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Portrait

«Sie nannten mich den Ölscheich 
von Brügg»

Für Franz Wyss aus Brügg war früh klar, dass er den väterlichen Brennstoffhandel übernehmen werde. In seiner Freizeit ging er aber eigene Wege: Er lernte ein Instrument und war über 40 Jahre lang Präsident der Musikgesellschaft. Nur mit der Politik klappte es nicht wie geplant.

Franz Wyss hat als Brennstoffhändler die Ölkrise von 1973 überlebt: «Das war ziemlich brutal, wir kauften, was wir kriegen konnten.» Bild: Matthias Käser
  • Dossier

Peter Staub

Franz Wyss kam als zweites Kind der Familie zur Welt. Seine Schwester war damals ein Jahr alt, es folgten noch zwei Brüder. Sein Vater betrieb eine Kohle- und Holzhandlung, die dessen Vater gegründet hatte. Für diesen Handel brauchte die kleine Firma eine Menge Holz. Um diese für die Kunden bereit zu machen, mussten auch die Kinder mit anpacken. Wobei dies in der Familie Wyss vor allem Franz und sein zwei Jahre jüngerer Bruder taten: «Einer hat gespaltet, einer hat gesägt», erzählt Franz Wyss. Wobei das Spalten dreimal so lange dauerte wie das Sägen. «Ich war immer derjenige, der spalten musste.» Die Rivalität der zwei Brüder zog sich wie ein roter Faden durch Franz Wyss’ Kindheit.

«Vater wollte nicht, dass ich herumlungere»
Als er einmal wegen der Ungleichbehandlung 
reklamierte und dem Vater sagte, er wolle nicht immer bloss Holz spalten, konnte er sich kurzfristig durchsetzen. Aber weil der Bruder die Scheite nicht auseinandernahm, musste dies der Vater am nächsten Tag bei einem Kunden selber machen. Von da an waren die Rollen klar: Der jüngere Bruder sägte das Holz. «Das konnte er jeweils über Mittag machen, sodass er am Nachmittag frei hatte und zum Beispiel Ski fahren konnte, während ich den ganzen Nachmittag Holz spalten musste.» Das sei zwar manchmal ziemlich langweilig gewesen, dennoch habe er es gerne gemacht, erzählt Franz Wyss. Und doch ist ihm anzumerken, dass er noch heute nicht ganz über die ungleiche Arbeitsverteilung hinweg ist.

Als Kind und Jugendlicher half er nicht nur im elterlichen Geschäft mit, mit ungefähr zehn Jahren ging er in den Herbstferien zum ersten Mal zu einem Bauern, der seinen Hof an der Orpundstrasse in Brügg hatte. Von da an half er diesem regelmässig, die Kühe zu hüten. Nicht nur, aber vor allem in den Schulferien. «Mein Vater sagte, er wolle nicht, dass ich herumlungere.» Sein jüngerer Bruder musste nicht zu einem Bauern. «Er durfte einem Gärtner helfen. Über Mittag konnte er fürs Mittagessen nach Hause und um halb sechs Uhr hatte er Feierabend, sodass er im Sommer noch 
baden gehen konnte», berichtet Wyss, und man spürt, dass auch diese Ungerechtigkeit noch immer an ihm nagt. Denn bei ihm ging es morgens früher los und wurde abends spät. «Ich kam nur nach Hause, um zu schlafen.»

Dass ihn das Hüten der Kühe den ganzen Tag beschäftigte, lag daran, dass es damals noch keine Elektro-Zäune gab: «Ich sorgte dafür, dass die Kühe nicht wegliefen oder auf das Grundstück des Nachbarn auswichen. Um sie im Zaun zu halten, hatte ich eine Geissel.» Vier Jahre arbeitete Wyss bei diesem Bauern. Und zwar nicht nur als Cowboy. «Wenn die Schule aus war, ging ich zum Bauern, wo ich meine Pflichten hatte. Zum Beispiel vor dem Mittag bei den Schweinen zu misten, 
bevor es nach dem Mittag aufs Feld ging.» Dort musste er im Sommer Mist zetteln, heuen oder 
jäten. «Dafür erhielte ich ein Sackgeld. Wie hoch dieses war, weiss ich nicht mehr, aber viel war es nicht.» Immerhin konnte er es behalten und musste es nicht zu Hause abgeben. Nach vier Jahren ging er zu einem anderen Bauern, der einen Jungen in seinem Alter hatte. «Dieser durfte die schöne Arbeit machen, während ich die Drecksarbeit erledigte» erinnert sich Wyss. Obwohl ihm die landwirtschaftliche Arbeit gefiel, wollte er nie Bauer werden. Auch dann nicht, als er später eine Bauerntochter heiratete.

