Sie sind hier

Abo

Biel

Reizthema Holzschlag

Werden im Raum Biel Bäume gefällt, ruft das häufig Unverständnis oder Empörung hervor. Die wahren Gründe für die Fällaktionen sind vielen Menschen aber oft nicht bekannt.

Stösst nicht immer auf Verständnis: Das Fällen von Bäumen ist Teil einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes. Symbolbild: Adrian Streun/a

von Nicolas Bollinger

Man müsste dem Wald dankbar sein. Er verhindert Hochwasser, indem er Regenwasser speichert. Er schützt Strassen und Bahnlinien vor Steinschlägen, Erdrutschen und Lawinen. Der Wald wirkt auf den Boden wie ein schützender Teppich. Nur: Damit er diese wichtigen Funktionen wahrnehmen kann, muss er dementsprechend gepflegt werden. Oft bedeutet das konkret, dass Bäume gefällt werden müssen – doch das passt längst nicht jedem.


Das Fällen von Bäumen ruft in der Bevölkerung regelmässig emotionale Reaktionen hervor. Das zeigen aktuelle Beispiele.


Harsche Reaktionen
In diesen Tagen beginnen die Arbeiten zur Gestaltung der Schüssinsel. Die Veränderung der Insel erfordert die Rodung zahlreicher Bäume und Sträucher. Allerdings soll der Baumbestand auf der neu gestalteten Schüssinsel im Vergleich zu heute aber grösser und vielfältiger sein. Es ist geplant, eine grosse Anzahl neuer Bäume zu pflanzen. Bei der Bieler Stadtgärtnerei spricht man von einer der grössten Baumpflanzungen in der Geschichte der Stadt. Die Reaktionen erfolgten prompt. Auf Facebook ist von einem «gigantischen Bäume-Massaker auf der Schüssinsel» die Rede.


Empörung auch im Falle der 13 Pappeln entlang des Friedhofs Mett. Weil die Bäume der Allee an der Schüss überaltert waren und weil ein Baum letzten Herbst umgekippt war, hatte die Stadtgärtnerei letzten Monat entschieden, die ganze Allee abzuholzen und zu ersetzen (das BT berichtete). Bei manchen Anwohnern führte diese Nachricht zu grossem Entsetzen.


Anfang dieses Monats liess die Burgergemeinde Biel Bäume entlang des Panoramawegs von Leubringen in Richtung Taubenloch fällen. Eine Leserin berichtete dem BT daraufhin von einem «massakrierten Waldrand» und erhob den Vorwurf, dass zu viele, auch völlig gesunde Bäume, unnötig gefällt würden.


Bezeichnend ist auch ein Leserbrief, der am letzten Freitag in dieser Zeitung erschienen ist. «Verheerende Kahlschläge» werden angeprangert. «Schuld» seien daran nicht die Holzfäller, sondern die Behörden, die ihnen den Auftrag geben. Und das sei für den Laien alles, wenn nicht undurchsichtig, so doch ziemlich unverständlich. «Nach welchen Kriterien, nach welchem Prinzip wird da geholzt, kahl geschlagen? Selektiv? Stufenweise?», fragen die Leserbriefschreiber.


Hauptargument Sicherheit
Grundsätzlich ist zwischen Wald  – hier ist die Bewirtschaftung Sache der Eigentümer – und Bäumen im städtischen Raum zu unterscheiden.


In der Stadt werden die Bäume auf öffentlichem Boden regelmässig kontrolliert. Eine eigene Baum-Equipe übernimmt diese Aufgabe. Der Entscheid, einen Baum zu fällen, erfolgt ausschliesslich durch Experten. Laut Markus Brentano, Leiter der Stadtgärtnerei, sei es zwar verständlich, wenn Anwohner ungehalten reagieren. Die Sicherheit stehe allerdings an erster Stelle. Die Pappeln beim Friedhof Mett waren überaltert, ein Baum knickte infolge eines Sturms ein und zerstörte ein Gemeinschaftsgrab.


