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Biel

Um Mitternacht 
den Anker werfen

An der Silvesterfahrt über den Bielersee kümmern sich zwei Matrosinnen und ein Kapitän um eisige Stege, Fotos für Facebook und die Aussicht auf die Kirche Ligerz.

Im Steuerhaus des Schiffs: Leichtmatrosin Sara Scarpino, Kassierin Sarah Rätz und Kapitän Beat Ruprecht (von links) mit Ayleen Scarpino (vorne). Bild: Sarah Grandjean

Sarah Grandjean

Heute um Mitternacht werden Beat Ruprecht, Sarah Rätz und Sara Scarpino auf dem Bielersee aufs neue Jahr anstossen. Allerdings mit Rimuss, denn die drei arbeiten bei der Bielersee-Schifffahrts-Gesellschaft (BSG) und sind verantwortlich fürs Gelingen der heutigen Silvesterfahrt. «Und nach Feierabend stossen wir im Hafenblick noch einmal an», sagt Rätz.

Der Hafenblick, so nennen die Nautiker ihre kleine Küche mit Kaffeeautomaten im Gebäude der BSG. Vom Fenster aus sind die vertäuten Passagierschiffe und der vernebelte See zu sehen. Die drei sitzen zusammen mit Ayleen, der zehnjährigen Schwester von Sara Scarpino, an einem runden Tisch, dessen Fuss aus einer Schiffsschraube besteht.

Rund alle zehn Jahre übernehme er die Silvesterfahrt, erzählt Ruprecht, der Kapitän. Für ihn sei diese Fahrt eher langweilig, denn er fahre lieber Manöver. Aber die lockere Gesellschaft aus rund 170 Fahrgästen findet der 62-Jährige angenehm und er freut sich darüber, dass seine Partnerin mitfährt.

Die Kassierin Rätz und die Leichtmatrosin Scarpino haben sich freiwillig gemeldet. Für die 34-jährige Rätz ist Silvester nichts Besonderes mehr. Scarpino sagt: «Es geht ja ohnehin so weiter, wie es aufgehört hat. Nur eben mit einer anderen Zahl.» Trotzdem freut sich die 23-Jährige auf die Silvesterfahrt, auf der ihre Mutter und Ayleen mitfahren werden. Ayleen lacht und zeigt dabei ihre Zahnlücken.

 

Mit Glockengeläut ins 2020

Die Silvesterfahrt führt über den Bielersee in Richtung Neuenburg und dauert sechs Stunden. Das meiste haben Rätz, Scarpino und Ruprecht bereits gestern vorbereitet: Sie haben die Technik überprüft, die Fenster, Toiletten und den Boden geputzt und das Trinkwasser aufgefüllt.

Die Aufgabe der beiden Frauen besteht während der Fahrt darin, die Sicherheit auf dem Schiff zu gewährleisten. Sie empfangen beim Einstieg die Gäste, sammeln die Tickets ein und «schauen, dass die Leute sich benehmen», sagt Rätz lachend. Auf dem Zihlkanal müssen sie darauf achten, dass sich beim Passieren der niederen Brücken niemand auf dem Deck befindet. Ausserdem machen sie während des Fests Fotos und Filme für Social Media. Und Ruprecht muss darauf achten, dass das Schiff eine Viertelstunde vor Mitternacht in Ligerz ist, wo die Glocken der Kirche Ligerz das Jahr 2020 einläuten.

Eine Herausforderung werden die Winterfahrten dann, wenn es sehr kalt ist. Bei minus zehn Grad gefriert das Trinkwasser manchmal bereits beim Auffüllen, deshalb gibt es eine geheizte Leitung zum Schiff. Wenn der Steg glatt ist, müssen die Matrosen ihn salzen. Und bei Seegfrörni mussten Schiffe auch schon umkehren. Die Eisschicht ist selten mehr als zwei oder drei Zentimeter dick, aber sie beschädigt das Schiff. Das letzte Mal, als der See ganz gefroren war, war 1963, erinnert sich Ruprecht. Die Arbeiter mussten das Eis rund um die Schiffe brechen, damit diese nicht zerdrückt wurden.

 

Jeder Sturm ist anders

Wie die drei zu diesem Beruf gekommen sind? Durch Zufall, sind sie sich einig. Der Nidauer Ruprecht hat Feinmechaniker gelernt und nach einer neuen Herausforderung gesucht. Rätz aus Biberist ist gelernte Malerin und hat die Gelateria der BSG geleitet. Als sie erfuhr, dass die BSG jemanden für die Werkstatt sucht, hat sie sich auf die Stelle beworben und sie erhalten. Und Scarpino aus den Baselbiet, auch sie Malerin, hat sich auf eine Stellenausschreibung im Internet als Matrosin beworben.

Die Ausbildung zum Leichtmatrosen sowie zum Kassier besteht aus einem 15-tägigen Instruktionskurs mit abschliessender Prüfung. «Und viel Learning by Doing», so Rätz. Das Ziel von ihr und Scarpino ist es, dereinst Kapitänin zu werden. Das dauert rund zwölf Jahre, je nachdem auch länger.

Scarpino sagt, sie habe sich den Beruf vorher nicht wirklich vorstellen können. Bei ihrem ersten Sturm sei sie dann sehr erschrocken. Rätz nickt und Ruprecht bestätigt: «Jeder Sturm ist anders.»

 

Der Winter in der Werkstatt

Im Winter sind die Nautiker nur rund alle zwei Wochen einmal auf dem See. Mehrheitlich arbeiten sie auf ihrem gelernten Beruf. Scarpino und Rätz streichen in der Werkstatt in Nidau die Schiffe aussen und innen neu. Dabei sind sie ständig draussen. Wenn es zu kalt wird, unterbrechen sie die Aussenarbeiten. Scarpino fasziniert es, die ganzen Schiffe zu sehen, sobald sie nicht mehr im Wasser sind.

«Wir sind immer froh, wenn es Winter wird. Aber dann freuen wir uns auch wieder auf den Frühling», sagt Ruprecht. Und Rätz bestätigt, sie brauche die Abwechslung. Im Herbst habe sie den Betrieb auf dem Schiff auch mal satt. Dann geniesse sie die Ruhe in der Werkstatt und die Arbeit mit den Händen.

Ein Ort, den die drei dereinst befahren möchten? Scarpino und Rätz würden gerne für einige Monate aufs Meer, «um das einmal erlebt zu haben». Die Bedingungen auf hoher See sind ganz anders, das Wetter, das Navigieren, das Gewässer überhaupt. Ruprecht ist zufrieden hier, mit seinem Arbeitsort auf dem längsten Wasserweg der Schweiz.

Stichwörter: Biel, Silvester, Bielersee, Fahrt, Schiff, See

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