Sie sind hier

Abo

Wahlen 19

Ohne Sitzgewinn wäre die FDP nicht zufrieden

Die Berner FDP fühlt sich im Parlament untervertreten. Ein zusätzlicher Sitz ist für die Wirtschaftspartei das Mindestziel. Diesen könnte sich eine der drei Kandidatinnen aus dem Seeland schnappen.

Bild: Keystone
  • Dossier

Michael Lehmann

Seit 2011 ist die Berner FDP noch mit zwei Sitzen im Schweizer Parlament vertreten. Das ist der Wirtschaftspartei klar zu wenig. Deshalb strebt sie am 20. Oktober einen Sitzgewinn im Nationalrat an. Ein doch ambitioniertes Vorhaben, angesichts dessen, dass der Kanton aufgrund der Bevölkerungsentwicklung ein weiteres Mandat (neu 24 statt 25) verliert. Doch die FDP belässt es nicht nur dabei. Nach 16 Jahren Abwesenheit möchte die Partei mit Christa Markwalder wieder eine Vertretung im Ständerat haben. Das Wahlziel formuliert die Berner FDP deshalb mit der Formel: 2+1+1. Damit hätte sie die beiden Parlamentssitze, die sie 2011 verloren hat, zurückerobert.

Es hätte auch überrascht, wenn sich die Freisinnigen einzig auf die Verteidigung der Mandate konzentriert hätten, verpassten sie doch vor vier Jahren den Gewinn eines dritten Sitzes relativ knapp. Zudem durfte sich die FDP bei den Grossratswahlen vor anderthalb Jahren zu den Gewinnerinnen zählen. Sie legte um gut einen Prozentpunkt zu, was ihr drei zusätzliche Sitze einbrachte.

Eine, die damals neu ins Kantonsparlament gezogen ist, ist Sandra Hess. Nach ihrem guten Resultat kandidiert Nidaus Stadtpräsidentin auch für den Nationalrat. «Ich kämpfe in erster Linie für eine stärkere FDP im Kanton Bern», sagt sie. Sandra Hess‘ Hauptziel ist also, zu einem Sitzgewinn beizutragen. Gleichzeitig wäre ein dritter FDP-Sitz wohl auch die einzige Möglichkeit, selbst nach Bern gewählt zu werden. Denn Christa Markwalder und Christian Wasserfallen sind als Bisherige so gut wie gesetzt. Die Burgdorferin gehört bereits seit 16 Jahren der grossen Kammer an, der Stadtberner seit 12 Jahren.

Partei ist grüner geworden
Freilich hoffen die FDP-Kandidierenden darauf, dass Markwalder in den Ständerat gewählt wird. So würde wohl sicher ein Nationalratssitz frei, bei einem Gewinn allenfalls zwei. Allerdings werden Christa Markwalder nach Umfragen wenig Chancen auf einen Stöckli-Coup prophezeit. Sandra Hess weist darauf hin, dass erst am Schluss abgerechnet werde, sagt aber auch: «Je einen Sitz dazu zu gewinnen, ist eine grosse Herausforderung. Um das Ziel zu erreichen, braucht es von allen Kandidierenden viel Engagement.»

Was der FDP zugutekommen könnte, ist die von Parteipräsidentin Petra Gössi angetriebene Neuausrichtung im Klima- und Umweltschutz. Im Frühling hatte eine Umfrage unter den Parteimitgliedern ergeben, dass sich die FDP in diesen Bereichen künftig «ganz generell» mehr einsetzen soll. An der folgenden Delegiertenversammlung wurde dann ein Positionspapier angenommen, in dem sich die Partei unter anderem für das Pariser Klimaabkommen ausspricht, das die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null reduzieren will.

Hat sich da die FDP im Zuge der Klimademonstrationen ein grünes «Mänteli» angezogen, das sie nach den Wahlen wieder abstreifen wird? Nein, sagt Sandra Hess. «Es war wichtig, dass das Thema angesprochen wurde, und dass sich die Partei nun positioniert hat.» Dem stimmt auch Amélie Evard zu. Die ebenfalls in Nidau wohnhafte Nationalratskandidatin räumt ein, dass sich ihre Partei zwar lange schwer damit tat, Klima- und Umweltschutz eingehend zu diskutieren. «Nun vertritt die FDP aber eine klare Haltung, wird aber keine linke Verbotspolitik unterstützen.»