Franz begleitete seinen Vater bereits, als dieser noch mit Ross und Wagen unterwegs war. «Das Pferd hielt jeweils von selbst bei den Häusern an, wo wir regelmässig Holz abluden.» Dass die Kinder mithalfen, war normal. «Wobei der jüngste Bruder zu schwach war, um Kohlen zu tragen.» Und der andere Bruder, also jener, der jeweils das Holz sägen durfte? «Er wusste immer, wie er es anstellen musste, um nicht zu viel zu arbeiten», erzählt Wyss.

1948, als Franz neun Jahre alt war, kaufte sein Vater einen Opel Blitz. Damit besorgte er von nun an die sogenannte Bahn-Camionage in den Gemeinden Brügg, Studen, Aegerten, Schwadernau und Scheuren. «Wir holten die Waren mit dem Lieferwagen am Bahnhof Brügg ab und lieferten sie zu den Kunden nach Hause: ein Karton Wein, eine Waschmaschine, alles, was als Handelsgüter mit der Bahn angeliefert wurde. Das war also eine Art Warenumschlag ab Bahnhof», erzählt Wyss.

«Wir waren die Prügelknaben der Armee»
Die Unstimmigkeiten mit seinem jüngeren Bruder gingen auch weiter, als beide bereits erwachsen waren. So erinnert sich Franz Wyss an einen Vorfall, als er knapp über 20 Jahre alt war: An einem Samstagmorgen begannen er und sein Vater um 6 Uhr. Sie fuhren zum Bahnhof Brügg, um Kohle in Säcke abzupacken. «Erst etwa um 10 Uhr kam auch der Bruder an, gut angezogen.» Da habe der Vater gesagt, er solle dem Franz den Camion waschen, da dieser noch Öl liefern müsste. «Mein Bruder meinte bloss, er habe bereits am Samstag zuvor gearbeitet und dass man andernorts am Samstag gar nicht arbeite.» Als sein Vater darauf nicht antwortete, ging Franz das Heizöl ausliefern. «Am Montagmorgen war ich mit einem sauberen Camion auf der Baustelle, der Lastwagen meines Bruders aber war schmutzig, was sogar dem Polier auffiel. Mein Bruder hatte nicht gewusst, dass ich meinen Camion extra am Sonntagmorgen gewaschen hatte.»

Mit seiner Mutter kam Franz Wyss gut aus. Sie war Hausfrau und erledigte gleichzeitig die Büroarbeiten der Brennstoffhandlung. Nach neun Jahren Primarschule in Brügg wollte er Automechaniker werden: «Ich wollte unsere Wagen selber 
flicken können, wenn ich später das Geschäft übernehme.» Also ging er in der Fiat-Garage in Biel vier Jahre lang in die Lehre.

Anschliessend absolvierte er in Thun die Rekrutenschule als Motormechaniker und machte danach die Unteroffiziersschule. «Als Motormechaniker waren wir damals so etwas wie die Prügelknaben der Armee.» Im Gegensatz zu den Waffenmechanikern, die nur drei Wochen brauchten, hätten sie in Bremgarten sieben Wochen abverdienen müssen. Nach der Unteroffiziersschule stieg er in Brugg auch noch zum Werkstattchef auf. Dann war aber vorerst genug mit Militär und der junge Franz Wyss wagte den Sprung in die Westschweiz um besser Französisch zu lernen.

Durch ein Inserat, mit dem ein Chauffeur gesucht wurde, kam er nach Aigle. Von der Schule und der Lehre her konnte er bereits ein wenig Französisch. «Aber ich wollte es perfektionieren und dafür braucht es mindestens ein Jahr». Allerdings lernte er dann fast besser Italienisch als Französisch, weil auf den Baustellen so viele Italiener arbeiteten. «Ich hatte ein gutes Verhältnis mit dem Patron.» In Aigle hatte er ein Zimmer bei einer Familie, gegessen wurde in der Regel in einer Kantine. An den Wochenenden blieb er in der Westschweiz: «Wir waren zwei Deutschschweizer und zwei Welsche, die regelmässig zusammen in den Ausgang gingen.» In Aigle arbeitete er ebenfalls in einer Brennstoffhandlung, diese besass aber auch Kipper. «Zwischendurch holten wir Kohle in Basel, Bern oder Renens und lieferten diese aus. Sonst führten wir Kies und anderes Baumaterial», erzählt er.

