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Alt und Jung

Noch 1000 Tassen Kaffee bis zu George Clooney

Der 22-jährige Bieler Luca Brawand hat als Musiker Landro letztes Jahr sein Debütalbum veröffentlicht. Er studiert zudem Medien und Kommunikation.

Luca Brawand alias Landro

Eigentlich jedes Mal, wenn ich eine Kolumne schreibe, geht das besser, wenn daneben eine Tasse Kaffee steht. Es würde auch ohne gehen, aber es geht eben besser mit.

So ähnlich ist das auch mit dem Start in den Tag. Es ist durchaus möglich, ohne Kaffee in den Tag zu starten, der Tag fängt dann einfach nicht besonders gut an. Ich kann mit dieser Meinung nicht komplett
alleine sein, schliesslich ist die Schweiz ein Land der Kaffee-Junkies: Platz 3 im weltweiten Ranking mit über 1000 Tassen Kaffee im Jahr pro Person. Zu diesem Schnitt trage ich sicherlich auch bei, wenn ich in George-Clooney-Manier (ich arbeite daran) in ein Café gehe und genüsslich an einer Schale nippe. Spätestens beim Wort «Schale» habe ich bei den «echten» Kaffeetrinkern nun alle Kredibilität verloren und meine Mutter behauptet sowieso, zu ihrer Zeit hätten das nur alte Leute getrunken.

Ich finde aber, Kaffee und Milch gehören zusammen wie Bratwurst und Senf (wieder etwas, worin mir meine Ostschweizer Mutter widerspricht), da verzichte ich lieber auf Trendgetränke wie Matcha Latte, die aussehen wie aufgebrühter Rahmspinat. Ich bin auch zu wenig Hipster (und vielleicht zu faul), um mir meinen Kaffee in einer Bialetti-Kanne zuzubereiten und bin somit wohl endgültig von meinem heimlichen Berufswunsch als Barista disqualifiziert. Aber ich kann den Kaffee ja immer noch für mich selbst machen – ich gebe mich auch ohne Milchschaumherzchen zufrieden.

Während andere davon träumen, sich irgendwann ein Motorrad zu kaufen, möchte ich einmal eine richtig schöne, alte und grosse italienische Kaffeemaschine. Die könnte ich dann in der Midlife-Crisis allenfalls immer noch verwenden, um auszuwandern und in Paris mein eigenes Café zu eröffnen. Das wäre wohl die romantisch-klassische Variante.

Für ein gutes Business müsste ich wohl in Zürich bleiben, die Preise verdoppeln, nur noch Kaffeebohnen aus dem Kot indonesischer Luwaks verwenden (ja das gibt es) und den Kaffee strikt nur mit Soja- oder Mandelmilch servieren. Zum Glück hab ich noch keine Midlife-Crisis. So kann ich weiterhin in meine Lieblingscafés gehen und innerlich dem sympathischen äthiopischen Hirten danken, welcher vor etwa 1000 Jahren diese wunderbaren Bohnen entdeckt hat.

Falls Sie sich nun fragen wie das vonstatten ging: Die Legende besagt, er habe die Bohnen seinen Ziegen verfüttert, und die hatten solch ein Koffeinflash, dass sie die ganze Nacht wie von der Tarantel gestochen herum rannten. In den Jahrhunderten nach dieser Entdeckung ist dann auch der Preis deutlich gestiegen, aber die Kaffeetrinkernation Schweiz greift dafür auch gerne einmal etwas tiefer in die Tasche. Der Durchschnittspreis liegt hierzulande bei 4.24 Franken für eine Tasse, im Kanton Bern kommen wir mit knapp vier Franken vergleichsweise am günstigsten davon.

Im Vergleich zu einem Starbucks Kaffee ist das ein Schnäppchen, beinahe «2 für 1». Diese Ära ist in Biel nun auch zu Ende, der Kaffeeriese mit der grünen Meerjungfrau im Logo hat seine Pforten geschlossen. Auch wenn das eindeutig nicht der Niedergang der Bieler Kaffeekultur ist, raubt es der Stadt doch einen weiteren Hauch vom Grossstadtflair. Solange dieses aber von einem Riesenkonzern mit überteuertem Kaffee abhängt, kann man auch ganz gut
darauf verzichten, denke ich.

In ein Café geht man wahrscheinlich auch nicht wegen des Grossstadtflairs. Ob nun das Trend-Café im angesagten Quartier oder die Stammbeiz vor der Haustür: Jeder Kaffeetrinker hat diesen Ort, der sein Herz höher schlagen lässt. Deshalb bin ich sehr froh, kam
jemand vor einigen 100 Jahren auf die Idee, eine Bar zu eröffnen, in der es nur Kaffee gibt. Auf diese Idee muss man im 17. Jahrhundert zuerst einmal kommen! Ohne den äthiopischen Ziegenhirten und den imperialistischen Kaffeejunkies aus dem 17. Jahrhundert könnte ich also hier nicht in einem Café sitzen und diese Kolumne schreiben.

Deshalb bin ich dankbar, nippe weiter und verfolge mein geheimes Ziel: So lange Kaffee trinken bis ich wie George Clooney aussehe und zu John Malkovich in den Himmel komme. Was sonst?

kontext@bielertagblatt.ch

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