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KOLUMNE

Sie sparen 8 Milliarden

Sie sparen Fr. 5.60! Das verkündet dem Stadtwanderer das Anzeigefeld an der Kasse des Grossverteilers.

Benedikt Loderer. Bild: Adrian Streun

Benedikt Loderer

Schnäppchenjagd ist ein Breitensport und wird durch Inserate, Werbespots und mit Sonderangeboten gefördert. Die Preisreduktion wird gross herausgestrichen: vorher so viel und nachher so wenig. Auf dem Kassenzettel steht: Je mehr Sie kaufen, desto mehr sparen Sie!

Es gibt aber auch Preisschilder, die das Gesparte diskret verschweigen. Auf keinem Bahnbillett zum Beispiel steht: Sie zahlen nur die Hälfte! Gäbe es so etwas wie die Kostenwahrheit im öffentlichen Verkehr, so müssten die Tarife verdoppelt werden. Jede Bahnfahrt wird mit Steuergeld hoch subventioniert. Auf jedem Billett für 100 Franken müsste stehen: Sie sparen Franken 100!

Da fahr ich gescheiter Auto, denn die Automobilisten bezahlen wenigstens ihre Strassen selber. Mineralölsteuer, Autobahnvignette und Motorfahrzeugsteuern bringen das Geld zusammen. Selbst die schweren Brummer finanzieren ihre Kosten mit der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe selbst. Auf der Benzinquittung müsste stehen: Sie sparen nichts!

Wirklich? Wenn da nur die externen Kosten nicht wären, die die schöne Rechnung verunstalten! Externe, wie bitte? Nun, die Unfälle, die Folgen des Lärms, der Luftverschmutzung, die Klimaschäden, kurz, alle negativen Nebeneffekte des motorisierten Verkehrs kosten auch. Die Ökonomen haben zusammengezählt und kommen auf rund 8 Milliarden im Jahr. Das sind Kosten, die nicht von den Automobilisten bezahlt werden. Weder das Verursacherprinzip noch die Kostenwahrheit gelten im Strassenverkehr. Auf der Benzinquittung müsste stehen: Sie sparen 8 Milliarden!

Der Verkehr ist zu billig. Auf der Strasse und auf der Schiene. Darum hat’s auch zu viel davon. Erst wenn die Kostenwahrheit eingeführt würde, nähme er ab. Will da einer dem Arbeiter das Auto wegnehmen? Ist da einer, der die Nebenaus- und Bergbevölkerung schädigen will? Autos nur noch für die Reichen? Unsinn, kein einziges Auto würde teurer, nur das Fahren. Niemand schafft sein Auto ab, denn ohne ist der Agglomerit und der Nebenausmensch invalid. Allerdings spart er, führt man die Kostenwahrheit ein, am Fahren, überlegt sich: muss ich da hin? Eine heute geradezu unanständige Frage. Der Freizeitverkehr nähme ab, das Gemeinsamfahren zu. Der teurere Verkehr ist der bessere, weil er der verminderte ist. Der Stau löst sich auf. Weitere Strassen sind nicht mehr nötig. Auf der Benzinquittung steht: So viel kostet das Fahren!

Die verdoppelten Bahnkosten erhöhen den Preis der Zersiedelung. Dem Pendler werden die Subventionen gestrichen. Warum hat er überhaupt ein Anrecht darauf ? Neu zahlt er für die volle Distanz, darum wird er sie verkürzen wollen. Ist sie halb so gross, ist sein Budget wieder im Lot. Er wohnt nun näher und dichter, das was die Raumplaner erfolglos predigen. Auf dem Pendlerabonnement steht: Sie sparen jeden Tag die halbe Reisezeit!

Warum ist die Kostenwahrheit im Verkehr ein Tabu? Weil wir unseren Lebensstil ändern müssten. Wir müssten unseren Verkehrskonsum einschränken, und das geht gegen das Prinzip Bequemlichkeit, das unsere Richtschnur ist. Zur Tarnung haben wir einen viel edleren Begriff dafür: die individuelle Freiheit. Die muss billig sein. Die Hälfte der Kosten genügt. Den Rest sollen die Steuerzahler blechen, ich bin ja selber einer. Am Schluss zahlen die Nichtfahrer den Fahrern das Fahren. Ob Strasse oder Schiene. Das ist die eidgenössische Solidarität. Auf dem Steuerbescheid steht: Der Pendlerabzug ist nicht gerechtfertigt!

Info: Benedikt Loderer ist Journalist, Architekt und Stadtwanderer.
 

Kommentare

Gaba

Kostenwahrheit im Verkehr: Ein interessantes Thema, das Herr Loderer hier anspricht. Würde die Kostenwahrheit ab morgen gelten, würde der Strassenverkehr viel günstiger und der Schienenverkehr viel teurer werden. Wieso? Bereits heute ist der Strassenverkehr zu 112% selbstkostendeckend, wie der Stadtwanderer richtig festgestellt hat. Von den jährlichen 9.5 Mrd. CHF Einnahmen fliessen jedoch nur 2.9 Mrd in die Strasse zurück. der grosse Rest wird für den ÖV und die Bundeskasse zweckentfremdet. Grob geschätzt reichen heutzutage also rund 3 Mrd. CHF pro Jahr für den Ausbau und Unterhalt des Strassennetzes. Der grosse Rest könnte man sich sparen: Die Benutzung des Autos ist heute etwa 3x zu teuer, zuzüglich wird der Treibstoffpreis vom Staat künstlich fast verdoppelt (Mineralölsteuer soll gemäss Doris Leuthar um weitere 15 Rappen angehoben werden). Vom Schienenverkehr schreibe ich nun nicht mehr viel, denn jeder weiss wo dieser stehen würde, wenn es uns Autofahrer nicht gäbe. Die Reisekosten würden sich wohl mehr als verdoppeln. Das ist Kostenwahrheit. Was nun Herr Loderer weiter anspricht (die negativen Nebeneffekte) gilt nicht nur für den Strassenverkehr, sondern auch für den Schienenverkehr. Schliesslich verursachen die Züge auch viel Lärm, die Bahnhöfe und Trassees brauchen ebenfalls Platz und der Strom muss letztendlich auch irgendwo (neeein; nicht etwa in AKWs und Kohlekraftwerken?!) produziert werden. Die Nebeneffekte des Schienenverkehrs werden meist getrost "vergessen" wenn plötzlich die Rede von Abgasen und Lärm des Strassenverkehrs ist. Die Aussage "Sie sparen 8 Milliarden" gilt deshalb - eventuell in einer anderen Grössenordnung - auch für den Schienenverkehr.


rotodo

Mindestens einen Teil der Krankheitskosten zahle ich als Nichtraucher auch den Rauchern usw. Man könnte genügend Beispiele anfügen. Die individuelle Freiheit kostet, das ist nur natürlich. Mit den Steuern zahlen (fast) alle für irgend jemanden. Ob es sich ausgleicht ?


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