Das anvisierte Jahr war noch nicht um, als ihn die Eltern nach Hause beorderten, weil der Italiener, der bei seinem Vater arbeitete, gekündigt hatte. «Weil mein Vater mich brauchte, kam ich nach Hause.» Allerdings nicht, ohne dass Franz zuerst seinen Bruder in die Pflicht nehmen wollte. Aber dieser wollte lieber weiter in Biel in einer Garage arbeiten. «Mein Vater konnte sich auf mich verlassen.»

«Roter Wyss» war nicht politisch gemeint
Als er mit den neu gewonnenen Erfahrungen nach Hause kam, sagte er dem Vater: «So wie bisher geht es nicht mehr, so kommen wir nirgendwohin.» Er wollte, dass die Firma von nun an selbst Heizöl lieferte statt dies anderen Firmen zu überlassen. «Wir rüsteten einen Kipper mit einem Tank aus, sodass wir ihn auch als Tanklastwagen nutzen konnten.» Das Heizöl wurde in der Regel bei schlechtem Wetter, wenn auf den Baustellen nichts los war, oder am Samstag ausgeliefert. Es war ungefähr in dieser Zeit, als der damals 23-Jährige die vier Jahre jüngere Frieda kennenlernte, die im Coop in Brügg als Verkäuferin arbeitete, wohin er Waren lieferte. «Ich musste sie nicht überzeugen, dass ich der Richtige war für sie, das merkte sie selbst», erzählt er. Das junge Paar ging tanzen und machte mit dem Velo oder mit dem Auto Ausflüge. 1963 wurde geheiratet. Es folgten zwei Kinder, die später beide eine Berufslehre machten, der Junge als Lastwagenchauffeur, die Tochter als Schriftsetzerin.

Mitte der 60er-Jahre fand es Franz Wyss an der Zeit, dass sein Vater das Geschäft übergab. Dieser war damals 66 Jahre alt. «Meine Mutter wollte, dass wir eine AG gründeten, aber für mich war klar, dass ich nur als Franz Wyss weitermachen wollte.» Mit seinem Bruder wollte er partout kein gemeinsames Unternehmen haben. Deshalb gab es ab dem 1. Januar 1967 zwei Geschäfte: eines mit roten und eines mit blauen Lastwagen. «Ich war der rote Wyss, aber nur wegen der Farbe der Lastwagen, nicht etwa politisch», sagt Franz Wyss lachend. Der Umsatz mit den Kohlen sei schon länger zurückgegangen. «Deshalb war es nötig, etwas Neues zu machen.» Als 1972 Carrefour nach Brügg kam, besorgte der «rote Wyss» dafür die Transporte. Und er baute den Stückgut-Transport nach und nach aus.

«Aber ich wollte nie ein grosses Geschäft haben», sagt er. Mehr als drei Lastwagen sollten es nie sein, damit er noch der Patron sein konnte, der alles überwachte. Einer der drei Chauffeure war er selbst. Auch seine Frau machte 1972 das Lastwagenbillet. «Wenn sie fuhr, schauten jeweils die Grossmutter oder eine Nachbarin zu den Kindern.» Sonst machte Frieda Wyss die Büroarbeiten, disponierte und erledigte den Einkauf, während er auf dem sogenannten «Bock» sass, also mit dem Lastwagen unterwegs war.

Die Ölkrise von 1973 habe niemand kommen sehen: «Das war ziemlich brutal. Wir mussten schauen, wie wir durchkamen, kauften bei diesem Importeur und jenem Händler, was wir kriegen konnten. Wir haben es überlebt», erzählt er.

Genauso wie es für ihn schon als Kind klar war, einmal das Geschäft zu übernehmen, so entschieden war auch sein Sohn. In der achten Klasse musste dieser in der Schule einen Aufsatz über seine Zukunft schreiben. Er hielt sich kurz: Er gehe noch zwei Jahre in die Schule, mache dann eine Lehre als Lastwagenmechaniker, absolviere danach die Rekrutenschule, werde Unteroffizier und nach einem Jahr in der Westschweiz übernehme er das Geschäft des Vaters. Franz Wyss erzählt stolz, dass dies den Lehrer so sehr beeindruckte, dass er den Aufsatz zur Seite legte.

