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Nationalratswahlen

Parteien präsentieren so viele Frauen wie nie

Spitzenreiter sind die Grünen: Bei keiner anderen Partei im Kanton Bern ist der Frauenanteil bei den Kandidaturen so gross. Generell treten bei den Wahlen so viele Frauen an wie noch nie. Vorne auf den Listen sind auch mehrere Bielerinnen.

copyright: jonathan liechti
  • Dossier

Deborah Balmer


«Dieses Mal ist es uns überhaupt nicht schwergefallen, genügend Kandidatinnen für unsere Liste zu finden», sagt die Bielerin Lena Frank. Sie ist Vize-Präsidentin der Grünen im Kanton Bern. Von 24 Kandidaturen auf der Grünen-Liste sind 14 Frauen, das macht einen Frauenanteil von 58,3 Prozent. Bei den jungen Grünen ist der Frauenanteil mit 62,5 Prozent noch höher. Keine andere Partei hat einen so hohen Anteil an Kandidatinnen wie sie.


Für die Grünen war es laut Lena Frank schon immer ein Kernanliegen, dass bei den Wahlen die Hälfte aller Kandidaten Frauen sind – es wurde also nicht etwa erst mit dem letzten Frauenstreik Thema. «Wir hoffen aber natürlich trotzdem, dass wir den positiven Schwung des Frauenstreiks im Juni mitnehmen können», sagt Lena Frank. Für die Bieler Stadträtin ist klar: In den Parlamenten und den Regierungen braucht es noch mehr Frauen als heute, auch in den Schlüsselstellen und wichtigen Gremien. Drei Frauen auf der Grünen-Liste kommen aus der Region Biel.


Spitzenkandidatin aus Biel
Auch die SP, die Juso und die Grünliberalen haben bei der Listengestaltung haargenau auf die Ausgeglichenheit zwischen den Geschlechtern geachtet. Wie bereits bei den Wahlen 2015 kommt die SP mit einer eigenen Frauenliste mit 24 Kandidatinnen daher, darunter drei aus Biel und dem Seeland.


Eigene Frauenlisten sind bei der SP im Kanton Bern schon lange üblich. Nicht in allen Kantonen handhabt die SP das aber so. Ebenso sind die Hälfte der Kandidaturen bei der Juso Frauen, zwei von ihnen kommen aus Biel.
«Die Nachfrage für die Frauenlisten war dieses Mal sogar grösser als bei den Männerlisten und wir mussten sogar Frauen ablehnen, die gerne kandidiert hätten», sagt der Co-Präsident der SP des Kantons Bern, Ueli Egger.
Auf die SP-Liste geschafft hat es die Bieler Grossrätin Samantha Dunning. Und zwar nach ganz vorne: Die frankophone Politikerin gehört zu den Spitzenkandidatinnen – vor ihr stehen einzig zwei bisherige Nationalrätinnen.


«Das muss selbstverständlich sein»
Bei der GLP sagt der kantonale Geschäftsführer Daniel Näf: «In der heutigen Zeit muss es selbstverständlich sein, dass man bei der Listengestaltung auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern achtet.» Obwohl es unter den GLP-Mitgliedern deutlich mehr Männer als Frauen hat – das Verhältnis liegt bei 70 zu 30 – tritt die GLP mit drei Listen an und auf jeder herrscht eine 50:50-Quote zwischen Männern und Frauen. Näf nennt es «die Zebraliste», weil nach jedem Mann, eine Frau aufgeführt ist.
Nicht ganz einfach ist es laut Näf gewesen, genügend Frauen für die KMU-Liste der GLP zu finden. Ganz oben steht dort die Bieler Stadträtin Sandra Gurtner-Oesch. Sie ist also Spitzenkandidatin, hat es am Ende mit Hilfe der Loses sogar auf den Listenplatz Nummer eins geschafft.


