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Innovation

Sonne tanken, um Wasser zu pumpen

Die Bewässerung der Felder würde die landwirtschaftliche Situation in Schwellenländern verbessern. 
Ein Bieler Start-Up hat eine Solarwasserpumpe entwickelt – und stösst auf eine enorme Nachfrage.

Bild: zvg

Esthy Rüdiger

Der Klimawandel wird als Schuldiger ins Feld geführt, wenn zum dritten Jahr in Folge an Weihnachten kein Schnee liegt, oder wenn man im Mai den Wintermantel noch immer nicht auf dem Estrich verstauen konnte. Während er in unseren Breitengraden höchstens zu genervtem Seufzen führt, bedroht der Klimawandel in Entwicklungsländern die Existenz.

So haben sich etwa Landwirte in Uganda über Jahrzehnte auf ihr Erntejahr eingestellt. «Inzwischen wissen sie aber nicht mehr, wann die Regen- und Trockenzeit tatsächlich beginnt. Das führt zu grossen Ernteausfällen», wie Karin Jeanneret Vezzini bei ihrem letzten Besuch festgestellt hat. Die Folge: Wasser in Flüssen und Seen gibt es zwar – doch die Felder wenige Meter daneben sind dürr. Denn: In vielen Schwellenländern haben sich Bewässerungssysteme bislang nicht durchgesetzt – oder sie sind für Kleinbauern schlicht nicht erschwinglich.

 

Solarprodukte sind populär

Ennos, ein Start-Up im Innocampus Nidau, hat für dieses Problem eine Lösung entwickelt: Sie besitzt einen Elektromotor, ein Solarpanel und ein quaderförmiges Gerüst, so gelb wie die Sonne – rückwärts: «Ennos». Die portable Wasserpumpe heisst «Sunlight Pump» und wird von Sonnenlicht betrieben.

Das Unternehmen entstand 2006 als Spin-Off der Berner Fachhochschule (BFH). Karin Jeanneret Vezzinis Mann, Dr. Andrea Vezzini, Professor an der BFH, erhielt die Anfrage aus Indien, eine Solarwasserpumpe zu entwickeln. Mit Studenten wurde die Idee weiterentwickelt und mit finanzieller Hilfe von Caritas und Worldvision wurden erste Prototypen hergestellt und eingesetzt.

Die ersten Feldtests wurden in Indien und Bangladesch durchgeführt, ein erster Satz der Solarpumpen in Indien produziert. Die inzwischen grössten Märkte für Ennos sind aber Uganda, Kenia, Honduras und Nicaragua. «Wobei jedes Land wieder ganz eigene Herausforderungen bietet», sagt Karin Jeanneret Vezzini. Gemein haben sie alle: Bewässerung ist ein Bedürfnis, würde die Ernte steigern und damit die Armut senken. Solarprodukte sind laut Jeanneret in Schwellenländern derzeit sehr populär. Auch deshalb, weil Strom und Benzin dagegen oftmals sehr teuer sind.

Genau da will Ennos ansetzen: Die Solarpumpe wird in Kenia und Uganda zu einem Preis von etwa 1000 Dollar, in Lateinamerika für etwa 1200 Dollar vertrieben. Das mag für einen Kleinbauern, den eigentlichen Endverbraucher, erst einmal nach viel klingen. «Die monatlichen Stromkosten in Nicaragua betragen aber pro Haushalt teilweise bis zu 100 Dollar – da lohnt es sich, auf stromsparende Produkte umzusteigen», sagt Jeanneret Vezzini.

 

Langsamer Geschäftsaufbau

Nach jahrelanger Produkt- und Geschäftsentwicklung hat Ennos im vergangenen November eine Webseite lanciert. Bis heute wurden weltweit bereits 300 Pumpen installiert. Für den Vertrieb hat die Firma in den jeweiligen Ländern Vertriebspartner, sogenannte Retailer, ausgesucht und Techniker ausgebildet, welche die Pumpen installieren und auch für Ersatzteil-Bedarf oder bei allfälligen Problemen kontaktiert werden können. «Der Aufbau des Geschäfts läuft deshalb eher langsam, aber uns ist wichtig, gute Partner auszusuchen», sagt die Geschäftsführerin.

Inzwischen arbeiten zehn Personen für das Bieler Startup, Karin Jeanneret Vezzini ist Geschäftsführerin, teilt sich die Firmenanteile mit ihrem Mann und zwei weiteren Inhabern. Nach und nach sollen neue Länder erschlossen werden. Anfragen erhielt Ennos beispielsweise auch aus Mosambik oder dem Senegal und auch weitere lateinamerikanische Länder zeigen Interesse an der portablen Solarwasserpumpe. «Das Interesse in Schwellenländern ist riesig», sagt sie.

