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Biel/Bern

Stadt Biel kritisiert SBB

Das Gleis 49 in Bern sorgt für Unmut unter den Pendlern. Nun wendet sich der Bieler Stadtpräsident an die SBB und fordert, dass der Gleiswechsel rückgängig gemacht wird.

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Sarah Grandjean

Der Regioexpress zwischen Bern und Biel verkehrt in der Hauptstadt seit vergangener Woche auf dem neuen Gleis 49. Dieses liegt an einem verlängerten Perron und damit quasi ausserhalb des Bahnhofs. Grund für den Gleiswechsel des Regioexpress ist der laufende Umbau des Bahnhofs, der mindestens acht Jahre dauern wird. Der damit verbundene rund 400 Meter weitere und 6 Minuten längere Fussweg sorgt für Ärger unter den Pendlern.

In den Sozialen Medien hagelt es Kritik: So schreibt ein Pendler auf Twitter, die SBB stelle Biel aufs Abstellgleis. Grünen-Präsidentin Regula Rytz ärgert sich, dass Gleis 9¾ aus den Harry-Potter-Büchern wohl einfacher zu finden wäre als die Gleise 49 und 50 in Bern. Und auf Facebook kommentiert ein Nutzer, es fehle nur noch eine Passerelle zum Inselspital, damit dieses einen eigenen Bahnhof erhalten würde. Nun schaltet sich auch noch Biels Stadtpräsident Erich Fehr (SP) ein und fordert in einem persönlichen Brief an SBB-Chef Andreas Meyer, der dem BT vorliegt, dass die Verlegung auf das neue Gleis umgehend rückgängig gemacht wird.


Klare Forderung

Fehr schreibt, zahlreiche Bahnkunden hätten sich an ihn gewandt und die Veränderung kritisiert. Die Stadt Biel sei reglementarisch dazu verpflichtet, den ÖV zu fördern und attraktiver zu gestalten. Voraussetzung dafür sei unter anderem der einfache Zugang zum ÖV, so Fehr. Deshalb sei die Entscheidung, den Regioexpress nach Biel auf das abgelegene Gleis zu verlegen, «unverständlich und schädlich». Fehr kritisiert den langen Gehweg, der für ältere Menschen und für solche mit einer Behinderung «schlicht unzumutbar» sei und in manchen Fällen dazu führe, dass Anschlusszüge nicht mehr erreicht würden. Er fürchtet, in der Folge werde auf das Auto umgestiegen, was weder aus politischer noch aus ökologischer Sicht wünschenswert sei.

Fehr findet auch den Umstieg auf den Regionalzug S3 keine sinnvolle Alternative, weil dieser nicht primär für Reisende nach Lyss und Biel bestimmt sei. Er sieht die Gefahr einer Überbelastung. Im Interesse der betroffenen Pendler sowie der allgemeinen Förderung der ÖV-Nutzung fordert der Stadtpräsident deshalb, «umgehend anzuordnen, dass die Regioexpress-Züge von und nach Biel wieder an den üblichen Halteorten ankommen und abfahren sollen».

Die SBB zeigt Verständnis für die aufgebrachten Reaktionen der Pendler. Die Perronverlängerung sei jedoch die einzige Möglichkeit, den Fahrplan während den Bauarbeiten im Bahnhof Bern aufrechtzuerhalten. «Als Alternative hätten wir Zugverbindungen streichen müssen», schreibt Mediensprecher Martin Meier auf Anfrage. Weshalb das verlängerte Perron unter den gegebenen Umständen «das kleinere Übel» sei.

Dass die SBB der Forderung von Fehr nachkommt, ist unwahrscheinlich. Denn die Situation im Bahnhof Bern soll laut Meier erst zum Fahrplanwechsel 2021 nochmals ausgewertet werden. Heisst: Bis Dezember 2020 verkehrt der Regioexpress nach Biel in der Hauptstadt auf Gleis 49. Auch, dass allenfalls verschiedene Verbindungen abwechslungsweise auf das abgelegene Gleis verlegt werden könnten, erachtet man bei der SBB als wenig sinnvoll: Das führe nur zu Verwirrung unter den Reisenden. Trotzdem arbeite man laufend an Verbesserungen - und werde eine neue Lösung aufgezeigt, werde diese auch umgesetzt.

«Beste Lösung für Reisende»

Ab den neuen Gleisen 49 und 50 verkehrt nebst dem Zug nach Lyss und Biel auch noch jener nach Neuenburg und La Chaux-de-Fonds. Betroffen sind laut der SBB diese Verbindungen, weil sie am frühesten vor beziehungsweise nach der ganzen und halben Stunde ankommen und abfahren. Folglich bleibt bei diesen Verbindungen am meisten Zeit zum Umsteigen. Was dabei auffällt: Ausgerechnet die beiden Fernverkehrsstrecken Bern-Biel und Bern-La Chaux-de-Fonds werden in einem Monat, beziehungsweise im Dezember 2020 von der BLS übernommen. Verbannt die SBB möglicherweise also gar nicht Biel und La Chaux-de-Fonds, sondern den Konkurrenten im Fernverkehr aufs Abstellgleis?

Meier dementiert, man habe nach der besten Lösung für die Reisenden gesucht, «unabhängig von der Strecke oder Destination». Bei der BLS gibt es dazu keinen Kommentar. Das Berner Zugunternehmen ist jedoch bereits heute von den Anpassungen betroffen. Pendler steigen vermehrt auf den Regionalzug um und nehmen dadurch zwar eine längere Reisezeit in Kauf, vermeiden dafür aber die grössere Gehdistanz. Bei der BLS sieht man in der S3 denn auch «eine valable Alternative zum Regioexpress». Mit einer Überbelastung, wie sie Fehr befürchtet, rechnet die BLS nicht.

Andreas Hegg nimmt es gelassen

An die Fernverkehrsstrecke Bern-Biel ist auch Lyss angeschlossen. Anders als bei Stadtpräsident Erich Fehr sind beim Lysser Gemeindepräsidenten Andreas Hegg (FDP) bisher aber keine Beschwerden wegen des verlängerten Perrons eingegangen. Hegg sieht die Situation denn auch gelassener als sein Bieler Amtskollege: Die Schweiz sei verwöhnt mit ihrem ÖV-Netz und wenn der Umbau des Bahnhofs Bern diesen Gleiswechsel erfordere, müsse man sich mit der neuen Situation arrangieren, sagt er.

Hegg, der auch im Grossen Rat des Kantons Bern sitzt, spricht aus Erfahrung: Früher habe er in den Sessionswochen den Zug um 8.31 genommen und sei, wenn er sich beeilt habe, um 9 Uhr 
im Berner Rathaus eingetroffen. Nun müsse er halt einen früheren Zug nehmen. «Dafür kann ich dann in aller Ruhe hinlaufen.»

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Umbau des Bahnhofs Bern

  • Ziel ist es, mehr Platz und Verbindungen zu schaffen und für Reisende den Bahnhof komfortabler zu gestalten.
  • Es werden ein neuer RBS-Tiefbahnhof und eine neue Unterführung im SBB-Bahnhof gebaut.
  • Der Verkehr rund um den Bahnhof wird von der Stadt Bern angepasst.
  • Der Umbau dauert mindestens bis 2027.
  • Die Kosten belaufen sich auf rund eine Milliarde Franken.
  • Ein zweiter Ausbauschritt ist bereits 
in Planung. sg

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