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Biel

Schwickert stellt sich nicht mehr zur Wahl

Die Grünen müssen bei den Bieler Wahlen im Herbst 2020 auf Gemeinderätin Barbara Schwickert verzichten. Sie verlässt die Stadtregierung eine Legislatur vor Erreichen der Amtszeitbeschränkung, um sich mit 56 Jahren beruflich neu zu orientieren.

Keine Lust auf eine schleichende Pensionierung: Gemeinderätin Barbara Schwickert wagt einen beruflichen Neustart. Bild: Matthias Käser

Lino Schaeren

Die Bieler Wahlen vom 27. September 2020 sind gestern mit einem Paukenschlag lanciert worden: Gemeinderätin Barbara Schwickert (Grüne) verkündete, dass sie sich nicht mehr zur Wahl stellen wird. Das kommt überraschend, hatte doch zuletzt nichts darauf hingedeutet, dass Barbara Schwickert amtsmüde sein könnte. Im Gegenteil: Die Bau-, Energie- und Umweltdirektorin konnte sich zuletzt in der Klimadebatte profilieren und tun, was ihr besonders am Herzen liegt –den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern in Biel vorantreiben. Schwickert sagt denn auch: «Die jetzige Aufgabe liegt mir, ich würde sie inhaltlich gerne weiterführen.» Wieso also wird sie es nicht über das Jahr 2020 hinaus tun?

Als Grund für ihren Entscheid, sich in etwas mehr als einem Jahr aus der Bieler Politik zurückzuziehen, gibt die Gemeinderätin die Berufsplanung an. Wegen der in Biel geltenden Amtszeitbeschränkung von 16 Jahren könnte Schwickert noch maximal eine Legislatur in der Stadtregierung anhängen. Danach, Ende 2024, würde sie dann mit 60 Jahren gezwungenermassen aus ihrem Amt ausscheiden. «Für mich hat sich deshalb die Frage gestellt, was ich in den Jahren vor meiner Pensionierung noch machen will», sagt Schwickert. Und sie ist zum Schluss gekommen: «Mit 60 Jahren noch ein paar Ämtli sammeln, um dann in Pension zu gehen, ist für mich keine Option. Lieber suche ich jetzt noch einmal eine neue Herausforderung. Ich bin alles andere als müde und möchte auch in Zukunft aktiv mitgestalten.»

«Wurde überrascht»

Heisst: Die Grünen der Stadt Biel müssen sich nach zwölf Jahren mit Barbara Schwickert im Gemeinderat nach einer Nachfolgelösung umschauen. «Es war immer eine Möglichkeit, dass Barbara Schwickert nicht mehr antritt. Von ihrem Entscheid, den ich sehr bedauere, wurde ich aber trotzdem etwas überrascht», sagt Parteipräsident Urs Scheuss. Man habe nun eine Findungskommission eingesetzt, um herauszufinden, wer in Schwickerts Fussstapfen treten könnte. Während sich Kandidatinnen und Kandidaten für höhere Aufgaben bewerben können, wollen die Grünen auch das Gespräch mit den Sozialdemokraten suchen. «Wir werden gemeinsam analysieren müssen, wie wir die rot-grüne Mehrheit in der Stadtregierung sichern können», so Scheuss. Dabei steht auch zur Diskussion, ob SP und Grüne allenfalls wieder mit einer gemeinsamen Liste bei den Gemeinderatswahlen antreten wollen.

Diesbezüglich fuhren die beiden linken Partner in den letzten Jahren einen Zickzackkurs: 2008, als Barbara Schwickert als erste Grüne zur vollamtlichen Gemeinderätin gewählt wurde, kandidierte sie auf einer reinen Frauenliste der Grünen. 2012 spannten SP und Grüne dann mit einer Liste zusammen, ehe die Grünen 2016 angeführt von Schwickert wieder mit einer Frauenliste alleine antraten. Der Plan ging auf: Die Grüne-Spitzenkandidatin wurde jeweils souverän wiedergewählt. 2010, als Hans Stöckli während der laufenden Legislatur abtrat, kam sie zudem in der Ersatzwahl um das Stadtpräsidium dem heutigen Stadtoberhaupt Erich Fehr (SP) gefährlich nahe – zumindest im ersten Wahlgang. Scheuss sagt, die Frage, ob man alleine oder zusammen mit der SP antrete, solle noch in diesem Jahr geklärt werden.

