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Jubiläum

Verhüllt, verhasst, verehrt: Ein Jahrhundert Kunsthalle Bern

Seit ihrer Eröffnung 1918 hat die Kunsthalle Bern nicht nur Berner, sondern auch internationale Kunstgeschichte geschrieben. Und immer wieder hat sie die Öffentlichkeit mit avantgardistischen Ausstellungen und Aktionen vor den Kopf gestossen. 
Das BT blickt in Bildern auf das bewegte Jahrhundert zurück.

Vom Plan zum Bauwerk: Eine Visualiserung der Kunsthalle aus dem Jahr 1916. Bild: zvg

Texte: Stefanie Christ

Die Eröffnung

Gegründet wurde die Institution auf Initiative der Berner Künstlerschaft (heute Visarte.bern), da neben dem Kunstmuseum weitere Ausstellungsfläche gefordert wurde – gerade für die lokale Kunstproduktion. Der Erste Weltkrieg warf die Pläne für eine Kunsthalle etwas zurück, am
5. Oktober 1918 konnte die neue Institution auf dem Helvetiaplatz schliesslich eingeweiht werden.

 

Die Weihnachtsausstellung

Die jährliche Weihnachtsausstellung, eine Art Best-of-Schau des lokalen Kunstschaffens, gehört seit der Kunsthalle-Eröffnung fix zum Ausstellungsprogramm – davor wurde sie jeweils vom Kunstmuseum Bern ausgerichtet. Seit 2011 macht die Kunsthalle bei der Cantonale Berne Jura mit – einer kantonsübergreifenden Weihnachtsausstellung von lokalen Kunsthäusern und Galerien.

 

Die Zeitgenossen

Aufgabe einer Kunsthalle ist die Präsentation aktueller künstlerischer Positionen, 2017 etwa die 26-jährige Wiener Konzeptkünstlerin Verena Dengler. Rückblickend gelten viele der einst in der Kunsthalle ausgestellten Zeitgenossen als grosse Meister der Moderne. 1920 waren in der gleichen Ausstellung etwa die Schweizer Maler und Plastiker Ferdinand Hodler, Cuno Amiet, Alberto Giacometti und Ernst Kreidolf vertreten. Heute steht die Kunsthalle oft im Schatten der Kunstmuseen, die mittlerweile ebenfalls mit Gegenwartskunst um Publikum buhlen.

 

Die Amerikaner

Die Kunsthalle richtete immer wieder amerikanischen Kunstschaffenden Einzelausstellungen aus und machte sie damit einer breiten europäischen Öffentlichkeit bekannt, 1960 etwa Sam Francis, 1971 Yves Klein und 1973 Bruce Nauman.

 

Die Verhüllung

Im Jahr 1968 verpackten der bulgarische Künstler Christo und seine französisch-marokkanische Frau Jeanne-Claude die Kunsthalle – es war ihr erstes grosses Verhüllungsprojekt. Mit dieser Technik erlangte das Paar Weltruhm und verhüllte in der Folge etwa einen Küstenstreifen Australiens oder den Berliner Reichstag. Heute rühmt sich die Bundesstadt mit dieser Aktion, 1968 zeigte die Berner Bevölkerung wenig Verständnis dafür.

 

Die Auktion

Für die Ausstellung «No Leftovers» schenkten Kunstschaffende 2008 der Kunsthalle einzelne Werke. Diese wurden anschliessend vom damaligen 
Direktor Philippe Pirotte und dem Stiftungspräsidenten Wolf von Weiler versteigert, um die finanzielle Zukunft der Kunsthalle zu sichern. Finanziert wird die Kunsthalle heute allen voran durch städtische Subventionen in Höhe von rund einer Millionen Franken jährlich.

 

Die Chinesen

Im Jahr 2004 stellte die Kunsthalle Werke des chinesischen Regimekritikers und Gegenwartskünstlers Ai Weiwei aus. Es handelte sich um die erste institutionelle Einzelausstellung des bedeutenden Künstlers. Die Kunsthalle interessierte sich schon in den 30er-Jahren für die Gegenwartskunst aus dem Reich der Mitte und zeigte 1934 beispielsweise die Ausstellung «Chinesische Malerei der Gegenwart».

 

Die Szene

Von Markus Raetz bis Meret Oppenheim, von Balthasar Burkhard bis Franz Gertsch: Die hiesige Kunstszene der 60er- und 70er-Jahre war eng mit «ihrem» Ausstellungsort verbunden. Die Aufnahme des Berner Fotografen Leonardo Bezzola zeigt Meret Oppenheim 1968 im Kornhauskeller in Bern. Gefeiert wurde das 50-Jahr-Jubiläum der Kunsthalle.

 

Die Frau

Nach zwölf Direktoren wurde 2015 mit der Basler Kunstwissenschaftlerin Valérie Knoll erstmals eine Frau zur Kunsthalle-Chefin gewählt. Am kürzesten amtete der Genfer Fabrice Stroun (2012–2014), am längsten Gründungsdirektor Robert Kieser (1918-1930). Die Direktion wird vom Kunsthalle-Vorstand gewählt. Derzeit präsidiert diesen der Unternehmer Jean-Claude Nobili.

 

Die Legende

Der Kultdirektor Harald Szeemann lud 1969 zur interdisziplinären Ausstellung «When Attitude Becomes Form». Eine Schau, mit welcher der Berner Kurator das Ausstellungswesen revolutionierte – und provozierte. Der deutsche Künstler Joseph Beuys rieb die Kunsthalle-Wände mit Fett ein, der Berner Schriftsteller Peter Saam verbrannte im Rahmen eines Happenings seine Armeeuniform. Daraufhin karrten aufgebrachte Bürger Mist vor die Kunsthalle.

 

Die Sammlung

1987 gründeten die fünf Berner Kunstfreunde und -sammler Bernhard Hahnloser, Donald Hess, Paul Jolles, Beat Jordi und Eberhard W. Kornfeld die Stiftung Kunsthalle Bern.

Ihr Ziel: Mit einem Budget von jährlich rund 100 000 Franken Werke aus den Ausstellungen der Kunsthalle anzukaufen. Da eine Kunsthalle traditionellerweise über keine Sammlung verfügt wie ein klassisches Kunstmuseum, ist die Sammlung im Kunstmuseum Bern beherbergt.

2016 feierte sie mit der Ausstellung «30 Jahre Stiftung Kunsthalle Bern» ihr Jubiläum. Die Sammlung umfasst Arbeiten von internationalen und Schweizer Künstlern wie Thomas Struth, Shirana Shahbazi oder Pavel Büchner.

 

 

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