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Biel

Tissot Arena: Trotz fehlender Kontinuität läuft das Geschäft

Im Einkaufszentrum der Tissot Arena steigt die Kundenfrequenz trotz ständig wechselndem Management. Fünf Jahre nach Eröffnung sind die Probleme aber dieselben: Zu viele Flächen stehen leer.

Sucht nach einer Nachfolge: Marcel Séverin hat in Biel 140 Millionen Franken investiert. Copyright: Matthias Käser / Bieler Tagblatt

Lino Schaeren

Marcel Séverin ist der Mann, der den Bau der neuen Bieler Stadien ermöglicht hat. 140 Millionen Franken habe er investiert, um der Bevölkerung prächtige Sportinfrastruktur zu verschaffen, sagt er. Der inzwischen 77-jährige Unternehmer ist deswegen aber nicht einfach ein Wohltäter, er investierte selbstredend nicht ohne Eigeninteresse. Ihm gehören im Komplex im Bözingenfeld die kommerziellen Flächen und das riesige unterirdische Parking. Die Stadt ihrerseits hat für knapp 80 Millionen Franken die Tissot Arena erhalten. Es ist eine Symbiose aus privatfinanzierter Verkaufsfläche und öffentlicher Sportstadien als Erfolgsmodell, Public-Private-Partnership (PPP) wird das in der Fachwelt genannt.

Dabei profitieren Investor und öffentliche Hand gleichermassen: Die Stadt erhält vergleichsweise günstig neue Stadien und behält diese unter eigener Kontrolle, der private Geldgeber die Chance, seine Verkaufsfläche mit einem attraktiven Mietermix zu füllen; um sie sodann gewinnbringend abzustossen. Wo aber steht das Einkaufszentrum im Bauch der Sportstadien fünf Jahre nach der Eröffnung im September 2015? Auf Kurs, sagt Besitzer Séverin. Und doch macht er zum «kleinen» Jubiläum einmal mehr einen organisatorischen Neuanfang.

 

Wechsel am Laufmeter

Tatsächlich scheint die Entwicklung der Kundenfrequenz im Fachmarkt erfreulich. Séverin sagt, viele Geschäfte würden im Jahr 2020 mehr Umsatz generieren als 2019 – und das trotz der Coronakrise. Bestätigt wird das von Joël Favre, seit März Geschäftsführer der Conforama-Filiale. Der Umsatz beim Möbelhändler habe am Bieler Standort seit Jahresbeginn um 15 Prozent zugenommen, sagt Favre, der auch der Mietervereinigung vorsteht. Und: Andere Geschäfte in der Tissot Arena würden ein noch grösseres Wachstum ausweisen. Entsprechend positiv sei die Stimmung – und auch Besitzer Séverin zeigt sich grundsätzlich zufrieden. Nur hat er auch ein Problem: Marcel Séverin kann die seit fünf Jahren leer stehende Verkaufsfläche bislang schlicht nicht füllen.

Er spricht zwar von «nur» 11 bis 12 Prozent der Fläche, die nicht vermietet sei. Das mag stimmen, zählt man das Muliplexkino, die Bowlingbahn und das Fitnesscenter auf Niveau der Place Publique dazu. Nur den Fachmarkt im Erdgeschoss betrachtet, liegt der Anteil der unvermieteten Fläche aber bedeutend höher: Knapp 7000 Quadratmeter Verkaufsfläche sind nach wie vor zur Miete ausgeschrieben. Nicht noch mehr sind es nur, weil zuletzt mit dem Sportartikel-Discounter Crazy Prices aus dem Welschland eine Nachfolge für Athleticum gefunden werden konnte. Letzterer wechselte nach der Übernahme durch den französischen Giganten Decathlon trotz laufendem Mietvertrag einige 100 Meter Luftlinie weiter zur Konkurrenz ins Centre Boujean – weil dort lukrativere Konditionen lockten (das BT berichtete).

