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Wochenkommentar

Sommer ohne Badi – das wird schwierig

Wochenkommentar von BT-Chefredaktor Bernhard Rentsch zur aktuellen Situation der Nutzung von Bade- und Liegewiesen, die mit zunehmender Sommerwärme zur schwierigen Herausforderung wird. Die Forderung: Mehr Verantwortung delegieren.

Bernhard Rentsch

 

Vorgestern. Ein sommerlicher Auffahrtstag am östlichen Bielerseeufer, auf einer Strecke von wenigen hundert Metern: Der Strandboden ist gut besucht, viele der Benutzerinnen und Benutzer der grosszügigen und öffentlichen Anlagen halten sich an die aktuell gültigen Empfehlungen punkto Abstand und Gruppenbildungen; das Bieler Strandbad ist geschlossen, die Wiesen sind leer; das Hundemätteli ist überfüllt, die Möglichkeiten zum Abstand-Halten und mehr sind nicht gegeben; das Nidauer Strandbad ist geschlossen, die Wiesen sind leer. Ganz bestimmt sieht es auf unzähligen Bade- und Freizeitplätzen in der ganzen Region ähnlich aus. Was offen und zugänglich ist, ist überlaufen. Daneben abgesperrte und geschlossene Plätze und Anlagen.

Dieser zugegeben etwas kleine und nicht repräsentative Einblick in das Freizeitvergnügen von uns Seeländerinnen und Seeländern zeigt die Grenzen der gültigen Verhaltensregeln deutlich auf. Etwas absurd: Was darf man, was darf man nicht? Wohin soll man, wohin soll man nicht?

Mit den in den letzten Tagen bekannt gewordenen gültigen Reglungen für die Badis und den unterschiedlichen Umsetzungen durch die Betreiber wird der Bevölkerung der Weg zurück in eine einigermassen geregelte Normalität nicht gerade vereinfacht. Im Freibad schwimmen zu dürfen, die Liegewiesen und die Spielplätze aber nicht zu benutzen, ist eine nur schwer begreifbare Umsetzung. Eigenverantwortung und Vernunft zurück ans Volk – es ist nicht der Ruf nach Grundrechten gefragt, sondern die Fähigkeit, sich in der (wohl noch lange) eingeschränkten Bewegungsfreiheit selber zu organisieren. Wenn zuletzt da und dort über das Ziel hinausgeschossen wurde, kann dies mit Milde und Verständnis toleriert werden. Auf die Dauer muss unsere Gesellschaft fähig sein, ohne Repressionen mit der neuen Situation fertig zu werden.

Wohlverstanden, die erforderlichen Vorsichtsmassnahmen und die damit verbundenen Einschränkungen werden in keinster Weise angezweifelt – die Empfehlungen zum Distanzhalten und die vorläufig geltende Fünf-Personen-Regelung gelten für alle. Von einheitlichen, nachvollziehbaren und fairen Umsetzungen sind wir aber weit weg. Was Kirchgängern oder Sportlern erlaubt sein soll, ist den Sonnenhungrigen, Seeufer- und Badi-Fans verwehrt: ihre Gewohnheiten in angepasster Form zurückzugewinnen.

Der aktuelle Eindruck, dass sein Ziel erreicht, wer die beste Lobby hat und am meisten Druck aufbauen kann, bestätigt sich. Ja natürlich, sich am See, im Freien oder in einer Badi aufzuhalten, ist nicht systemrelevant. Im kommenden Sommer, wenn Ferien im Ausland kein Thema sind, gleichzeitig Herr und Frau Schweizer aber (auch) ins Dreiseenland gelockt werden sollen, sind Engpässe und Friktionen garantiert. Geschlossene Freiflächen helfen da nicht wirklich weiter. Übergeordnet und koordiniert setzt sich aber niemand dafür ein.

Bei den hoffentlich baldigen nächsten Lockerungsschritten in Richtung einer angepassten Bewegungsfreiheit ist zu wünschen, dass die mit der Tendenz zur Bevormundung vorgehenden Beamten sich an die zuletzt eindrücklich bewiesene Mündigkeit der Bevölkerung erinnern. Und dass die im nötigen Rahmen gesteckten Leitplanken es den Besitzern und Betreibern von öffentlich zugänglichen Anlagen ermöglichen, mit der eigenen Kompetenz und Vernunft Lösungen zu suchen und umzusetzen. Gemeinden müssen befähigt werden, eigene Regeln durchzusetzen. Der Vergleich mit links und rechts ist nicht in jedem Fall nötig und effizient. Gleichschaltung bringt nicht zwingend Gerechtigkeit für alle. Hier ist hier, da ist da. Fertig. Dass zum Beispiel Büren schon zu Beginn der Saison kapitulieren muss und entscheidet, das eigene kleine Bädli wegen den schlicht nicht umsetzbaren übergeordneten Regelungen in diesem Jahr gar nicht zu öffnen, ist kein gutes Zeichen. Die Bilder im nahe gelegenen Erholungsgebiet am Häftli kann man sich mit Blick ans Bielerseeufer nur allzu gut vorstellen.

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