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Coronavirus

Notstand bei Cartons du Coeur

Seit Freitag ist die Hilfsorganisation Cartons du Coeur nicht mehr imstande, Waren an Bedürftige zu liefern. Hamsterkäufe haben die Versorgung des Lagers unterbrochen.

Volle Kartons bei Cartons du Coeur - momentan nur eine schöne Erinnerung. Bild: Peter Samuel Jaggi/a
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Nicole Hager/pl

Aus Furcht vor einer Quarantäne in den eigenen vier Wänden legt sich ein grosser Teil der Bevölkerung einen üppigen Notvorrat an. Die Folgen zeigen sich am Ende des Tages im Supermarkt: Etliche Regale sind leergeräumt. Gefragt sind schwer verderbliche Nahrungsmittel wie Reis, Zucker, Mehl, Teigwaren oder Konserven. Aber ausgerechnet diese Produkte bilden den Inhalt der Cartons du Coeur, die vom gleichnamigen Verein an bedürftige Menschen verteilt werden.

Chantal Dutoit, Präsidentin des Bieler Standorts, schlägt Alarm: Seit vergangener Woche wird ihre Hilfsorganisation nicht mehr mit Nahrungsmitteln und Artikeln für den Hygienebedarf beliefert. Cartons du Coeur beziehe die Ware beim Grossverteiler «zum selben Preis wie alle anderen Kunden», präzisiert Dutoit. Nun steckt der Lieferant selbst in der Bredouille und schafft es kaum, seine eigenen Filialen zu versorgen. Die wöchentlichen Lieferungen an das Bieler Hilfswerk müssen zurückstehen.

Das Warenlager von Cartons du Coeur ist bald leer. «Wir nehmen keine Anfragen mehr entgegen», so Chantal Dutoit. Seit einigen Tagen bleibt auch die Telefonzentrale stumm. Allerdings liefert der Verein laufende Bestellungen noch bis Ende Woche aus.

Freiwillige im Sondereinsatz

Solange die Empfänger auf die letzten Pakete warten, sind die freiwilligen Mitarbeitenden von Cartons du Coeur wie immer tagtäglich unterwegs. Der Engpass bei der Warenversorgung bringt aber zusätzliche Aufgaben: Am Montagmorgen machten sich Helfer voller Hoffnung zu einem Supermarkt auf, und sie wurden fündig: Es gab dort noch eine Auswahl an lange haltbaren Nahrungsmitteln und Frischprodukten zu kaufen. Drei Fahrzeuge waren für den Transport der begehrten Lebensmittel notwendig – genug, um die 20 Kartons der laufenden Woche für bedürftige Haushalte zu schnüren. Wenigstens diese Empfänger hatten Glück, aber was geschieht mit all jenen, die vor leeren Schränken stehen? Chantal Dutoit übt Kritik: «Nur weil gewisse Leute ihre Wohnung mit Hamsterkäufen gefüllt haben, leiden nun jene Menschen, die dringend auf die Cartons du Coeur angewiesen sind.» Die Bielerin hofft, dass bald wieder Normalität bei den Lieferanten einkehrt. Sie wünscht sich, dass von den privat angelegten Reserven nicht allzu viel Ware im Abfall endet.

Seit Jahresbeginn stellt die Hilfsorganisation eine markante Zunahme der Anfragen von Arbeitslosen, Alleinerziehenden und Altersrentnern fest. Deshalb musste Cartons du Coeur den Liefertermin für Essenspakete schon vor dem Auftreten des Coronavirus um eine Woche verlängern. Der zusätzliche Engpass, der als Folge der Infektionskrankheit eingetreten ist, macht das Leben der Schwächsten in der Gesellschaft noch prekärer.

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