 

Geduld gefordert

Nach der Eröffnung des Einkaufszentrums in der Tissot Arena wurde von den Verantwortlichen jeweils einige Jahre Geduld gefordert, bis sich das neue Center etabliert habe – die noch leeren Flächen würden sich dann schon entsprechend füllen. Besitzer Séverin selber ist seit der Eröffnung aber offensichtlich mehrfach der Geduldsfaden gerissen. Anders ist es kaum zu erklären, dass die Zentrumsleitung, kaum ist sie einmal installiert, umgehend wieder ersetzt wurde.

Eine kleine Chronologie: Für die Zentrumsleitung gaben sich Weck Aeby, die Privera AG und die At Home Régie Immobilière SA die Klinke in die Hand. Letztere ist zumindest bis heute für die Verwaltung im Hintergrund tätig. Im August 2019 stellte Séverin den Medien Pascale Kohli-Altmann als neue Zentrumsmanagerin vor. Sie ist längst nicht mehr für ihn tätig: Nur zwei Monate, nachdem er mit Kohli-Altmann einen Neustart inszeniert hatte, wurde Séverin bereits bei der Zuger Firma Centerio für eine allfällige Übernahme der Zentrumsleitung vorstellig. Centerio übernahm im Januar 2020 – seit Ende September ist auch diese Zusammenarbeit Geschichte. Mit Weck Aeby, Privera und Centerio hat Séverin inzwischen drei der vier Grossen im Schweizer Center-Management geschasst, fehlt nur Marktführerin Wincasa.

Doch warum wechselt Marcel Séverin sein Zentrumsmanagement am Laufmeter? Darauf angesprochen, hielt er jeweils mit Kritik nicht zurück, sprach ehemaligen Partnern die Kompetenz ab, so auch diesmal. 2018, als er sich von seinem Geschäftspartner Martin Kull trennte, der die Stadien mit seinem Unternehmen HRS Real Estate AG gebaut hatte, übernahm Séverin im Fachmarkt erstmals selber das Ruder. Er stelle nun sein eigenes grosses Netzwerk zur Verfügung, so die Botschaft damals.

Séverin ist Self-made-Millionär, ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann alter Schule. Der Waadtländer gründete 1972 die Sun Store AG, baute das Unternehmen zu einer Apothekenkette mit schweizweit über 100 Standorten auf und verkaufte für viel Geld an die Galenica-Gruppe. Darauf verweist er nach wie vor gerne: Er wisse, wie man geschäftet, sagte Séverin vor zwei Jahren gegenüber dem BT, als er sich erstmals selber operativ in die Verantwortung nahm. Das hat er offenbar auch die jeweilige Zentrumsleitung in der Tissot Arena spüren lassen.

Offiziell haben sich die ehemaligen Geschäftspartner, die in seinem Auftrag nach neuen Mietern suchen sollten, auf Anfrage bislang zwar nie zur Zusammenarbeit mit Séverin äussern wollen. Hinter vorgehaltener Hand heisst es aber: Der Eigentümer übertrage gerne Verantwortung, nicht aber Kompetenz. So steht Séverin jetzt, nach der kürzlichen Trennung von Centerio, zum zweiten Mal selber in der Verantwortung. Und gibt an, kürzlich mit vier neuen Mietern Verträge unterzeichnet zu haben. Crazy Prices hat Mitte Oktober bereits eröffnet, die anderen drei sollen bis Ende Jahr folgen. Um wen es sich handelt, will Séverin nicht sagen, nur so viel: Mindestens ein zusätzliches Freizeitangebot sei darunter.

 

Den Spielraum ausreizen

Danach sollen auch die weiteren leeren Flächen möglichst schnell vergeben werden. Die Lage des Zentrums dient dabei ein Verkaufsargument: Die Tissot Arena befindet sich mitten im Entwicklungsschwerpunkt Bözingenfeld, ist durch die Autobahn sowohl für die Bevölkerung aus den Regionen Jura, Solothurn und Lyss erschlossen, Parkplätze gibt es mehr als genug. Zudem sind die Stadien durch zwei Buslinien erschlossen und der Bahnhof Bözingenfeld liegt 15 Gehminuten entfernt. Trotzdem hadert Marcel Séverin mit den Rahmenbedingungen – und mit der Stadt.

