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Biel

Täter zeigt sich unbelehrbar – und erhält die Quittung

Das Regionalgericht schickt den Messerstecher länger hinter Gitter als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Das liegt auch daran, dass der Täter das Opfer während des Verfahrens weiter bedroht hat.

Tatort Sportplatz: Hier fügte der Täter dem Opfer mit einem Messer mehrere schwere Verletzungen zu. Yann Staffelbach

von Carmen Stalder

Eine allzu gute Figur hat der mutmassliche Messerstecher während der Verhandlung am Regionalgericht Berner Jura-Seeland nicht abgegeben. Genervt und launisch beantwortete er die Fragen zum Tathergang. Manche Vorwürfe bezeichnete er als «Mist», andere als «lächerlich». Die Schuld für die Tat versuchte er dem heute 21-jährigen Opfer in die Schuhe zu schieben: Hätte ihn der andere damals nicht so provoziert, wäre es nie soweit gekommen, behauptete er.

Gekommen ist es im August vor zwei Jahren zu einer Messerstecherei, die nur dank viel Glück nicht mit dem Tod des Angegriffenen geendet hat. Die beiden jungen Männer hatten sich damals mitten in der Nacht auf dem Sportplatz der Schule Madretsch verabredet, um einen seit Tagen schwelenden Streit zu klären. Das Treffen eskalierte. Der gebürtige Slowake zog ein Messer, stach damit auf den Bieler ein und traf ihn mindestens dreimal. Mit schweren Verletzungen landete das Opfer im Spital, wo es notoperiert werden musste (das BT berichtete).

Auch bei der gestrigen Urteilsverkündung hinterliess der Beschuldigte einen schlechten Eindruck. Er schüttelte wiederholt den Kopf, seufzte laut und gab seinen Unmut über die Ausführungen von Gerichtspräsidentin Elisabeth Ochsner unverhohlen preis. «Schweigen Sie, sonst bekommen Sie eine Ordnungsbusse», wies sie ihn zurecht.


Erhöhte Strafe

Sein Verhalten war für das Gericht wohl nur ein weiterer Beleg für die Unbelehrbarkeit, die er in den vergangenen zwei Jahren an den Tag gelegt hat. Denn nach dem brutalen Angriff beging er durch mehrfache Nötigungen und Drohungen weitere Straftaten: Nur zwei Wochen nach der Tat wollte er das Opfer mit einem Messer in der Hand davon abhalten, bei der Polizei gegen ihn auszusagen. Später kündigte er zwei verschiedenen Kollegen des Bielers an, dass er nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen vollendeten Mordes ins Gefängnis gehe – zuletzt nur wenige Wochen vor der Verhandlung. Dies mit dem Ziel, dem Opfer Angst einzujagen. «Während eines laufenden Verfahrens zu delinquieren, wirkt strafverschärfend», so Ochsner.

Auch sonst stellte sie dem Slowaken kein gutes Zeugnis aus. Seine Aussagen seien nicht glaubhaft, er wolle sich selbst als Opfer darstellen und gebe nur zu, was er nicht abstreiten könne. Seine Geschichte, wonach der Bieler mit Pflastersteinen nach ihm geworfen haben soll, bezeichnete Ochsner als abenteuerliche Erfindung. Auch habe der Beschuldigte keineswegs aus Notwehr das Messer gezückt. Vielmehr habe er in Kauf genommen, das Opfer mit seinen Stichen zu töten. «Die Beweggründe dafür waren nichtig. Es ging einzig darum, zu zeigen, wer der Stärkere oder Mutigere der beiden ist.» Dies hätte man auch verbal oder wenigstens nur mit den Fäusten klären können», sagte Ochsner.


Zurück in die Slowakei

Strafmildernde Umstände konnte die Gerichtspräsidentin keine finden – ausser, dass es bei einer versuchten Tötung geblieben war. Entsprechend fiel auch das Urteil des Regionalgerichts aus: Der Täter muss für neun Jahre ins Gefängnis. Das sind acht Monate mehr, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Ausserdem wurde er zu einem Landesverweis von zehn Jahren verurteilt, was ein Jahr über der ursprünglichen Forderung liegt.

Zwar gab der Beschuldigte an, kaum Verbindungen zu seiner Heimat, der Slowakei, zu haben. Seit er acht Jahre alt ist, lebt der heute 23-Jährige in der Schweiz, ebenso ein Grossteil seiner Familie. Da er jedoch eine schwere Straftat begangen habe und weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle, sah Ochsner keinen Grund dafür, dass hier ein Härtefall vorliegt, der gegen einen Landesverweis sprechen würde.

Der Täter muss die Verfahrenskosten von 65'000 Franken übernehmen und dem Opfer eine Genugtuung von 10'000 Franken bezahlen. Beim Verlassen des Gerichtssaals zeigten sich Fürsprecher Philipp Kunz und sein Mandant zufrieden mit dem Urteil. Ob die Verteidigung das Urteil weiterziehen wird, bleibt offen: Antoine Schöni und sein Klient verliessen den Saal in Windeseile. Letzterer in Begleitung von zwei Polizisten – auf direktem Weg in die Sicherheitshaft.

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