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Biel

Spitalzentrum kehrt 
zum Normalbetrieb zurück

Das Spitalzentrum Biel kommt vom Pandemiemodus ab und bietet wieder das übliche Leistungsangebot an. Zugleich ist man für eine mögliche zweite Infektionswelle bereit.

Das Covid-19-Testzentrum ist nun geschlossen, kann bei Bedarf aber rasch wieder geöffnet werden. Bild: Mattia Coda

Julie Gaudio/pl

Zum Schutz vor der Überlastung des Gesundheitswesens durch die Covid-19-Pandemie hatte der Bundesrat ab Mitte März alle nicht dringend notwendigen medizinischen Massnahmen verboten. Gleichzeitig mussten die Spitäler ihre Bettenkapazität im Hinblick eine steigende Zahl von Coronapatienten erhöhen.

Nun hat der Bundesrat die Lockerung der Schutzmassnahmen beschlossen. Seit Montag dürfen Gesundheitseinrichtungen wieder das gesamte Spektrum medizinischer Leistungen erbringen. Auch das Spitalzentrum Biel (SZB) kehrt seit Wochenbeginn zum normalen Betrieb zurück. Der Entscheid zur Anpassung der Bestimmungen erfolge «zum richtigen Zeitpunkt», erklärt SZB-Geschäftsführer Kristian Schneider. Die wenigen Covid-19-Patienten, die einer stationären Behandlung bedürfen, wurden in einer abgesonderten Abteilung untergebracht.

Nach Ausbruch der Pandemie hatte sich das SZB für ein hohes Patientenaufkommen gerüstet. Nun sind die Verantwortlichen mit der Rückkehr vom Pandemiemodus zum üblichen Leistungsangebot gefordert. Die zweite Intensivpflegestation wurde aufgehoben, und die Räumlichkeiten dienen wieder als Aufwachraum. Die medizinischen Spezialgeräte wurden eingelagert, damit sie im Notfall rasch verfügbar sind. «Dieser Raum kann binnen 72 Stunden wieder für Coronapatienten aufgerüstet werden», bestätigt Kristian Schneider. Gleiches gelte für das Virus-Testzentrum, das seit einigen Tagen geschlossen ist.

Die Eintrittskontrollen zum Spitalzentrum werden weiterhin durch Angehörige des Zivilschutzes vorgenommen.

Direktor rechnet mit 
zweiter Infektionswelle

Kristian Schneider rechnet mit einer zweiten Infektionswelle und dem entsprechenden Anstieg der Patientenzahlen. «Wir wissen, dass die zweite Welle kommt, aber wie stark sie sein wird, können wir nicht voraussagen.» Ob die Zahl der Erkrankten langsam anschwillt oder wie eine Flut hereinbricht, hänge vom Verhalten der Bevölkerung ab: «Die Menschen müssen die Distanz- und Hygieneregeln weiterhin einhalten, damit die Spitäler im Ernstfall nicht überfordert werden.»

Die Lockerung der Massnahmen durch den Bundesrat darf nicht als Ende der Covid-19-Pandemie verstanden werden, unterstreicht Schneider. Eine Krise laufe in drei Phasen ab, einem Vorher, einem Während und einem Nachher. «Wir stehen immer noch im Während, denn die Ansteckungskurve wird uns noch nennenswerte Schwankungen bescheren.»

In diesen Tagen kehren die Angestellten des Spitalzentrums an ihre angestammten Arbeitsplätze zurück. Und im selben Mass treffen die Patienten ein. «Auf dem Höhepunkt der Coronakrise hatten viele kranke Menschen Bedenken, stationäre Pflege in Anspruch zu nehmen, obwohl sie einen Herzinfarkt oder einen Hirnschlag erlitten hatten», weiss der Chef des SZB. Inzwischen habe sich die Haltung der Patienten ohne Coronaerkrankung zum Besseren gewendet: «Schon vor der Lockerung der Massnahmen konnten sich viele von ihnen für einen Spitalaufenthalt entscheiden.»

Operiert wird 
nach Dringlichkeit

Die Patienten werden sich daran gewöhnen, dass mehr Schutz- und Hygienemassnahmen als üblich gefordert sind: «Wir rufen die Personen, die zu einer Operation aufgeboten sind, am Vortag an und befragen sie zu möglichen Covid-Symptomen wie Husten oder Fieber», präzisiert Schneider. Beim Eintritt würde nicht systematisch auf Coronaviren getestet, aber im Zweifel werde der Eingriff verschoben. «In diesem Fall empfehlen wir eine Laboruntersuchung», so der oberste Leiter des SZB.

Über einen Monat lang wurden Behandlungen aufgeschoben, die als nicht dringend gelten. In dieser Zeit hat sich eine virtuelle Warteschlange gebildet. Nun sind die Ärzte damit beschäftigt, vorgesehene Eingriffe nach Dringlichkeit zu ordnen. Die Beurteilung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem zuweisenden Arzt und berücksichtigt den Gesundheitszustand des Patienten und die Stärke der Beschwerden. Kristian Schneider nennt ein Beispiel aus der Orthopädie: «In gewissen Fällen können arthrosebedingte Hüftschmerzen, die gut auf Tabletten ansprechen, eine Zeit lang ertragen werden; sind aber hoch dosierte Schmerzmedikamente notwendig, rückt der Operationstermin in den Vordergrund.»