Für den Fachmarkt wurden nämlich klare Spielregeln festgelegt: Autonome Gastronomiebetriebe mit mehr als 30 Sitzplätzen sind nicht zugelassen. Und Fachmärkte dürfen eine Fläche von 1250 Quadratmetern nicht unterschreiten. Die Vorgaben sollen die Geschäfte in der Innenstadt vor Konkurrenz aus dem Bözingenfeld schützen – die Stadt möchte in der Tissot Arena nicht etliche Kleiderläden mit einer Verkaufsfläche von 80 Quadratmetern. Das Stimmvolk hatte dem 2010 zugestimmt. Séverin stellt nun in den Raum, ob die «vor 15 Jahren geplanten» Regeln nicht mittels einer neuerlichen Volksabstimmung gelockert werden müssten.

Eine realistische Option? Stadtpräsident Erich Fehr (SP) sagt: Bisher sei Marcel Séverin nie mit einem offiziellen Antrag, die Spielregeln zu ändern, bei ihm vorstellig geworden. Und das, obschon er und seine (ehemaligen) Geschäftspartner diese seit der Eröffnung 2015 als Wettbewerbsnachteil kritisieren. Fehr glaubt allerdings auch nicht, dass eine neuerliche Volksabstimmung der richtige Weg wäre, um kurz- bis mittelfristig die Rahmenbedingungen zu verbessern. Denn: Der politische Prozess würde wohl mehrere Jahre dauern. Der Stadtpräsident rät Séverin stattdessen, den Spielraum der geltenden Bestimmungen besser zu nutzen; gerade im Bereich der Gastronomie. So sind zwar autonome Restaurants mit mehr als 30 Sitzplätzen verboten – bildet aber ein Restaurant eine betriebliche Einheit mit einer Freizeitnutzung, wären rechtlich viel mehr Gäste möglich.

 

Nachfolge gesucht

Und Séverin will offenbar tatsächlich keine langfristige Entwicklung abwarten. Dabei könnte er sich dies wohl durchaus leisten – zum einen aufgrund der erfreulichen Entwicklung der Kundenfrequenz. Zum anderen dürfte die Investition in eine Infrastruktur wie die Tissot Arena aufgrund der aktuellen Zinslage auch wirtschaftlich kaum die schlechteste Option sein. Investor Marcel Séverin verweist indessen auf sein Alter: Mit 77 sei es an der Zeit, nach einer Nachfolge Ausschau zu halten, meint er. Und damit sein Objekt für eine potenzielle Käuferin attraktiv ist, sollten die Leerflächen möglichst gering sein. Die Konzentration auf Freizeit und Sport sowie Möbelhäuser scheint jedenfalls je länger je mehr zu funktionieren.

Die bestehenden Mieter feiern noch bis am 14. November das Fünf-Jahre-Jubiläum mit diversen Discount-Aktionen. Sie tun dies seit dem 27. Oktober offiziell unter einem neuen Namen: Das Einkaufszentrum heisst jetzt etwas sperrig «Shopping Les Stades – Arena Biel/Bienne».

Dieser «Neustart» erfolgt allerdings nicht freiwillig. Séverin hatte den Namen des Fachmarkts vor zwei Jahren von «Galerie Tissot Arena» zu «Shopping Tissot Arena» geändert. Dabei hatte er aber jeweils die Rechnung ohne die Swatch Group gemacht, zu der die Uhrenmarke Tissot gehört: Diese hatte sich Anfang 2015 das Namensrecht der Bieler Stadien für mindestens zehn Jahre gesichert – und dürfte dafür rund fünf Millionen Franken bezahlt haben.

Die Swatch Group verbietet nun Séverin allerdings, dessen kommerzielle Zone in der Tissot Arena untergebracht ist, die Verwendung des Markennamens Tissot. «Herr Séverin wollte verschiedene Namen mit dem Wort Tissot für sich und das Einkaufszentrum registrieren lassen, und damit sind wir natürlich nicht einverstanden», schreibt die Presseabteilung des Uhrenkonzerns auf Anfrage. «Wir verteidigen die Interessen unserer Marke.»

Also startet Investor Séverin nach fünf Jahren einmal mehr nicht nur mit einem neuen Management, sondern auch mit neuem Zentrumsnamen und – Logo.

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