«Ich war 58 Jahre alt, mein Sohn 27, als ich ihm das Geschäft übergab.» Auch damit wiederholte sich die Geschichte, war doch sein Sohn gleich alt wie er, als er selbst das Geschäft von seinem Vater übernommen hatte. Vorher aber kauften sie noch das Gebäude, wo die Firma nun die Tankstelle betreibt und Vater Franz dann das «Café Neubrück» eröffnete. «Da ich bereits früher an Vereins-Festen gewirtet hatte, wusste ich, dass ich das gerne machte.» Zudem ging er nun jeden Mittwochnachmittag mit dem Unteroffiziersverein marschieren. Im Alter von 64 Jahren starb seine Frau Frieda überraschend an einem Herzstillstand. Für einen Moment hält Wyss inne. Dann erzählt er weiter, wie er als angestellter Chauffeur für die Firma seines Sohnes weiterarbeitete und Heizöl und Stückgut führte. «Das ging wunderbar, wir hatten nie Probleme.» Erst mit 72 Jahren hörte er auf. «Ich würde heute gerne noch fahren», sagt er, «aber einmal ist Schluss.»

Zwist zwischen Dirigent und Präsident
War Franz Wyss’ berufliche Leidenschaft das eigene Familienunternehmen, so war es in der Freizeit vor allem die Musik, die ihn umtrieb, seit er 14 Jahre alt war. «Dass ich mit der Musik begann, hatte ich Schulkollegen zu verdanken. In der Familie waren Männerchor und Frauenchor Tradition, das interessierte mich nicht. Abgesehen davon, dass ich nicht singen konnte», sagt er lachend. Sein erstes Instrument war ein Es-Horn. Das war damals ein Begleitinstrument, um Walzer, Polka oder eine Ouvertüre zu spielen. Sein Instrument zu spielen, lernte er in Brügg. Aber nicht in der Musikschule: «Einmal pro Woche kam ein Musikant am Abend ins Probelokal im Restaurant Du Pont, um uns zu unterrichten.» Dass er ein Es-Horn erhielt, lag daran, dass derjenige, der den Unterricht gab, ihm dieses Instrument zuwies. Die anderen Jungen waren Söhne von Musikanten. Diese spielten Trompete, Tenorhorn oder Flügelhorn. «Ich hatte keine Ahnung, was ein Es-Horn ist. Aber wenn wir die Tonleiter übten, konnte ich nicht einfach mitmachen, weil ich eine andere Höhenlage hatte.»

Am Schluss seiner Musikkarriere war Wyss insgesamt über 40 Jahre lang Präsident der Musikgesellschaft (MG) Brügg, wo er immer Blasmusik machte. Nachdem er aus Aigle zurückgekehrt war, wurde er Vizepräsident der MG. «1968 wurde ich das erste Mal Präsident. Die nächsten 13 Jahre blieb ich im Amt.» Sein Nachfolger machte nur drei Jahre: «Er wurde verheizt, weil ihn der damals fast allmächtige Dirigent nicht akzeptierte», erzählt Wyss. Das habe der Dirigent auch bei ihm versucht. Vergeblich, er habe das ertragen können. Also übernahm er das Präsidium erneut für die nächsten zehn Jahre, bis er wieder jemanden fand, der ihn ablöste. Aber auch dieser machte nur zwei Jahre. «Und ich musste noch einmal einspringen, weil sich niemand mehr verheizen lassen wollte.»

Am liebsten erinnert er sich an das Kantonale Musikfest in Burgdorf von 1974: «Wir waren viel besser als die Bieler Stadtmusik und spielten in der ersten Stärkeklasse. Dennoch wurde den Bielern bei der Rangverkündigung auf dem Burgdorfer Viehmarkt der erste Platz zugesprochen, was das Publikum mit einem riesigen Pfeifkonzert quittierte.» Wenn er bei der Stadtmusik gewesen wäre, hätte er sich verkrochen, erzählt Franz Wyss. Das Ganze sei eine abgekartete Sache gewesen. Das Kantonale war im Juni, im August kam in Lugano aus, wer das nächste Eidgenössische Musikfest ausrichten durfte. «Und weil Biel dafür kandidierte, durfte man nicht thematisieren, dass in Burgdorf geschummelt worden war.» Biel habe denn auch tatsächlich den Zuschlag fürs Eidgenössische erhalten. «Man durfte damals einfach nicht die Dorfmusik vor die grosse Stadtmusik stellen», empört sich Wyss noch heute.

