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Aus dem Stadtrat

Ode an den Kompromiss

Die Debattenkultur in der Schweiz ist nicht erst seit der Selbstbestimmungsinitiative auf einem besorgniserregenden Tiefstand.

Sandra Gurtner-Oesch, GLP

Zwar kann jede via sozialer Medien seine eigene Meinung einem breiten Publikum kundtun. Die respektvolle Auseinandersetzung aber mit der Meinung anderer ist gerade online nicht besonders oft zu beobachten. Und dieser Respekt geht leider auch offline oft vergessen.

Politik aber braucht Debatte. Die Debatte ist die DNA unserer Demokratie. Oft beobachte ich im Bieler Stadtrat, dass – vielleicht anders noch als vor wenigen Jahren – vorgefertigte Standpunkte von links wie rechts vehement vertreten werden. Meinungen prallen aufeinander. Für hitzige Debatten lädt man zur Unterstreichung der Wichtigkeit der eigenen Meinung gerne Gäste auf die Tribüne. Inhalte werden simplifiziert. Die Empörungsspirale dreht. Zugehört wird kaum. Aufeinander ein-, beziehungsweise zugehen wird der Exekutive überlassen.

Die viel beschriebene Polarisierung der Politik hat auch im Bieler Parlament Einzug gehalten und mit ihr vermindert sich die Wertschätzung für den gutschweizerischen Kompromiss. Kompromisse sind aus der Mode gekommen. Teilweise werden sie gar als Prinzipienlosigkeit verschrien. Das starre Festhalten an der Parteimeinung demonstrieren beide Pole an jeder Stadtratsitzung Monat für Monat aufs Neue.

Aber auch ausserhalb des Stadtrates, auf den Strassen von Biel, beobachte ich eine Verhärtung der Diskussionskultur. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Lautsein oft einen höheren Stellenwert erhält als das Argument an sich.

Die Diffamierung des politisch Andersdenkenden und die Emotionalität, wie wir sie aktuell in den sozialen Medien aber auch beispielsweise bei der Thematik um den Westast erleben, hilft wenig bei einer Problemlösung.

Sollte es uns nicht gelingen, eine Lösung zu finden, dann müssen wir uns mit dem Status Quo begnügen. Im Fall des Westastes hiesse dies, dass wir nach wie vor keine Lösung haben, um den innerstädtischen Verkehr aus Biel rauszubringen. Damit wäre niemandem geholfen. Die lauten Töne haben das Projekt ins Stocken gebracht. Nun braucht es aber einen Dialog. Ein Miteinander. Denn nur der Kompromiss kann einen Ausgleich zwischen verschiedenen Interessen bringen. Ein deutscher Alt-Kanzler sagte einmal: «Ein Kompromiss ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das grösste Stück bekommen».

Diese Kunst ist erlernbar. Sie basiert auf leisen Tönen, gutem Zuhören und der Offenheit, andere Meinungen verstehen zu wollen. Ich wünsche mir für Biel, dass es nicht nur beim Westast gelingt, aufeinander zuzugehen und mit einer ergebnisoffenen und lösungsorientierten Grundhaltung an den Verhandlungstisch zu kommen. Dem Kompromiss zuliebe.

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