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Jurafrage

Vieles hängt von Moutier ab

Die bernjurassischen Gemeinden können über einen Wechsel zum Kanton Jura abstimmen.Die rechtlichen Grundlagen liegen jetzt vor. Das BT beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Abstimmungen.

Sie wollen die Jurafrage endgültig abschliessen: Christoph Auer, Philippe Perrenoud und Christoph Neuhaus (v.l.). Bild: Bruno Payrard

von Nicolas Bollinger

Der Berner Regierungsrat hat einen Gesetzesentwurf zum weiteren Vorgehen  in der Jurafrage verabschiedet. Damit sollen die geplanten Gemeindeabstimmungen über die Kantonszugehörigkeit geregelt werden. Der Entwurf bildet die rechtliche Basis für den Ablauf des Urnengangs. Wie Philippe Perrenoud (SP), Präsident der Juradelegation des Regierungsrats, Christoph Neuhaus (SVP), Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor, und Staatsschreiber Christoph Auer (parteilos) an einer Medienkonferenz in Bern gestern betonten, will der Kanton in der Jurafrage nun endgültig einen Schlussstrich ziehen.


Wie ist die Ausgangslage?
Im Februar 2012 haben die Kantone Bern und Jura eine Absichtserklärung unterzeichnet, die Jurafrage demokratisch zu lösen. Gemäss dieser Erklärung dürfen die bernjurassischen Gemeinden vom Regierungsrat verlangen, dass er gesetzliche Grundlagen für einen Kantonswechsel ausarbeitet. Dazu müssen sie innerhalb von zwei Jahren nach der regionalen Volksabstimmung vom 24. November 2013 ein Gesuch einreichen. Bei dieser Abstimmung lehnten es 71,8 Prozent der Stimmberechtigten im Berner Jura ab, ein Verfahren zur Gründung eines neuen Kantons mit dem Jura einzuleiten (das BT berichtete). Einzig die Gemeinde Moutier sprach sich dafür aus.


Wen betrifft das?
Bis heute hat einzig die Gemeinde Moutier ein solches Gesuch formell eingereicht. Die Gemeinden Belprahon und Grandval sind ebenfalls mit diesem Anliegen an die Kantonsregierung gelangt. Sie möchten allerdings nur dann abstimmen, wenn sich Moutier für einen Kantonswechsel ausspricht.


Stimmen die Gemeinden gleichzeitig ab?
Nein, ein einziger Abstimmungstermin widerspricht der Gemeindeautonomie. Belprahon und Grandval wollen nicht am selben Tag wie Moutier über einen bedingungslosen Kantonswechsel abstimmen. Bei nur einem Termin könnte die Situation entstehen, dass beispielsweise Grandval als einzige Gemeinde zum Kanton Jura wechseln muss, weil die anderen Nein stimmen.


Ist das Abstimmungsergebnis aus Moutier rechtskräftig, bleibt den anderen zwei Gemeinden sechs Monate Zeit, um ihren Urnengang durchzuführen.


Was geschieht bei einem Nein?
Wenn sämtliche betroffenen Gemeinden Nein stimmen, gilt die Jurafrage als erledigt: Das Gesetz wird vom Regierungsrat aufgehoben, und es gibt keine Fortsetzung des Verfahrens. Eine Gemeinde kann ihr Gesuch bis zur Festlegung des Abstimmungstermins zurückziehen. Es ist somit denkbar, dass die Jurafrage bereits nach der ersten Abstimmung erledigt ist, weil die Stimmberechtigten in Moutier nicht dem Kanton Jura beitreten wollen, und die anderen Gemeinden, die ihr Schicksal von Moutier abhängig machen, das Gesuch danach zurückziehen.


Was geschieht bei einem Ja?
Falls eine oder mehrere Gemeinden Ja stimmen, müssen die beiden Kantone gemeinsam den neuen Grenzverlauf festlegen. Das geschieht in Form eines Gebietsveränderungsvertrags, also eines Staatsvertrags, den man Konkordat nennt. Dieses Konkordat wird vom Regierungsrat ausgehandelt und abgeschlossen. Es muss vom bernischen Grossen Rat genehmigt werden und kommt in beiden Kantonen zur Abstimmung. Einzelheiten werden in einer interkantonalen Vereinbarung festgelegt. Dabei geht es vor allem um vermögensrechtliche Fragen, die Übertragung hängiger Gerichtsverfahren und um den administrativen Übergang.


Wird das Konkordat in beiden Kantonen angenommen, wird es der Bundesversammlung zur Genehmigung vorgelegt. Lehnt mindestens einer der beiden Kantone den Vertrag ab, gilt das Verfahren als beendet.


Und bei einem Nein zum Konkordat?
Zwischen diesen Abstimmungen können zwei bis drei Jahre liegen. Es besteht die Möglichkeit, dass beispielsweise Moutier in der kommunalen Abstimmung dem Kanton Jura beitreten will, aber später gegen das Konkordat stimmt. Gemäss Christoph Auer sind zwei mögliche Antworten denkbar: Entweder ist das Resultat in der Gemeinde irrelevant, da es sich um eine kantonale Abstimmung handelt. Oder aber: Ein Kantonswechsel ist gemäss Bundesverfassung nur gültig, wenn die betroffene Gemeinde ihm zustimmt. Da der neue Grenzverlauf erst in der kantonalen Abstimmung festgelegt wird, muss die betroffene Gemeinde auch in dieser zweiten Abstimmung Ja sagen.


Da die Lösung in diesem Szenario nicht auf der Hand liegt, holen die Kantonsregierungen ein entsprechendes Rechtsgutachten beim Bundesamt für Justiz ein.


Wie sieht der Zeitplan aus?
Der Gesetzesentwurf befindet sich bis zum 5. Juni in der Vernehmlassung. Die Frist zur Einreichung der Gesuche für die Organisation von Abstimmungen über einen allfälligen Kantonswechsel läuft am 24. November ab. Der Grosse Rat wird den Gesetzesentwurf in der Januarsession 2016 beraten.
  

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