 

«Fangt klein an und teilt!»

Eine der grössten Herausforderungen ist nach wie vor die Erschwinglichkeit der Pumpe. Jeanneret Vezzini und ihr Team versuchten, eine leistungsstarke Pumpe zum tiefstmöglichen Preis herzustellen. Dennoch können sich das nicht alle Kleinbauern leisten. Karin Jeanneret Vezzini rät in diesen Fällen, sich beispielsweise in Landwirtschaftskooperationen – wie sie in Schwellenländern ohnehin schon häufig existieren – zu organisieren. «Warum nicht zu dritt mit einer Pumpe beginnen? Teilt zuerst, bewässert nicht jeden Tag, fangt klein an», habe sie etwa zu einigen Farmern in Uganda gesagt.

Ennos hat zwar zum Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung in den jeweiligen Ländern zu verbessern, will jedoch keine Pumpen verschenken, wie Jeanneret Vezzini betont. «Die Kunden sollen für das Produkt bezahlen.» Es sei eine Investition, allerdings fallen keine Betriebskosten an und nur wenig Wartungskosten. Der Elektromotor hat eine Lebensdauer von 20 Jahren, die Elektronik muss nach etwa acht bis zehn Jahren ersetzt werden.

Karin Jeanneret Vezzini ist überzeugt, dass man besser Sorge trägt zum Produkt, wenn man dafür bezahlt hat. Und mit dem Aufbau eines lokalen Kundendienstes wolle man sicherstellen, dass die «Sunlight Pump» effizient und richtig genutzt wird, was zum Wohlstand der Kleinfarmer beitragen werde. «Es braucht Techniker, die wir ausbilden», sagt Jeanneret Vezzini. Deshalb hält das Unternehmen an seinem erarbeiteten Retailer-System fest.

 

Finalist für den Pionierpreis

Die Innovation der Solarpumpe hat Ennos eine Nominierung für den diesjährigen Pionierpreis der Zürcher Kantonalbank (ZKB) eingebracht. Obschon es dem Bieler Start-Up unter die drei Finalisten reichte und es mit 65 Prozent der Stimmen das Publikumsvoting für sich entschied, hat es für den Sieg am 3. Mai nicht gereicht. «Es war dennoch eine spannende Erfahrung», lautet das Fazit von Karin Jeanneret Vezzini. Das Unternehmen habe stark von der Medienpräsenz und beim Anlass selbst schliesslich auch von den neuen Kontakten profitiert. Dennoch bedeute die Teilnahme an einem solchen Anlass immer auch einen vergleichsweise hohen Zeitaufwand.

Zeit hat Karin Jeanneret Vezzini – so scheint es – nicht allzuviel. Noch immer ist sie als Anwältin tätig, wenngleich diese Arbeit ihrer neuen als Ennos-Geschäftsführerin stark weichen musste. «Meine Erfahrung als Anwältin kommt mir jedoch als Geschäftsführerin und gerade auch bei den ganzen Vertragsangelegenheiten zugute», sagt sie. Zudem amtet sie auch als Präsidentin des Frauen-Business-Netzwerks BPW Biel-Seeland.

«Ich nehme mir schon meine Zeit», wiegelt Jeanneret Vezzini ab. Ihre beiden Kinder seien fast schon erwachsen, das liesse wieder mehr Raum für anderes. Ausserdem sei die Arbeit bei Ennos auch eine Leidenschaft. «Mir macht es nichts aus, mal an einem Wochenende oder am Abend einige Stunden zu investieren.» Genau diese Leidenschaft brauche es schliesslich auch beim Aufbau eines Unternehmens.

«Geld verdienen wir bisher nämlich noch keines», sagt sie schmunzelnd.

Link: www.ennos.ch

 

Was die «Sunlight Pump» kann

  • Ist eine Oberflächenpumpe.
  • Die Masse (inkl. Rahmengerüst): 595mm x 290mm x 240mm
  • Gewicht: 11,5 kg
  • Man kann Solarpanels bis 500 Watt anschliessen.
  • Pumpt Wasser in bis zu 40 Meter Höhe.
  • Fördert bis zu 40 Liter pro Minute.
  • Hält Temperaturen zwischen 0 und 50 Grad Celsius stand. reu

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