Mit der MG Brügg sei es von da an eigentlich stetig bergab gegangen. Was nicht zuletzt an den internen Konflikten gelegen haben dürfte. An der Generalversammlung 1990 wurde Wyss zum Ehrenpräsidenten der MG ernannt. Letztes Jahr war dann Schluss: «Wir haben die Musikgesellschaft zwar nicht aufgelöst, aber doch storniert.» Am Schluss seien nur noch knapp zehn Leute bei den Proben gewesen. «Jetzt machen wir noch kleinere Reisen und haben es zusammen gemütlich.»

«Sie wollten mich in der Opposition»
Ausser in der Musik engagierte sich Franz Wyss in Brügg auch politisch. So arbeitete er in Kommissionen mit und war unter anderem Mitbegründer des Gewerbevereins Brügg und Präsident des Amtsgewerbeverbandes. Vor mehreren Jahrzehnten kandidierte er auch einmal auf der Liste der bürgerlichen Ortsvereinigung für den Gemeinderat und auf der SVP-Liste für Grossen Rat: «Aber es reichte mir nie zur Wahl. Dafür war ich zu wenig linientreu.» Als es beispielsweise darum ging, eine Naturstrasse, die am Kindergarten vorbeiführte, zu asphaltieren, sollten sich die anstossenden Hausbesitzer an der Finanzierung beteiligen. Die Bürgerlichen seien dafür gewesen, die Sozialdemokraten dagegen. «Ich fand es nicht korrekt, dass die Grundeigentümer dafür bezahlen sollten. Deshalb sprach ich mich an der Gemeindeversammlung dagegen aus.» Und das ausgerechnet kurz vor den Gemeinderatswahlen. Da habe ihm einer auf die Schultern geklopft und gesagt: «Franz, so wirst du nicht Gemeinderat.»

Dass er als Offizier der Feuerwehr, Präsident des Vereinkonvents und Präsident der Musikgesellschaft bekannt und immer an Festen dabei gewesen sei – «sie nannten mich den Ölscheich von Brügg» – habe ihm für die Politik alles nichts genutzt. Weil er abends nicht in die Beizen gegangen sei, um den Gästen eine Runde auszugeben und für sich Reklame zu machen, habe es ihm nie in den Gemeinderat gereicht. «Das Volk entschied: Es wollte mich in der Opposition, weil ich sonst hätte schweigen müssen.» Auch die Grossratswahlen liefen nicht für ihn. Er landete auf dem ersten Ersatzplatz, wollte dann später aber nicht mehr nachrutschen. «Damit war für mich das Kapitel Politik abgeschlossen.»

Heute ist Franz Wyss noch bei der Seeländischen Veteranenmusik Alte Garde aktiv, neu sogar als deren Präsident. Einmal pro Monat wird geübt. «Und wir haben zwei bis drei Auftritte pro Jahr», sagt er nicht ohne Stolz. So spielten die Veteranen am Muttertag im Seelandheim in Worben. Und im September treten sie in Erlach auf. Das «Café Neubrück» gibt es noch. «Aber das führe ich nicht mehr selbst, dafür habe ich einen Pächter» erzählt er. Da er in der Wohnung über dem Café wohnt, schaut er aber immer noch gern kurz rein. Seine Freundin lebt in der Residenz au Lac in Biel, wo er sie oft besucht. Er selbst sei noch fit genug, um selber den Haushalt zu machen. Und auch das Marschieren mit den Unteroffizieren lässt er sich vorläufig nicht nehmen.

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paar Stichworten bitte an: pstaub@bielertagblatt.ch

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Zur Person
Franz Wyss
wurde am 26. November 1939 in Brügg geboren, wo er heute noch wohnt. Aufgewachsen ist er im Elternhaus an der Pfeidstrasse 5, in der Nähe des Bahnhofs. Dort wohnt heute sein Sohn. Ausser einem Jahr, 
in dem er in Aigle arbeitete, lebte Wyss immer in Brügg. Als 27-Jähriger übernahm er die Brennstoffhandlung 
seines Vaters, die er später an seinen eigenen gleichnamigen Sohn weitergab, als dieser ebenfalls 27 Jahre alt war. Nach dem frühen Tod seiner Ehefrau ging Franz Wyss eine neue Beziehung ein. Der zweifache Vater ist unterdessen auch zweifacher Grossvater. Die Musikgesellschaft Brügg, die er insgesamt über 40 Jahre lang präsidierte, ist heute nicht mehr aktiv. Aber Franz Wyss macht noch immer Musik: Er spielt im Seeländischen 
Veteranenspiel Alte Garde. pst

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