«Gestärkt in Bieler Wahlen»

Scheuss macht sich keine Sorgen, dass die Grünen ihren Gemeinderatssitz auch ohne ihr Aushängeschild Schwickert werden verteidigen können. Im Gegenteil: «Nach dem historischen Erfolg bei den Wahlen vom vergangenen Sonntag gehen die Grünen gestärkt in die Bieler Wahlen vom nächsten Jahr», sagt der Parteipräsident. Tatsächlich machte die grüne Welle bei den Nationalratswahlen auch vor Biel nicht Halt: Die Partei konnte ihren Wähleranteil um ganze 10,9 Prozentpunkte auf 24,9 Prozent steigern (das BT berichtete). Das macht es denn auch Schwickert einfacher, ihren Entscheid zu kommunizieren – «es ist für mich einfacher, nicht mehr anzutreten, wenn meine Partei im Hoch ist», sagt sie.

Fragt sich, wer bei den Grünen für Schwickert übernehmen soll. Vor vier Jahren trat die Partei nebst der bisherigen Gemeinderätin mit drei jungen Kandidatinnen an, um diese für künftige Aufgaben aufzubauen. Zudem figurierte auch Ruth Tennenbaum (Passerelle) auf der Frauenliste. «Sie können davon ausgehen, dass Sie von unseren Kandidatinnen aus dem Jahr 2016 wieder hören werden», sagt Scheuss lediglich. Geht man von dieser Liste aus, dürfte Lena Frank die besten Karten haben. Sie machte bei den letzten Jahren hinter Schwickert den zweiten Rang – wobei sie nicht einmal halb so viele Stimmen holte wie die weit über die Parteigrenzen hinaus respektierte Schwickert. Zudem wurde Frank wohl auch dank ihrer Gemeinderatskandidatur als Bestgewählte ihrer Partei im Stadtrat bestätigt. Lena Frank sitzt seit 2013 im Stadtparlament und hat derzeit als Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission ein gewichtiges Amt inne. Auf eine mögliche erneute Gemeinderatskandidatur angesprochen, lässt sich Frank nicht in die Karten blicken, sagt einzig, dass sie sich noch nicht entschieden habe, ob sie erneut antreten wolle.

Ein Aufbruch

Und Barbara Schwickert? Sie sagt, dass sie noch nicht wisse, wo sie nach ihrem Austritt aus dem Gemeinderat lande. Sie habe im ersten Halbjahr zwar einige Jobangebote erhalten, zugesagt habe sie aber nirgends. Es sind auch diese Angebote, die Schwickert angestachelt haben, Ende 2020 mit 56 Jahren noch einmal einen Neustart zu wagen.Mit Blick auf die Wahlen vom vergangenen Wochenende und auf ihre berufliche Zukunft sagt sie: «Diese Zeit ist nicht nur für meine Partei ein Aufbruch, sondern auch für mich.» Noch aber bleiben Barbara Schwickert 14 Monate in der Bieler Stadtregierung.

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Der Stadtpräsident hat noch nicht genug

Mit der Ankündigung von Barbara Schwickert, nicht mehr für den Bieler Gemeinderat anzutreten, beginnt sich das Kandidatenkarussell zu drehen. Stellt sich die Frage: Wollen die weiteren vier Gemeinderatsmitglieder in der Stadtregierung weitermachen? Eine klare Antwort gibt es von Stadtpräsident Erich Fehr (SP): «Ich bin motiviert und bereit, mein Amt weiterzuführen», sagt er. Fehr sagt, er habe sich in den vergangenen Monaten Gedanken um seine berufliche Zukunft gemacht. «Ich bin zum Schluss gelangt, dass mein Job nach wie vor spannend ist und ich meine Arbeit gerne fortführen würde.» Er betont jedoch auch, dass es nun an der Partei sei, die Nominationen vorzunehmen.

Susanne Clauss, Co-Präsidentin der Bieler SP, zeigt sich erfreut darüber, dass sich Fehr zur Verfügung stellt: «Wir haben ihn informell angefragt und sind froh um dieses Signal», sagt sie. Clauss betont jedoch auch, dass der Findungsprozess gerade erst begonnen habe, auch wenn wenig dagegen sprechen dürfte, den amtierenden Stadtpräsidenten erneut ins Rennen zu schicken.

Nichts zu ihren Plänen sagen wollen Sozial- und Sicherheitsvorsteher Beat Feurer (SVP) und Cédric Némitz (PSR), Direktor für Bildung, Kultur und Sport: «Kein Kommentar», heisst es bei beiden. Auch Finanzdirektorin Silvia Steidle (PRR) will erst zu einem späteren Zeitpunkt über ihre Pläne informieren. lsg

Stichwörter: Biel, Bieler Wahlen

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