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Studiengang

Pionierklasse bringt neue Themen nach Biel

Wo sich in der Arbeitswelt Technik, Informatik und Wirtschaft verzahnen, braucht es Fachkräfte mit Überblick. Die BFH bietet dazu in Biel den neuen Studiengang Wirtschaftsingenieurweaen an. Ein Einblick in dieses schweizweit einzigartige Studium.

Studienbeginn in Biel: Am Anfang eines steilen Aufstiegs? Bild: zvg

Janosch Szabo

Wenn Mitte September rund 370 Studierende an der Berner Fachhochschule (BFH) in Biel das Herbstsemester in Angriff nehmen, ist eine Pionierklasse darunter. Mehr als 25 Leute beginnen einen Lehrgang, der in seiner Ausgestaltung schweizweit einzigartig ist: ein Bachelor of Science in Wirtschaftsingenieurwesen mit Fokus auf Digitalisierung und Industrie 4.0. Der Name Wirtschaftsingenieur sei zwar altbekannt, so Studiengangleiter Stefan Groesser, auch er habe sich als junger Mann schon zum Wirtschaftsingenieur in Deutschland ausbilden lassen. Der Fokus des in Biel nun erstmals beginnenden Studiums ist das Neue, der Fokus auf die Digitalisierung der Wirtschaft und der Industrie und damit einhergehende neue Technologien, Wertschöpfungsnetzwerke und Geschäftsmodelle.

 

Chancen und Risiken abschätzen
Groesser möchte an der Schnittstelle von Technik, Informatik und Wirtschaft junge Menschen für eine Arbeitswelt fit machen, in welcher ständig fortschreitende technologische Entwicklungen die Unternehmen vor Herausforderungen und Fragen stellen: Müssen wir mitmachen oder uns schützen? Wie können wir die Möglichkeiten nutzen oder gar Trends antizipieren? «An der Digitalisierung der Wirtschaft kommt keine Branche vorbei», ist Professor Grösser überzeugt und verweist auf Apps und Buchungsplattformen, die längst unseren Alltag prägen und weiter im Vormarsch sind. Allerdings gehe es nicht um Digitalisierung um jeden Preis, sondern vielmehr darum, über ein Bewusstsein für die Thematik zu verfügen, um Chancen und Risiken abschätzen zu können. Daran mangle es noch in vielen traditionell wirtschaftenden Unternehmen.

Deshalb möchte Stefan Groesser zusammen mit seinem Team nun gezielt zukünftige Fach- und Führungskräfte ausbilden, die Überblick mitbringen. Ein wichtiger Punkt in Zeiten laufend zunehmender Spezialisierung in fast allen Berufsgruppen. «Es braucht Leute, die über den Tellerrand blicken», so Groesser. Er nimmt einen Stift und macht Skizzen. Wichtig sei ihm vor allem, Silodenken zu vermeiden. Er zieht eine Elipse um den oberen Bereich der drei aufgezeichneten Säulen, die für die Bereiche Wirtschaft, Technik und Informatik stehen. Wirtschaftsingenieurinnen und Wirtschaftsingenieure verstünden es, Inventionen der Technik und Informatik mit unternehmerischem Denken zu verbinden und zum Erfolg zu führen.

 

Vielfältiger Studienplan
Doch bis zu welchem Punkt tauchen die Studierenden ein in die jeweilige Materie? Das ist der Balanceakt, den Groesser und sein Team nach gut einem Jahr Vorbereitungszeit nun beginnen. Sie haben einen Studienplan entwickelt, der es in sich hat. Er reicht von Programmierung bis Organisationsmanagement und von Marketing bis Maschinenbau, um nur ein paar Module herauszupicken, welche die Bandbreite aufzeigen. Selbst sogenannten Softskills wird Platz eingeräumt. Das ist Stefan Groesser wichtig: «Wir möchten Leute ausbilden, die integrativ wirken, die fachlich etwas verstehen, aber auch Teams führen und Konflikte klären können.» Schliesslich würden spätere Produktmanager, Prozessverantwortliche, Projektleiter oder Unternehmensberater geschult – das ein paar typische Berufsfelder für angehende Wirtschaftsingenieure. Auf dem Stundenplan stehen also zum Beispiel «Kommunikation», «Systemdenken» oder «Sensorik»; aber auch «Entrepreneurship» für das unternehmerische Denken ganz am Anfang des Studiums und «Recht und Business Ethics» für die reflektierende Einordnung des Gelernten am Ende sind wichtige Eckpfeiler. «Gerne hätte ich noch mehr Inhalte reingepackt», sagt Groesser «aber der zeitliche Rahmen setzt nun mal Grenzen.»

Nun ist er froh, schon bald mit einer Klasse starten zu können, die von der Grösse her eine familiäre Atmosphäre aufbauen lässt. Denn: «Der Austausch von Mensch zu Mensch ist beim Lernen das Wichtigste», so Groesser. Darauf baue er seine Didaktik auf. Ziel ist ein Mix verschiedenster Lernmethoden von der klassischen Vorlesung über Gruppenarbeiten, Selbststudium bis hin zu modernem E-Learning, plattform- und video-basierten Seminaren, welche den Laptop als Arbeitsgerät unabdingbar machen.

 

Auslandsemester als Chance
Groesser, der einst selbst an einer der besten Universitäten studiert hat, am Massachusetts Institute of Technologie in den USA, will seine Studenten aber auch für Auslandsemester motivieren. «Das sind Chancen, die man später kaum mehr bekommt», sagt er: «Man lernt das selbstständige Leben in einem neuen Umfeld, knüpft Kontakte und sammelt Erfahrungen, die einem ein Leben lang nützlich sind.» Nicht zuletzt geht es bei solchen Aufenthalten, die dank Kooperationen mit ausländischen Universitäten und Fachhochschulen möglich sind, auch um die Vertiefung der Englischkenntnisse. Ein zentraler Aspekt des Bachelorstudiums Wirtschaftsingenieurwesen, der – und das ist aussergewöhnlich – je zur Hälfte auf Deutsch und Englisch geführt wird. «Damit die Absolventinnen und Absolventen auf dem Arbeitsmarkt attraktiv sind, sind gute Englischkenntnisse ein Muss, gerade in diesem Bereich», sagt Groesser.

 

Nähe zur Praxis
Apropos Abschluss. Der Studiengangleiter kann sich gut vorstellen, dass einzelne Studenten dereinst aus der Bachelorarbeit heraus ein Startup-Unternehmen lancieren. Allgemein sei ihm während der drei Jahre die Nähe zur Praxis wichtig. Eine entscheidende Rolle kommt diesbezüglich studentischen Arbeiten mit konkreten Aufgaben von Industrie- und Wirtschaftspartnern zu. Mit Wirtschaftsverbänden sei er dafür bereits in Kontakt, erzählt Groesser. Auch habe er Unternehmen in der Region besucht, um einerseits herauszufinden, was für Leute bezüglich Digitalisierung der Wirtschaft man sich dort wünscht, und um andererseits die Möglichkeit bekannt zu machen, mit aktuellen Fragestellungen zur Thematik an den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen heranzutreten. Spannend fände er spartenübergreifende Seminararbeiten seiner Studenten mit beispielsweise Elektro- und Maschineningenieuren. Aber das liegt noch in der Zukunft.

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