland vertritt Alice Weidel die national- und wertkonservative Politik der AfD – einen guten Teil ihrer Zeit verbringt sie allerdings in Biel, wo sie auch mal die Kinder ihrer Partnerin von der Krippe abholt.

Die neue starke Frau der AfD: Alice Weidel, Bild: Keystone

Tobias Graden

Gestern Nachmittag war das Namensschild bei der Türklingel abmontiert. «Alice Weidel» muss vorher darauf gestanden haben, der Name der deutschen Politikerin der Alternative für Deutschland, zusammen mit dem Namen ihrer Lebenspartnerin. Der Hauseingang, zu dem die Klingel gehört, b efindet sich mitten in Biel. Das erstaunt: Bislang war stets die Rede davon, dass Weidel mit ihrer Partnerin und deren Kindern in Überlingen lebe.

Doch André Glauser, Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit der Stadt Biel, bestätigt: Alice Weidel sei ganz normal als in Biel wohnhaft bei der Einwohnergemeinde angemeldet.

 

Kontakte in linke Kreise

Gemäss BT-Recherchen lebt Weidel schon länger in Biel. Das Paar hatte erst in der Juravorstadt gewohnt. Mitte August letzten Jahres hat es Stockwerkeigentum in der Innenstadt erworben. Es besitzt zusammen eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus.

Dass Weidel schon länger in Biel wohnhaft ist, haben auch mehrere Bielerinnen und Bieler (Namen der Redaktion bekannt) gegenüber dem BT angegeben. Weidel wird als nett und umgänglich beschrieben, habe sich aber auch mit manchen Personen zerstritten. Über Weidels Partnerin, die als Filmproduktionsleiterin tätig ist, bestanden auch Kontakte in Bieler Kreise, die in politischer Hinsicht das Heu auf einer ganz anderen Bühne haben dürften – links positionierte Kulturschaffende und Intellektuelle.

Die Kinder von Weidels Partnerin besuchen eine städtische Kindertagesstätte – auch dies steht in gewissem Widerspruch zu den politischen Inhalten, die Alice Weidel vertritt, kritisiert doch die AfD in ihrem Programm «die zunehmende Übernahme der Erziehungsaufgabe durch staatliche Institutionen wie Krippen» und «bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild».

 

«Wie eine Familie»

Wie mehrere Bielerinnen und Bieler angeben, soll Weidel durchaus nicht nur vereinzelte Tage im Seeland verbringen, sondern jeweils über längere Zeiträume hier anwesend sein. Weidel und ihre Partnerin lebten in Biel wie eine Familie, heisst es aus dem Umfeld des Paars. Das wirft die Frage auf, welchen Ort sie denn als ihren Lebensmittelpunkt betrachtet.

Politisch könnte dies im deutschen Bundestagswahlkampf zum Thema werden, positioniert sich doch die AfD klar als nationalkonservative Partei. Juristisch aber besteht kein Problem: Weidel ist in Biel ordnungsgemäss angemeldet. Da das Paar in eingetragener Partnerschaft lebt, gelten punkto Familiennachzug die gleichen Bedingungen wie für verheiratete Paare. Und in Deutschland ist Alice Weidel auch mit ausländischem Wohnsitz als Bundestagskandidatin wählbar.

Unklar ist, ob Weidel auch in Biel Steuern zahlt. Die Tätigkeit als Beraterin für Jungunternehmen habe sie jedenfalls aufgegeben, sagt eine Quelle gegenüber dem BT.

 

Überraschter Stadtpräsident

Der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr zeigte sich gestern über die Nachricht der bekannten Einwohnerin «seiner» Stadt überrascht. «Man geht ja eher davon aus, dass Spitzenpolitiker in ihrem jeweiligen Land leben», sagt Fehr. Er sei Weidel noch nie begegnet, «jedenfalls nicht so, dass ich sie erkannt hätte». Grundsätzlich gälten für alle Menschen die gleichen Niederlassungsbedingungen, so Fehr, also auch für die AfD-Politikerin. Heikel könne es höchstens sein, wenn sich Weidel in Biel politisch betätige. Dies ist jedoch bislang offenbar nicht der Fall gewesen.

Weidel politisch näher stehen dürfte Mathias Müller, der Präsident der SVP Biel. Er freut sich über die prominente Miteinwohnerin: «Offenbar gefällt es ihr hier, das ist doch positiv. In Biel haben wir eine offene Gesellschaft, ich finde es cool, dass sie hier lebt.» Er könne sich gut vorstellen, die AfD-Frau beispielsweise mal zu einem Vortrag einzuladen. Was Weidel dazu sagt, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden: Anfragen des BT liess die Politikerin gestern unbeantwortet.

Die Bieler Fehr und Müller sind sich einig: Ob die überraschende Wohnsitzwahl politische Folgen zeitigt, sollen die Wählerinnen und Wähler in Deutschland entscheiden. Sie werden die Frage voraussichtlich in den nächsten Tagen diskutieren – noch gestern Abend meldeten sich die ersten deutschen Medien bei der Stadt.

Mitarbeit: Lino Schaeren

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