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„Krawattenzwang“

Vom Kampf-Wanderer plattgedrückt

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, Chefredaktor „Bieler Tagblatt“, wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Vom Kampf-Wanderer plattgedrückt.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Stellen Sie sich vor: Sie sind auf einem schmalen Wanderweg bei schönstem Wetter im Voralpengebiet spazierend unterwegs – und wumm, werden Sie von einem Kampf-Wanderer platt gedrückt. Eine ziemlich strube Vorstellung, abgeleitet aus der aktuellen Studie «Sport Schweiz 2020», die am Montag vorgestellt wurde (siehe BT vom Dienstag). Die Logik daraus, zugegeben etwas weit hergeholt: Weil Wandern die mit Abstand beliebteste Sportart ist, ist sie allgegenwärtig und riskant. Und es wird auch beim Wandern immer eine Siegerin oder ein Sieger gesucht. Denn Leistung steht über allem. Womit die gängigsten Klischees bedient sind.

80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer erfüllen gemäss dieser Studie die Bewegungsempfehlungen. Sehr erfreulich. Von wegen übergewichtige Stubenhocker. Das positive Ergebnis kommt zustande, wenn der Sportbegriff etwas weiter ausgelegt wird, als dieser vom schwitzenden und mit rotem Kopf in der Gegend herumeilenden Fanatiker in kurzen Hosen zementiert wird. Dass Bewegung bei Seniorinnen und Senioren immer wichtiger wird, ist ebenso positiv wie die an sich völlig selbstverständliche Feststellung, dass Frauen und Männer gleich viel Sport treiben.

Für die ganz Hartgesottenen sei die häufig gehörte Argumentation angeführt, dass Wandern nie und nimmer ein Sport sein kann. Zugegeben, olympisch wird die Disziplin in der Tat nie. Sport ist jedoch nicht nur, was mit Stoppuhr und Meter gemessen, verglichen und rangiert werden kann. Entsprechend ist es in der Tat nicht Sport, zumindest nicht Leistungssport. Bewegen ist die entscheidende Nuance bei den Bezeichnungen. Und dann letztlich «Tun», damit die erwähnte positive Statistik stets verbessert, zumindest aber gehalten werden kann. Vielleicht wird es sogar einmal Mode, sich nicht als Sportler, sondern als Beweger zu bezeichnen.

Den Kampf-Wanderer gibt es also nicht – soll es nicht geben. Denn Bewegen hat wenig mit Ehrgeiz, Gegeneinander und Sieg zu tun. Bewegen soll nicht nur gesund sein und fit halten, bewegen soll auch Freude bereiten, die sozialen Kontakt fördern und Stress abbauen.

Die martialische Sportsprache möchte man in der Tat komplett verbannen. Dies gelingt jedoch auch den Studienautoren nicht ganz: Die meistbetriebenen Bewegungsformen neben Wandern sind Radfahren, Schwimmen, Skifahren und Joggen. Diese Gruppe von Aktivitäten wird allgemein als Helvetischer Mehrkampf bezeichnet. Kampf?


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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