«Wo es viel Publikumsverkehr gibt, spielt die Sicherheit eine grosse Rolle», sagt Kuno Moser, Oberförster bei der Burgergemeinde Biel. Die Burgergemeinde Biel ist eine der grössten Waldbesitzerinnen im Kanton Bern. Vom Ufer des Bielersees bis zu den Kreten des Chasserals erstrecken sich ihre Waldparzellen. 1650 Hektaren oder 16.5 Quadratkilometer sind es insgesamt. Die Burgergemeinde investiere jedes Jahr viel Geld und Zeit in gezielte Massnahmen, welche die Stabilität ihres Waldes erhöhen und die nötige Sicherheit garantieren sollen. Dies, obwohl es im Wald keine Bewirtschaftungspflicht gebe, sagt Moser.


Seit 1839 werden die Wälder der Burgergemeinde Biel von einem burgereigenen Oberförster betreut. Zusammen mit drei Revierförstern erarbeitet dieser jedes Jahr die Grundlagen für eine sinnvolle und nachhaltige Bewirtschaftung des Burgerwaldes. Die Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes soll jeweils im Zentrum stehen. Wenn die Sicherheit im Vordergrund steht, sei es auch für einen Förster als  Fachperson nicht immer einfach zu entscheiden, wann ein Baum gefällt werden müsse, so Moser. «Natürlich gibt es Indikatoren wie Pilzbefall oder Faulstellen. Dennoch kann man kaum mit absoluter Sicherheit sagen, wann ein Ast abbrechen wird.» Aus diesem Grund müsse oft auch vorsorglich gefällt werden. «Denn wenn dann doch einmal etwas passiert, stehen am Ende wir am Pranger.»


Möglichst nachhaltig
Was oft in Vergessenheit gerät: Der Forstbetrieb der Burgergemeinde finanziert sich heutzutage einerseits durch den direkten Verkauf von Holz- und Naturprodukten aus dem Wald, andererseits werden gewisse Leistungen, welche der Öffentlichkeit zu Gute kommen, durch Beiträge von Bund und Kanton entschädigt. Das entkräftet auch den Vorwurf, dass fälschlicherweise gesunde Bäume gefällt würden. «Wir wollen primär Holz produzieren, ein nachhaltiges, ökologisches Produkt aus der Region. Verfaultes Holz könnten wir nicht verkaufen», sagt Kuno Moser. Ein Freibrief für unbegrenzten Holzschlag ist das aber nicht. Wenn man Holz nutzen will, braucht es eine Bewilligung vom Kanton.


Der Forstbetrieb der Burgergemeinde Biel ist zudem FSC-zertifiziert. Damit soll garantiert werden, dass bei der Bewirtschaftung des Waldes wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Standards eingehalten werden. Der Forest Stewardship Council (FSC) ist eine internationale Organisation, die eine umweltgerechte, sozial verträgliche und ökonomisch sinnvolle Bewirtschaftung der Wälder dieser Welt fördert. Wald soll als Ökosystem gesichert und trotzdem eine langfristige Nutzung von Holz sichergestellt werden.


Und was ist mit dem «massakrierten Waldrand» vom Panoramaweg? «Viele Menschen haben Mühe mit abrupten Veränderungen. Oft kennen sie auch die Gründe für das Fällen nicht und sind dann verärgert», sagt der Oberförster der Burgergemeinde. Im Falle des Panoramawegs habe man sich nur an die kantonalen Empfehlungen zur Förderung der Biodiversität gehalten. Ein ökologisch wertvoller Waldrand besteht demnach aus einem vorgelagerten Krautsaum, einem ausgedehnten Strauchgürtel und dem eigentlichen Waldmantel. Die richtig hohen Bäume stehen somit nicht unmittelbar am Waldrand, sondern 20 bis 30 Meter weiter hinten. Lichte Waldränder bieten Lebensraum für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Sie vernetzen verschiedene Biotope und sind ein wichtiges Rückzugsgebiet.   

 

Beantworten Sie zu diesem Thema unsere Frage der Woche.

Nachrichten zu Biel »