Ertragsausfälle 
in Millionenhöhe

Das SZB ist materiell und personell gut aufgestellt. Vergangene Woche wurde eine grosse Menge von Schutzmasken geliefert. Auch beim Pflegepersonal stehen genügend Kräfte im Einsatz. «Wir durften während der Krise stets auf qualifizierte Mitarbeitende zählen – und wir schreiben laufend neue Stellen aus», so der Verantwortliche für das Spitalzentrum. Die Coronakrise hat die Finanzen der Gesundheitseinrichtungen wie aus heiterem Himmel getroffen. Aus heutiger Sicht beurteilt Kristian Schneider die Ertragsausfälle auf 6 bis 8 Millionen Franken. Da die Entwicklung der Pandemie nicht absehbar und weitere Schutzmassnahmen nicht ausgeschlossen sind, könnte der Fehlbetrag auf 10 Millionen Franken anwachsen.

Das Manko ist in erster Linie durch den Unterbruch der regulären medizinischen Tätigkeit entstanden, weil in dieser Zeit weniger Leistungen fakturiert wurden.

Wenigstens kommen gute Nachrichten vom Kanton: Der Regierungsrat hat eine Verordnung verabschiedet, die eine Kompensation der pandemiebedingten Ertragsausfälle der Spitäler ermöglicht. Zudem sollen Zusatzkosten vergütet werden, die nicht durch den Spitaltarif gedeckt sind. Auch wenn der Kanton entgangene Erträge kompensieren sollte, einen Betriebsverlust würde der Staat wohl kaum übernehmen, präzisiert der Geschäftsführer.

2020 wird kein gutes Jahr für die Finanzen des Spitalzentrums. Trotzdem will Kristian Schneider jetzt nicht an Zahlen denken. Das rät er auch den Mitarbeitenden, zumindest im jetzigen Zeitpunkt. Stattdessen erinnert er an das Gebot der Stunde: «Wir konzentrieren uns auf den Auftrag, den wir als öffentlicher Leistungserbringer zum Wohle Covid-Erkrankter und aller anderen Patienten zu erfüllen haben.»

Schon heute zieht Kristian Schneider eine positive Bilanz aus der bisherigen Bewältigung der Pandemie: «In der Krise haben wir viel gelernt, ein Prozess, der immer noch im Gange ist. Die Herausforderungen haben die Teams zusammengeschweisst und unsere Fähigkeit zu hoher Flexibilität bewiesen.» Der Geschäftsführer ist sich sicher: 2021 wird das Spitalzentrum gestärkt aus den Ereignissen hervorgehen, sei es beim ärztlichen Angebot, den Dienstleistungen oder im Zusammenwirken mit der Bevölkerung.

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Linde und Spitalzentrum: Kooperation funktioniert gut

Zur Bewältigung der Coronakrise haben die Hirslanden-Klinik Linde (HKL) und das Spitalzentrum Biel (SZB) einen Kooperationsvertrag geschlossen. In diesem Rahmen wurden personelle und materielle Ressourcen der zwei Spitäler optimal gebündelt.

Beide Partner äussern sich zufrieden über die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Spitalzentrum und der privaten Klinik. «Die Kooperation war sehr gut und konstruktiv», erklärt Serge Reichlin, Arzt und Direktor der Klinik Linde. «In kurzer Zeit war die Koordination zwischen den Spitälern geregelt. Die Prozesse waren ebenso rasch definiert und umgesetzt», ergänzt der Klinikleiter. Kristian Schneider, Geschäftsführer des Spitalzentrums Biel, äussert sich ebenfalls in lobender Weise: «Wir teilten von Anfang an dieselbe Meinung und waren entschlossen, Situationen wie in der Lombardei oder in Ostfrankreich zu verhindern.» In normalen Zeiten sind die beiden Spitäler Konkurrenten, aber unter dem Einfluss der ausserordentlichen Lage wurde die Rivalität zweitrangig.

Die Bieler Kooperation bei der medizinischen Versorgung während der Coronakrise hat sich bewährt. Covid-Patienten werden in beiden Spitälern betreut. Dennoch gilt eine Arbeitsteilung: Erkrankte, die eine künstliche Beatmung benötigen, werden im Spitalzentrum behandelt. Im Gegenzug wurden dringend notwendige Operationen in der Klinik Linde durchgeführt. «Dank der Kooperation konnten die Ressourcen in ausgewogener Weise verteilt werden», so Kristian Schneider.

Seit Montag kehren beide Spitäler zum Normalbetrieb zurück. «Wir haben die Nutzung der Betten und der Operationssäle entsprechend geplant», berichtet Serge Reichlin. Die Umstellung werde nach den Worten Bundesrat Bersets «so rasch wie möglich und so langsam wie nötig» erfolgen, so der Direktor der Klinik Linde. Auch wenn die Kooperation der zwei Spitäler zunächst in den Hintergrund tritt, bleibe das Know-how intakt, unterstreicht Kristian Schneider: «Alles, was wir während der Krise gemeinsam organisiert und erprobt haben, kann innerhalb von fünf Tagen reaktiviert werden.» Ob das Dispositiv bald wieder zum Einsatz kommt, hängt davon ab, welche Dimension die prognostizierte zweite Ansteckungswelle annehmen wird.

Nach den guten Erfahrungen bei der Bewältigung der Coronapandemie schliesst Serge Reichlin eine weitere Zusammenarbeit der beiden Spitäler nicht aus: «Die Zukunft wird zeigen, ob sich eine langfristige Kooperation abzeichnet.» jga/pl

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