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Biel

Statt Sicht auf Stämme gibts nun einen Blick auf die Schlange

Die einen sprechen von Mord, Zerstörung und Gefährdung, andere von ökologischer Aufwertung und Verjüngung: Ein Holzschlag in Mett sorgt für Aufruhr.

Gefällte Bäume liegen neben solchen, die der Sturm danach umgeweht hat: Längholzwald bei Mett. copyright:sz
Sarah Zurbuchen
 
«Wald stirbt nicht – wird einfach ermordet, Förster» steht auf dem Zettel, der an einer Holztafel am Waldrand in Mett befestigt wurde. Dahinter lassen vier traurige Emoticons ihre Mundwinkel hängen. Der Grund für diese Anklage ist ein Holzschlag im Längholzwald auf der Nordseite des «Chräjeberg». Hier wurden 800 Bäume «geerntet», wie es der Staatsforstbetrieb nennt. 
Wer das Gebiet hinter der Schule Linde und der Pädagogischen Hochschule kennt, dürfte sich die Augen reiben: Es riecht nach Holz, statt des gewohnten Waldes treffen Spaziergängerinnen und -gänger hier jetzt nur noch einzelne Bäume an, die gerodeten Baumstämme türmen sich, feinsäuberlich zusammengestapelt, meterhoch auf. Es ist hell, kein Baum steht der Sonne mehr im Weg. Wo sich vorher Stämme erhoben, gibt es plötzlich freie Sicht auf die prägnante «Schlange» der Swatch Group.
Doch nicht nur die nackten Baumstümpfe sind augenfällig. Von den stehengelassenen Bäumen sind wegen der heftigen Stürme in den letzten Wochen und Monate viele umgekippt, die Wurzelballen haben tiefe Löcher in den Boden gerissen. 
 
Unverständnis
Wie der anonyme Verfasser der oben erwähnten Zeilen sind auch andere über den Holzschlag alles andere als erfreut. «Ein zerstörter Waldrand, der nun dem Wald keinen Schutz mehr bietet, der Wind und Hitze nicht mehr abhalten, Feuchtigkeit nur noch schlecht speichern und keinen wertvollen Lebensraum für Tiere mehr bieten kann. Das stösst auf Unverständnis», schrieben etwa Maria Joos-Jungen und Urs Joos aus Biel in einem Leserbrief. Und auch die Stadträtin (SP) Susanne Clauss stört sich am ausgedünnten Waldrand. «Der Staatsforstbetrieb hat wieder zugeschlagen, massiv und unverhältnismässig und gefährlich», schreibt sie in einem dringlichen Postulat, das sie letzte Woche hatte einreichen wollen. Corona-bedingt musste die Stadtratssitzung verschoben werden. Das Postulat will sie nun in der nächsten Sitzung einreichen. 
Statt Sicherheit, sagt sie, sei mit dem Holzschlag grosse Gefahr geschaffen worden, weil die «entblössten Bäume bei Sturm nun reihenweise umfallen». Clauss ist überzeugt, dass die per Gesetz vorgeschriebene schonende Umsetzung des Nutzungsauftrags nicht umgesetzt werde. Nicht eingehalten würden namentlich folgende in der Gesetzgebung verankerten Aufträge: Die nachhaltige und schonende Bewirtschaftung, den Wald als naturnahe Lebensgemeinschaft wild lebender Pflanzen und Tiere zu schützen und aufzuwerten sowie seine Wohlfahrtsfunktion zu erhalten. «Es ist nicht die erste Rodung in diesem Wald, die mehr Schaden als Nutzen angerichtet hat – und es wird in unserem Wald nicht die letzte bleiben, bis alle alten Bäume eliminiert sind», ist Susanne Clauss überzeugt. Was nachwachse, seien Brombeeren und Gebüsch.  «Und dem wollen wir Einhalt gebieten.»
 
In ihrem Postulat fordert die Stadträtin den Gemeinderat auf, beim Kanton zu intervenieren, einen Rodungsstopp zu beantragen und den Wald neu unter Artikel 6 des Kantonalen Waldgesetzes (besondere Bewirtschaftungsvorschriften) zu stellen.  
 
«Für Ihre Sicherheit»
Der für den Holzschlag zuständige Staatsforstbetrieb hatte während der Waldarbeiten mit Informationsblättern versucht, die Bevölkerung über die Massnahmen und deren Gründe zu informieren und für Verständnis zu sorgen. «Wir holzen für Ihre Sicherheit und für einen nachhaltigen Wald», ist darauf zu lesen. Viele Bäume seien in einem schlechten gesundheitlichen Zustand und würden für Anwohnerinnen, Waldbesucher und für den angrenzenden Schulweg eine Gefahr darstellen. Der Waldrand werde abgestuft und mittelfristig ökologisch aufgewertet.» Die 1800 Kubikmeter Holz seien vorwiegend aus waldbaulichen Gründen gefällt worden, gibt der Staatsforstbetrieb auf Anfrage Auskunft. Dazu gehöre die Holznutzung, die Waldverjüngung (Förderung von Eichen) und die Durchforstung, also die Förderung der Wuchsleistung.
Susanne Clauss überzeugen diese Erklärungen nicht. Es sei nicht das erste Mal, dass so massiv gerodet werde. «Es darf nicht nur um Rentabilität gehen», sagt sie. Sie plädiert deswegen für andere Methoden der Holzgewinnung in unseren Breitengraden. Etwa, indem Bäume einzeln gefällt werden. «Denn so ein heftiger Holzschlag auf grosser Fläche ist kontraproduktiv. Es dauert Jahre, bis sich der Wald hier erholt hat.»

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