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Biel

Pflegenotstand: Jetzt erhöht das Spitalzentrum die Löhne

Diese Woche konnten die Bieler Spitäler vorübergehend keine stationären Patienten mehr aufnehmen. Das Spitalzentrum setzt jetzt bei der Rekrutierung von Pflegenden auf finanzielle Anreize.

In der Nacht auf Mittwoch wurden Patienten nach der Notfall-Behandlung nach Bern verlegt, da das Bieler Spitalzentrum ausgelastet war. Symbolbild: Matthias Käser/A

Lino Schaeren/mab/bw

Es ist der Dienstagabend dieser Woche um 23 Uhr, als die Bieler Hirslanden-Klinik Linde die Ambulanz informiert: Das Privatspital kann in dieser Nacht für Notfälle nicht mehr angefahren werden. Grund für den Aufnahmestopp ist die komplett ausgelastete stationäre Abteilung. Die Ambulanz muss die Patientinnen und Patienten also ins Spitalzentrum bringen. Dumm nur, dass man im Beaumont ausgerechnet in derselben Nacht das exakt gleiche Problem wie in der Linde hat: Es steht kein einziger Pflegeplatz mehr zur Verfügung.

Das Spitalzentrum behandelt zwar noch einzelne Notfälle, für die stationäre Behandlung müssen diese dann aber nach Aarberg oder Bern verlegt werden. Dass es in der zweitgrössten Stadt des Kantons Bern vorübergehend keinen einzigen freien stationären Spitalplatz mehr gibt, ist eine absolute Ausnahmesituation. Eine, die verdeutlicht, wie prekär der seit Jahren beklagte Pflegenotstand inzwischen ist.

Denn: Gefehlt hat es diese Woche in der Nacht auf Mittwoch in Biel nicht an leeren Spitalbetten. Sondern am Pflegepersonal, um diese zu betreuen. Kristian Schneider, Direktor des Spitalzentrums Biel (SZB), sagt: «Unser Personal ist lang andauernd überlastet.»

Dies zum einen, weil die Zahl der Patientinnen und Patienten seit Wochen sehr hoch sei. Zum anderen aber vor allem, weil es an Fachkräften mangelt. Wenn es in Biel keinen freien Spitalplatz mehr gibt, liegt das derzeit also nicht daran, dass die Kliniken mit Covid-Kranken überfüllt wären. Mit der seit anderthalb Jahren andauernden Pandemie hat die prekäre Situation dennoch zu tun. Schneider sagt, dass die Personalfluktuation in der Pflege am Spitalzentrum im laufenden Jahr 25 Prozent höher sei als noch 2020. Und dass es kaum Pflegende auf Arbeitssuche gebe, die das Spital heute rekrutieren könnte.

Den Grund für die vielen Abgänge sieht Schneider bei der Corona-Zusatzbelastung: «Die Leute sind erschöpft und steigen deshalb aus», sagt er. Diese Situation hatte Schneider bereits im März 2020 quasi vorausgesagt. Damals sagte er im BT-Interview, dass es in dieser Pandemie für das Gesundheitswesen entscheidend sein werde, wie viele Fachleute aufgrund der Belastung krank werden, wie viele aus dem Beruf aussteigen, weil sie schlicht nicht mehr könnten.

Nachtzuschlag massiv angehoben

Ähnliches beobachtet auch Stefanie Ruckstuhl, Direktorin der Hirslanden-Klinik Linde. Sie merkt, dass Mitarbeitende am Anschlag sind, «einige haben keine Energie mehr und verlassen den Beruf». Verwunderlich sei das nicht, schliesslich arbeiteten die Pflegefachkräfte seit anderthalb Jahren ohne Verschnaufpause durch. Die Personalrekrutierung sei schon vor Covid eine Herausforderung gewesen, die sich nun akzentuiert habe, sagt Ruckstuhl. Die Klinik Linde hat derzeit sieben offene Stellen in der Pflege und sieben in der Spezialpflege zu besetzen. Trotzdem sei der Betrieb unter Normalauslastung nicht gefährdet, so die Direktorin; problematisch werde es hingegen bei unerwarteten Patientenhäufungen wie diese Woche in der Nacht auf Mittwoch. Und solche Schwankungen hätten seit Beginn der Covid-Pandemie zugenommen. Am Spitalzentrum ist laut Kristian Schneider bald der Punkt erreicht, an dem aufgrund des Pflegekräftemangels interne Reorganisationen nötig sein werden. Die Direktion hat deshalb reagiert und eigens eine Taskforce für die Rekrutierung von Pflegenden eingesetzt. Und das SZB versucht auch, finanzielle Anreize zu schaffen, indem es unter anderem ab dem 1. November die Löhne für Nacht- und Wochenendarbeit anhebt: Der Zuschlag wird laut Schneider von heute sechs auf zehn Franken pro Stunde erhöht. Man wolle die Personalrekrutierung «massiv forcieren», sagt Schneider.

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