Grosse Unterschiede
Daneben gibt es die Parteien, die bei der Listengestaltung weniger penibel auf den Geschlechteranteil geachtet haben. Hier finden sich entsprechend grössere Unterschiede: Auf der Hauptliste der FDP beispielsweise ist der Frauenanteil (45,8 Prozent) fast ähnlich hoch wie der Männeranteil. Es ist laut dem FDP-Kantonalpräsidenten Pierre-Yves Grivel der höchste Frauenanteil, den die FDP auf ihren Listen je hatte. Laut Grivel, ist es Ziel gewesen, einen Frauenanteil zwischen 40 und 50 Prozent zu erreichen: «Das ist uns gelungen und wir sind sehr zufrieden», sagt er. Auch Grivel ist der Meinung, dass es im National- und Ständerat mehr Frauen braucht. Unter anderem kandidiert aus der Region die Nidauer freisinnige Stadtpräsidentin Sandra Hess für den Nationalrat. Auf den beiden Listen der jungen FDP ist der weibliche Anteil schon kleiner (31,8 Prozent).


Obwohl wählerstärkste Partei kommt die SVP nur mit 29,2 Prozent Kandidatinnen daher. Das gilt auch für die Liste der jungen SVP (ebenfalls 29,2 Prozent). Überraschenderweise sagt auch die Berner Kantonalpräsidentin der SVP Frauen, Petra Wyss, die in Aarberg lebt, man habe eigentlich auf den Listen noch mehr Frauen präsentieren wollen: «Es braucht aber für Frauen viel mehr Mut in der SVP zu politisieren als in einer anderen Partei, weil man eher angefeindet wird. Einige haben uns deshalb abgesagt, obwohl es in der Partei zahlreiche Frauen gibt, die im Hintergrund für uns arbeiten», sagt sie. Dabei ist Wyss überzeugt, dass Frauen oft sachlicher politisieren als Männer, weniger sich selber in den Vordergrund stellen.


Auf der BDP-Liste sind 41,6 Prozent weiblich, bei der jungen BDP sind es deutlich weniger (25 Prozent). Die berühmteste Frau auf der BDP-Liste ist Regierungsrätin Beatrice Simon aus Seedorf, die gleichzeitig für den Ständerat kandidiert.
Auch die EVP liegt mit den Kandidatinnen noch über der 40-Prozent-Marke (41.6 Prozent). Die EDU hingegen ist am anderen Ende der Skala zu finden. Sie hat einen Männeranteil von 84 Prozent. Auch viele Exotenlisten fallen mit einem geringen Frauenanteil auf: So etwa die Landliste mit 12 Kandidaturen und davon 2 Frauen, was einem Anteil von 17 Prozent entspricht, oder die DU – die Unabhängigen mit 25 Prozent Kandidatinnen.


Eine ganz spezielle Kandidatin müsste, wenn sie denn gewählt würde, einen ziemlich weiten Weg auf sich nehmen, um ins Bundeshaus zu reisen: Die Bieler Soziologin Franziska Bieri lebt in der bulgarischen Hauptstadt Sofia und kandidiert für eine separate Liste der SP, der SP International. Die Kandidierenden auf dieser Liste sind der Meinung, dass auch die Auslandschweizer eine Stimme im nationalen Parlament benötigen. Die Anreise von Sofia wäre zwar weit, aber nicht ganz so weit, wie für jenen Kandidaten auf der SP-Liste International, der im westgambischen Dorf Batokunku zuhause ist oder derjenige der im brasilianischen São Paulo lebt.  


42 Prozent Kandidatinnen
Insgesamt kandidieren im Kanton Bern auf 34 Listen 377 Männern und 274 Frauen bei den Nationalratswahlen vom 20. Oktober. Über alle Parteien gesehen liegt der Frauenanteil bei 42,1 Prozent. Damit ist im Kanton Bern der Frauenanteil bei Nationalratswahlen so hoch wie noch nie (das BT berichtete):Der bisherige Höchststand war ein Anteil von 37,9 Prozent im Jahr 2003. Total kämpfen 651 Kandidatinnen und Kandidaten um einen der nur 24 statt 25 Sitze im Nationalrat.

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