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Biel

«Schon zu oft gab es auf illegal besetztem Land unschöne Hinterlassenschaften»

Die beiden Bieler Grossräte Sandra Schneider (SVP) und Christoph Grupp (Grüne) debattieren über die Finanzierung von Transitplätzen für Fahrende durch den Kanton. Der Ärger über den Regierungsrat führt sie dann zu einem ganz anderen Thema.

Sandra Schneider
  • Dossier

Christoph Grupp, 3. September
An: Sandra Schneider

Liebe Sandra

Nächste Woche beraten wir im Grossen Rat den Vorstoss meines Parteikollegen Michel Seiler. Er will die Finanzierung von Transitplätzen durch den Kanton verbieten lassen. Das ärgert uns Grüne, denn Gemeinden und Kantone müssen per Gesetz Fahrenden auf Durchreise einen Platz anbieten. Zudem sind wir überzeugt, dass für andere Lebensstile wie bei den Fahrenden Raum sein muss. Eigeninitiative, wie die Motion dies auch verlangt, ist natürlich nicht verboten. Ich zweifle aber daran, dass Privatpersonen die Situation im Griff behalten können, wenn es heikel wird.

Wie gesagt, der Kanton und die Gemeinden müssen handeln. Da finde ich das Beispiel von Brügg super: Der Gemeinderat hat die Initiative ergriffen und bietet so viel ich weiss erfolgreich einen Platz im Brüggmoos an. Das verdient Lob! Der Kanton und andere Gemeinden sollten sich ein Beispiel nehmen für die Schaffung weiterer Transitplätze, bis hin zur professionellen Kommunikation. Ich nehme an, dass du die Initiative der Brügger auch gut findest, oder irre ich?

Beste Grüsse
Christoph

 

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Sandra Schneider, 4. September
An: Christoph Grupp

Lieber Christoph

Die Grünen ärgern sich über einen Vorstoss von einem Grünen? Interessant! Dein Parteikollege zieht aber die richtigen Rückschlüsse: Betroffene Gemeinden können nicht oder nur wenig mitreden. In Meinisberg musste die Bevölkerung auf die Barrikaden gehen, um das Projekt – das notabene Millionen an Steuergeldern gekostet hätte – zu stoppen. Gleiches auch in Wileroltigen. Die Gemeindebevölkerung soll in dieser Thematik mitreden dürfen, denn sie hat ja schliesslich auch die Folgen zu tragen. Doch das ist nur möglich, wenn sich der Kanton zurückzieht.
In Brügg geht man davon aus, dass es ein Rotationsprinzip geben wird und nach zwei Jahren eine andere Gemeinde im Seeland den ausländischen Fahrenden einen Platz anbietet. Ob und welche Gemeinde dies sein wird, scheint unklar. Die Brügger haben aber klare Vorgaben: Ihr Standplatz ist räumlich begrenzt und der Betrieb zeitlich beschränkt.
Wenn der Kanton sich so sehr für ausländische Fahrende einsetzen will, dann sollte er auch die Rahmenbedingungen schaffen, damit die schwarzen Schafe unter ihnen rasch weggewiesen werden können. Schon zu oft gab es auf illegal besetztem Land unschöne Hinterlassenschaften. Meinst du nicht auch, dass solche negativen Erlebnisse der Grund für die kritische Haltung sind?

Liebe Grüsse
Sandra

 

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Christoph Grupp, 5. September
An: Sandra Schneider

Liebe Sandra

Vermutlich ärgert sich die grüne Fraktion weniger über den Vorstoss ihres Grossrats Seiler als sich die SVP vor zwei Jahren über ihren Regierungsrat Neuhaus ärgerte, als er sich für die Schaffung von Transitplätzen für Fahrende ins Zeug legte. Denn das Übergehen der Gemeinden und die Steuermillionen, die du kritisierst, gingen auf das Konto eures SVP-Magistraten.
Der Betrag von neun Millionen für den Platz in Meinisberg war zu hoch, da sind wir uns einig. Auch die «unschönen Hinterlassenschaften» sind inakzeptabel, den Sch... anderer Leute beseitigen zu müssen stinkt allen. Doch genau da muss der Staat einschreiten, Mittel aufwerfen, Lösungen finden. Das kann man nicht einfach Privaten überlassen, Kanton und Gemeinden sind hier gefordert, auch wir Politiker und Politikerinnen.

Apropos missachtete Volksmeinung und Verschwendung von Steuergeldern: Christoph Neuhaus ärgert von neuem Bieler und Seeländerinnen, jetzt als Baudirektor mit seinem Schnellschuss zum A5-Westast. Zum Dialog einladen, wenn schon alles beschlossen ist, so etwas nervt mich. Dich auch?

