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Biel

Seine Leinwand ist die Haut

Nach Lehr- und Wanderjahren in Amerika und Asien hat sich der Tattoo-Künstler Issei Kurihara in Biel niedergelassen. In Japan, seinem Heimatland, konnte er das Handwerk nicht frei ausüben.

Issei Kurihara wurde in Hiroshima geboren. Seit zehn Jahren beitreibt er ein Tattoo-Studio in Biel. Bild: Matthias Käser

Maeva Pleines/pl

Vornehme Bescheidenheit und gastlicher Empfang: Issei Kurihara verkörpert die kulturelle Vielfalt und das reiche künstlerische Schaffen, die das Flair der Seelandmetropole auszeichnen.

Seit zehn Jahren betreibt der japanische Meister sein Tattoo-Studio an der Bahnhofstrasse 16 in Biel. Seine Lehr- und Wanderjahre führten den Künstler nach Los Angeles, New York, Goa in Indien und schliesslich in die Schweiz. In seinem Heimatland konnte Kurihara das Handwerk nicht frei ausüben, wie er erklärt: «In Japan sind Tätowierungen verpönt. Dort gelten strikte Regeln für das Herzeigen der Körperkunst in der Öffentlichkeit. Diesen Einschränkungen wollte ich mich nicht beugen.»

Der ganze Körper ist 
ein Kunstwerk

Der Wahlbieler ist offen für alle Kundenwünsche, aber sein Markenzeichen ist die Irezumi-Body-Art. Die 500 Jahre alte Tradition war bis 1872 im Land der aufgehenden Sonne verboten. Der einzigartige Kunststil zeichnet sich durch symbolträchtige Motive und stark pigmentierte Farben aus, die grosse Teile des Körpers zieren. «Die Schlange ist Sinnbild der Weisheit, die Pfingstrose steht für die Königin aller Blumen und der Karpfen verwandelt sich in einen Drachen», erklärt Issei Kurihara und zögert nicht, sein T-Shirt auszuziehen, um seinen eigenen Hautschmuck zu zeigen.

Sein ganzer Körper ist ein Kunstwerk aus wellenartigen Linien, die durch rote Blitze bereichert werden. Die Arbeit ist von Filip Leu signiert, einem weltweit renommierten Schweizer Tätowierer, der wegen seiner Bodysuits als Ikone seines Handwerks gilt. Es handelt sich dabei um stattliche Kompositionen, die weite Teile des Körpers umfassen.

Der in Hiroshima geborene Issei Kurihara reiste 2003 aus den Vereinigten Staaten in die Schweiz, um sich beim Meister aus Sainte-Croix in der Kunst der Body-Art ausbilden zu lassen.

Nach dem Vorbild seines Mentors pflegt Kurihara das grossflächige Genre. Dazu sagt er: «Ich versuche, die Einzigartigkeit jedes Körpers zu verinnerlichen. Dann gehe ich ans Werk und schaffe einen Hautschmuck, der die menschlichen Formen und Bewegungen harmonisch heraushebt und dem Zahn der Zeit widersteht.»

Pausen, um «die Schmerzen zu verdauen»

Bei einer dreistündigen Sitzung pro Monat nimmt die perfekte Verwandlung bis zu drei Jahre in Anspruch. Die Pausen seien notwendig, «um die Schmerzen zu verdauen», so der Spezialist. Er selbst räumt ein, dass er deswegen zögere, freie Stellen auf seiner Haut tätowieren zu lassen. Die Erinnerung an die Nadelstiche erzeugen bei ihm immer noch Abneigung.

Wer seine sterbliche Hülle zum Kunstwerk erheben will, muss nicht nur die Zähne zusammenbeissen. Die Verwandlung hat auch ihren Preis: «Sie ist eine Investition, ähnlich als ob man ein Auto kauft», sagt Kurihara, der den Prozess der Veränderung in erster Linie als spirituelles Ritual versteht.

Der Virtuose mit der Nadelpistole erfüllt auch kleine Aufträge. «Ich fühle mich in jedem Fall geehrt, wenn eine Person meinem Handwerk vertraut», meint er mit fernöstlicher Bescheidenheit. Bei grösseren Projekten rechnet der Künstler mit zehn Vorgesprächen, bis man sich über die Gestaltung des Werks einig sei: «Was zählt, ist die gleiche Wellenlänge zwischen dem Tätowierer und dem Auftraggeber.» Die grösste Befriedigung sei das zufriedene Lächeln der Klienten nach vollbrachter Arbeit, so der gebürtige Japaner.

Die junge Generation zeigt sich immer offener

Issei Kurihara empfängt in seinem Studio verschiedenartige Kunden: «Die junge Generation zeigt sich immer offener für Body-Art. Am häufigsten kommen Männer und Menschen, die der japanischen Kultur zugetan sind, zu mir.» Manche glaubten, dass er alleine wegen seiner Wurzeln die Kunst des Tätowierens «im Blut» habe, lacht der Tattoo-Profi.

Respektvoll und ohne Vorurteil berichtet er über seltsame Kundenwünsche: «Ein Mal wollte einer ein Motiv auf seinen Penis stechen lassen. Ich hatte ihn nicht abgewiesen, aber am Ende erschien er nicht zur Sitzung.»

Eine andere Person bat ihn um eine Botschaft, die er auf den Augenlidern anbringen sollte. Diesen Wunsch lehnte Kurihara ab: «Die Arbeit wäre möglich gewesen, aber ich hatte Bedenken, dass die Kundin ihre Wahl später bereuen könnte.»

Stichwörter: Tattoo, Kunst, Körper, Schmuck, Biel

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