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Biel

«Schon damals kein Freund der Anschlüsse»

Die Westastgegner haben Moritz Leuenberger ins Boot geholt: Der frühere Bundesrat und Verkehrsminister spricht sich offiziell gegen die Autobahn aus, weil sie die Stadt Biel zerschneiden würde.

Im Jahr 2002 eröffnet der damalige Bundesrat Moritz Leuenberger die Autobahn zwischen Solothurn-Ost und der Verzweigung Biel-Bözingenfeld. Bild: Keystone
  • Dossier

Deborah Balmer

Kein geringerer als der ehemalige Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger (SP) distanziert sich von der geplanten Autobahnumfahrung im Westen Biels. Der frühere Bundesrat und gebürtige Bieler sagte gegenüber den Verantwortlichen des Komitees «Westast – so nicht!»: «Ich bestätige, dass ich Herrn Regierungsrat Neuhaus geschrieben habe, ich sei ein Gegner des Projekts und wünsche nicht, als Befürworter hingestellt zu werden.»

Leuenberger war von verschiedenen Seiten zugetragen worden, dass der kantonale Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) seinen Namen brauche und vermittle, dass er für die von Neuhaus befürwortete Tunnelvariante mit den beiden Autobahnanschlüssen in der Stadt sei. Wie das BT weiss, hat Neuhaus gegenüber Leuenberger aber versichert, dass er das nie getan habe und auch nicht tun werde.

Trotzdem sagt Moritz Leuenberger nun gegenüber dem BT: «Mit der Zerschneidung der Stadt durch zwei Autobahnanschlüsse konnte ich mich schon damals im Amt nicht anfreunden.» Nun gebe es auch noch eine Alternative, die zur Verfügung stehe und deren Prüfung er befürworte. Leuenberger betont allerdings, dass er sich nicht aktiv in die Auseinandersetzung um die Autobahnumfahrung einmischen wolle und  sich aber auch nicht zum Kronzeugen des offiziellen Projekts aufrufen lasse.

Leuenberger hatte im Jahr 2002 das Autobahnteilstück zwischen Solothurn und Biel eröffnet. Seine Distanzierung zum A5-Westastprojekt kommt den Vertretern des Komitees «Westast – so nicht!» mehr als entgegen. Sprecherin Catherine Duttweiler sagt: «Es freut uns sehr, dass uns ein ausgewiesener Verkehrspolitiker wie Moritz Leuenberger im Kampf für ein lebenswertes Biel unterstützt und sich vom Westastprojekt distanziert. Dies umso mehr, als Leuenberger als früherer Chef des Uvek und als gebürtiger Bieler mit der Situation im Seeland bestens vertraut ist.»

 

Happige Vorwürfe
Die Gruppe der offiziellen Westastgegner ist gestern mit happigen Vorwürfen gegen Baudirektor Neuhaus an die Öffentlichkeit getreten: Er operiere mit Falschaussagen zum Bieler Westast, heisst es in einer Mitteilung.

Zur Erinnerung:Ende August hatte der Kanton Bern bekannt gegeben, dass die Alternative im Vergleich zum geplanten Westastprojekt keinen wesentlichen Vorteil biete und sie deshalb nicht weiterverfolgt werde.

Darauf reagiert nun aber das Komitee, das in den vergangenen Tagen den Bericht des Berner Tiefbauamts, Expertenberichte sowie Aussagen von Regierungsrat Neuhaus überprüfte. Das Fazit:Zahlreiche Behauptungen des Kantons sollen nicht den Tatsachen entsprechen, wichtige Argumente zugunsten der Alternative «Westast so besser» seien unterschlagen worden.

So stimme entgegen den Behauptungen des Kantons nicht, dass das Alternativprojekt den Bau von bis zu sieben Lüftungs- und Fluchtschächten mit Kaminen mitten in der Stadt, unter anderem in einem Naturschutzgebiet, erfordere. Es sei also auch falsch, dass es Kamine brauche, die höher sein müssten als die umliegenden Gebäude im Umkreis von 50 Metern. Das Komitee «Westast – so nicht!» schreibt, dass das Gegenteil der Fall sei:«Das Entlüftungs- und Belüftungskonzept der Alternative funktioniert ohne Abluftkamine. Je eine Lüftungszentrale an den Portalen ist ausreichend.»

In die Debatte schaltet sich auch Bauingenieur und Tunnelbauexperte Martin Gysel ein, der «Westast so besser» technisch begleitet hat. Er wehrt sich gegen die Aussagen, das Alternativprojekt beinhalte Arbeiten im «Gefrierverfahren»: «Ich habe in meinem Bericht ausdrücklich davor gewarnt, dieses Verfahren einzusetzen, vor allem unter den Bahngleisen.» Denn: Erschütterungen durch den Bahnverkehr könnten laut Gysel den Frostkörper zerstören, da Eis auf schnelle Beanspruchung wie Schläge und harte Druckwellen sehr spröd reagiert.

Das Komitee «Westast – so nicht!» hat gestern auf seiner Website weitere angebliche Falschaussagen des Kantons berichtigt. Unter anderem stimme nicht, dass die Alternative weniger Entlastung für die Quartiere bringe.
Die Westastgegner verlangen deshalb einen unvoreingenommen Bericht zur vorgeschlagenen Alternative, die eine kürzere Bauzeit verspricht und mit nur einer Tunnelröhre und ohne die beiden Anschlüsse in der Stadt auskommen will.

 

Gespräche mit Neuhaus
Auch offizielle Stellen beschäftigen sich weiterhin mit dem Westast: Gestern Nachmittag haben in der Bieler «Residenz Au Lac» Gespräche mit Regierungsrat Neuhaus stattgefunden. Neben Exekutivpolitikern der Stadt Biel, darunter Stadtpräsident Erich Fehr (SP), haben sich auch Vertreter der Interessensgemeinschaft «IG Häb Sorg zur Stadt» zum Bürgergespräch mit dem Baudirektor getroffen. Während die Stadt erst zu einem späteren Zeitpunkt über ihr weiteres Vorgehen bezüglich des Westasts informieren will, hat die IG eine Mitteilung verschickt, die ihre Position darlegt: Sie fordert die Einstellung des Variantenvergleichs, ein vollständiger Verzicht auf den Autobahnbau, dafür eine Priorisierung des Langsamverkehrs auf Stadtgebiet.

Bei den Befürwortern bleibt man derweil gelassen: Wie der Co-Präsident des Komitees Pro-Westast, FDP-Grossrat Peter Moser, sagt, lässt man sich auch von Moritz Leuenbergers Aussage nicht beeindrucken:«Leuenberger war bereits als Bundesrat immer skeptisch gegenüber Strassenprojekten eingestellt. Er darf über den Westast denken, was er will.» Laut Moser ist das bewilligte Projekt noch immer die beste aller Lösungen.

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