Beste Grüsse
Christoph

 

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Sandra Schneider, 6. September
An: Christoph Grupp

Lieber Christoph

Es ist definitiv keine Staatsaufgabe, ausländischen Fahrenden einen Platz zur Verfügung zu stellen und diesen dann auch noch regelmässig aufzuräumen. Es sind ja nicht nur Müllberge und Fäkalien: Oftmals nehmen auch Einbrüche und Diebstähle massiv zu, wenn «Besuch» da ist. Die Bereitschaft, einen Transitplatz bereitzustellen, ist nicht ohne Grund sehr gering. Die Junge SVP hat übrigens schon frühzeitig das Referendum angedroht. Ob die Grünen das auch bei ihrer Regierungsrätin machen würden? Ich wage es zu bezweifeln… Übrigens, Christoph Neuhaus handelt im Auftrag des Gesamt–Regierungsrates und nicht als Privatperson!

Zum Westast: Beim «Schnellschuss» handelt es sich um einen 70-seitigen Bericht, in der Ursprungs- und Alternativprojekt gründlich miteinander verglichen werden. Der Fakten-Check brachte zutage, was absehbar war: Die Alternative ist unzureichend. Stadt und Region Biel werden nicht ausreichend entlastet. Der Beweggrund der meisten Leute im Komitee «Westast – so nicht» ist sowieso die Verhinderung der Umfahrung. Ihnen dient die Alternative nur als Alibi. Aber immerhin: Kommt der Westast nicht, dann braucht es auch keine verkehrsschikanierenden Massnahmen mehr. Das gilt dann auch für diejenigen zum Ostast, schliesslich muss der Verkehrsfluss durch die Stadt sichergestellt werden.

Liebe Grüsse
Sandra

 

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Christoph Grupp, 7. September
An: Sandra Schneider

Liebe Sandra

Der sogenannte Faktencheck ist eben ungenügend, weil nicht alle geforderten Punkte untersucht wurden. Die Motionäre scheinen aber befriedigt zu sein, was man vom Bieler Gemeinderat nicht behaupten kann. Denn dieser forderte eine unabhängige Untersuchung, die nicht erfolgt ist. Und diese halb gare Geschichte wurde nun sogar zuerst an die Medien hinausposaunt, statt vorgängig die lokalen Behörden zu informieren. Soweit mal als Richtigstellung. Dass man einen solchen Aufwand, den das Komitee «Westast – so nicht» betrieben hat, als Alibiübung bezeichnet, stimmt ebenfalls nicht – aber da lässt du dich wohl nicht überzeugen. Meinerseits war ich jedenfalls sehr froh, mit dem Alternativvorschlag endlich einen gangbaren Weg aufgezeigt zu erhalten.

Aber nochmals zurück zu unserem Gesprächsanfang: Da ging es ja darum, dass ein Grüner und ein Bürgerlicher aus dem Emmental einen gemeinsamen Vorstoss eingereicht hatten, und das erst noch zu einem umstrittenen Thema. Was mir da auch durch den Kopf ging: In den anderen Regionen läuft das Engagement für die Region viel besser als bei uns im Seeland. Die Bernjurassier, die Emmentaler und vor allem die Oberländer können sich viel besser zusammenraufen, wenns drauf ankommt. Für das Seeland würde ich mir das auch wünschen, also etwas mehr Seeländer Schwung in Bern. Bist du dabei?

Beste Grüsse
Christoph

 

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Sandra Schneider, 9. September
An: Christoph Grupp

Lieber Christoph

Da gebe ich dir recht. Unter Emmentalern oder Oberländern scheint die überparteiliche Zusammenarbeit durchaus markanter zu sein. Allerdings würde ich das Engagement der «Seeland-Fraktion» nicht kleinreden. Mit dem Campus kommt ein gewichtiger «Brocken» nach Biel, wovon die ganze Region profitieren wird. Der Unterschied liegt vielleicht daran, dass sich die linke Stadt Biel als Zentrum des eher bürgerlich-gemässigten Seelands sieht. Gemessen an den zahlreichen politischen Baustellen in Biel zweifeln viele Leute daran, dass die Stadt diesem Anspruch gerecht wird. Die Menschen sehen in Biel vor allem eine Metropole mit 800 Millionen Franken Schulden und stetig steigenden Verkehrsschikanen mit roten Ampeln und weniger Parkplätzen. Wer das negative Image bekämpfen will, wird vom Roten Adel bekämpft: Seien es gewählte Gemeinderäte, die Missbräuche im Sozialbereich bekämpfen wollen, oder ein Hausbesitzer, der mit einer orangen Fassade wieder Farbe ins Stadtbild bringen möchte.
Dein Angebot nehme ich gerne an. Zusammen mit Ratskollege Mohamed Hamdaoui konnte ich mich für den Bieler Märit einsetzen. Ich bin überzeugt, dass auch wir beide Gemeinsamkeiten finden, für die wir uns Seite an Seite engagieren können. In diesem Sinn: Hopp Biel und hopp Seeland!

Beste Grüsse, Sandra

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