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„Krawattenzwang“

Vom anspruchsvollen Bewegungstheater in die Lederhose

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, publizistischer Leiter der Gesamtredaktion und Chefredaktor „Bieler Tagblatt“ wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Vom anspruchsvollen Bewegungstheater in die Lederhose.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Alles ist Kultur – Kultur ist alles. Wenn wir den Kulturbegriff weit fassen, stimmt diese Aussage in der Tat. Wie nahe sich sehr unterschiedliche Veranstaltungen sein können, zeigt sich, wenn man sie innerhalb von wenigen Tagen miterleben darf.

Erlebnis Nummer 1: Biel hat einen neuen «Theatertempel». Davon ist überzeugt, wer das neu eröffnete Theaterhaus Nebia, ehemals Théâtre Palace, von innen gesehen hat. Optisch wunderschön, gefällt Nebia insbesondere auch durch die Funktionalität. Licht- und Tonqualität sind erste Klasse, was sich zumindest bei der Premiere bestätigte.

Denn mit dem Stück «Eins Zwei Drei» des Zürchers Martin Zimmermann gastierte gleich zu Beginn abwechslungsreiche, anspruchsvolle und sehr unterhaltende Kultur in Biel. Die drei Schauspieler – oder eher Performer – arbeiten mit Körper, Kulisse, Licht und Ton. Die hohen Ansprüche an die Technik sind Voraussetzung zum Gelingen der vielen unerwarteten Nuancen in der fast wortlosen Präsentation.

Die Bilanz des ersten Wochenendes ist positiv. Mögen die verschiedenen Säle in Biel gefüllt werden – die Programmation ist dicht. Biel (auch) als Kulturstadt hat einiges zu bieten.

Erlebnis Nummer 2: wir Männer in Lederhosen, die Frauen im Dirndl. Nur kurz nach dem genannten Kultur-Höhepunkt im Bieler Nebia pilgere ich inmitten von YB- und SCB-Fans nach Bern. Nicht für Fussball oder Eishockey, was ja auch als Kultur bezeichnet werden kann, sondern zum Konzert des selbst ernannten österreichischen Volksrockers Andreas Gabalier. Auch da: Unterhaltung pur – auf ganz anderer Stufe. Wohl nicht für alle, aber das ist Geschmacks- und Ansichtssache. Die Fest- oder Skihüttenromantik mag abschrecken, einige Tausend Menschen liessen sich dennoch auch in Bern begeistern und vergassen während zwei Stunden das Rundherum. Der rasche Wechsel kann erstaunen. Ist aber nicht eben gerade das Kultur-Konsum im besten Sinn? Wir sind doch alle in einem gewissen Sinn «simpel gestrickt» und lassen uns gerne verführen und unterhalten. Ich stehe dazu. Alles ist Kultur, eben. Toleranz und breites Interesse inklusive.

«C‘est fait – et c‘est bien fait», bilanzierte Biels Gemeinderat Cédric Némitz zur Eröffnung von Nebia. Recht hat er. Und «bien fait» ist alles, was uns unterhält und kurz aus dem Alltag entführt. Geniessen Sie es, gerade auch in der hektischen Vorweihnachtszeit.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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