KMU im Fokus
Es ist aber auch klar, dass der Umweltschutz nicht zu den Kernthemen von FDP-Politikern gehört – auch bei den drei FDP-Kandidatinnen aus dem Seeland nicht. So würde sich Amélie Evard bei einer Wahl nach Bern vor allem für gute Rahmenbedingungen für KMU einsetzen. Die Stadtratspräsidentin will eine «innovative und fortschrittliche» Schweiz, in der es möglich sein soll, Familie und Beruf zu vereinen. Auch Sandra Hess sieht sich den KMU nahe. Für sie sind gute Beziehungen zur EU, insbesondere die Personenfreizügigkeit wichtig, auch um dem Fachkräftemangel in der Schweiz Gegensteuer zu geben. «Ausserdem würde ich mich für eine bürgerfreundliche und praxistaugliche Raumplanung starkmachen», so Hess.

Madeleine Deckert würde sich in Bern vor allem der Berufsbildung widmen. Das System ist für sie der Hauptgrund für die tiefen Jugendarbeitslosenzahlen in der Schweiz. Andererseits liegen der Gemeindepräsidentin von Leubringen/Magglingen die Sicherheit, die Kultur und die Zweisprachigkeit am Herzen. In letzterem Gebiet hat sie im Zuge der Nationalratswahlen bereits einen kleinen Erfolg gefeiert. Als sie nämlich auf dem Wahlzettel die Amtsbezeichnung «Gemeindepräsidentin, Mairesse» angeben wollte, erhielt sie die Rückmeldung, dass dies nicht erlaubt sei. Die Bezeichnung dürfe nur in einer Sprache angegeben werden. Für Deckert ein Unding. Mehrere Telefonate habe sie seither mit den Verantwortlichen geführt. Dabei sei ihr zugesichert worden, dass eine Angabe in beiden Sprachen für die nächsten Wahlen möglich gemacht werden soll.

Veränderte Wahrnehmung
Auf ihre Aussichten angesprochen, in den Nationalrat zu ziehen, geben sich die drei FDP-Frauen aus dem Seeland eher bedeckt. Angesichts der vielen engagierten Kandidatinnen und Kandidaten werde es sicher nicht einfach, sich einen vorderen Platz zu sichern, sagt Madeleine Deckert. Amélie Evard sieht es ähnlich, sie hält aber klar fest: «Ich trete an, um ein Top-Ergebnis zu erreichen.» Schliesslich ist die 28-Jährige zuletzt in ein Mentoring-Programm der FDP Schweiz aufgenommen worden, in dem aussichtsreiche Jungpolitiker von arrivierten Parteikollegen gefördert werden. Sollte es in knapp zwei Wochen jedoch nicht reichen, wäre das für Evard kein Drama. «Der Einzug in den Nationalrat ist für mich ein langfristiges Ziel.»

Sandra Hess‘ Chancen hängen wie eingangs erwähnt nicht zuletzt davon ab, ob ein Nationalratssitz frei wird oder hinzukommt. Der Sitzgewinn für die Partei hat für die drei FDP-Politikerinnen sowie für die vier JFDP-Kandidaten aus dem Seeland Priorität. Dabei sind sie zuversichtlich, dass dies gelingt. «Alle Kandierenden sind ambitioniert und machen einen engagierten Wahlkampf», sagt Amélie Evard. Sogenannte «Listenfüller» habe es keine. Für Madeleine Deckert hat sich die öffentliche Wahrnehmung der FDP gewandelt. «Die Zeit, als die FDP als reine Managerpartei angesehen wurde, ist vorbei», sagt sie. Die Partei sei mehr auf die Menschen zugegangen und habe aufgezeigt, dass sie sich auch für die kleinen und mittleren Unternehmen einsetzte.

Würde die FDP ihr Wahlziel 2+1+1 erreichen, wäre das dennoch eine Überraschung. Ein 2+1 scheint aber im Bereich des Möglichen. Klar ist: Mit dem Status Quo ist in der Berner FDP niemand zufrieden.
 

Stichwörter: Wahlvorschau, FDP, Wahlen 19

Nachrichten zu Biel »