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Gewerbe & Gastronomie

Von der Erde auf den Teller und zurück zur Erde

Und bereits geht es weiter bei Laura Stauffer und Sandro Bianchin. Nach dem «Lokal» und dem «Sauvage» betreiben die beiden bald auch das «Ecluse». Wie es dazu kam und was die Gäste erwarten dürfen.

Sie haben viel vor mit dem «Ecluse»: Kalim Borchert und Sandro Bianchin (oben von links), Pascal Cueni, Manuel Hotz und Laura Stauffer (unten von links). © Nando Aerni

von Raphael Amstutz

«Nein, es gibt kein zweites Lokal», sagt Sandro Bianchin und lacht. Und Laura Stauffer ergänzt: «Wir eröffnen auch keine Disco». So viel zu den Gerüchten, die ihnen zu Ohren gekommen sind, seit bekannt ist, dass die beiden das Bieler Traditionslokal L’Ecluse übernehmen.

Für das «Ecluse» hat das Paar, das in Biel neben dem «Lokal» auch das «Sauvage» führt (das BT berichtete), einen ganz klaren Plan: Kreislaufwirtschaft. Heisst: Von der Erde auf den Teller und zurück zur Erde. Oder: eine Interaktion von Natur, Mensch und Technologie.

Die Gastronomie ist einer der Treiber des Food Waste. Auch viel Verpackungsmaterial fällt an in dieser Branche und es herrscht das Dogma, immer noch günstiger zu produzieren. Sandro Bianchin sagt denn auch: «So, wie es in der Gastronomie heute mehrheitlich läuft, kann es nicht weitergehen.» Und Laura Stauffer fügt an: «Die Gastronomie kann es besser machen. Viel mehr ist möglich, als momentan gemacht wird.»

Stauffer und Bianchin wissen, wovon sie sprechen. Sie sind selber Teil dieser Branche – und wollen es nun anders machen; besser, klüger, nachhaltiger.

Die Wege dazu: Zusammenarbeit mit regionalen Klein- und Kleinstproduzenten ohne Zwischenhandel, kurze Wege (alle Lebensmittel, die im «Ecluse» verwendet werden, kommen aus einem Umkreis von maximal 50 Kilometern), drastisch reduzierte Verpackungen. «Der ökologische Fussabdruck von uns allen muss sinken. Und zwar schnell», sind beide überzeugt.

Das soll aber nicht auf Kosten des Genusses gehen. Denn dieser, so wollen Stauffer und Bianchin mit dem «Ecluse» beweisen, ist auch im Einklang mit der Natur möglich. Die beiden haben viel vor – und sind gleichzeitig nicht naiv: «Natürlich braucht diese Umstellung Zeit, natürlich klappt nicht alles ab Tag eins», so Stauffer. Der ganze Prozess sei ein Herantasten, ein Ausprobieren.

Deshalb wollen sich die beiden im «Ecluse» aus dem operativen Geschäft zurücknehmen. «Wir sind selbstverständlich im Service und in der Küche, wenn es uns braucht», sagen sie. Schwergewichtig wollen sie sich aber um den Einkauf kümmern, um die Produzenten, um die Vernetzung, um Innovationen und um die Geschichten, die das «Ecluse» ausmachen sollen. Als Chefkoch konnten sie niemand Geringeren als den gebürtigen Solothurner Pascal Cueni verpflichten, der zuletzt in der Brasserie Obstberg in Bern und im Restaurant Attisholz in Riedholz tätig war und sich dort Gault-Millau-Punkte erkochte.

Das «Ecluse» wird aber nicht zum exklusiven Lokal für einige wenige Menschen, sondern ein Ort für alle Menschen aus dem Seeland. Die Küche werde bodenständig sein, sagt Stauffer, ehrlich, klar. Gleichzeitig aber auch überraschend, neu und vielseitig. Die regionalen Böden bestimmen, was auf den Tisch kommt. Die Mittags- und Abendkarten werden deshalb ständig wechseln. Dazu wird es einen Brunch geben und ein saisonal abgestimmtes Take-Away. Die Terrasse soll ganzjährig offen sein, auch Ruhetage sind keine geplant. Das «Ecluse» wird somit auch sonntags offen sein, dies erstmals seit der Eröffnung vor 15 Jahren. Bislang war das Restaurant an den Wochenenden nur samstags geöffnet.

Wichtig ist den beiden, dass auf den erhobenen Zeigefinger verzichtet wird. «Wir wollen eine Erlebnisschulung bieten», umschreibt es Bianchin. Das solle durchaus spielerisch und leichtfüssig geschehen. Die beiden verstehen das «Ecluse» als Pilotprojekt, das ein Anstoss sein soll für andere gastronomische Ideen mit der gleichen Stossrichtung.

Beim Konzept geht es ihnen nicht nur um das kulinarische Angebot und damit den Gaumen der Gäste; alle Sinne sollen angesprochen werden. Auf der Terrasse und im Garten des «Ecluse» werden Gemüsebeete entstehen, ein Kompost ist geplant. Im Eingang des Restaurants soll es einen Shop geben mit Produkten aus der Region.

Was Stauffer und Bianchin anstreben: Dass die Umsetzung ihrer Ideen gespürt, gerochen, gesehen, gehört und geschmeckt wird.

Corona all überall, und das junge Paar eröffnet kurz nach dem «Sauvage» bereits wieder ein Lokal. Die beiden lachen wieder. Das Restaurant sei ihnen unter der Hand angeboten worden, nachdem der Vorpächter den Vertrag gekündigt hatte. «Wir hätten nie damit gerechnet und waren dementsprechend überrascht», so Stauffer und Bianchin. «Aber wenn einem ein solcher Ort angeboten wird, sollte man unbedingt zugreifen.»

Laura Stauffer und Sandro Bianchin drücken der Bieler Gastroszene gegenwärtig den Stempel auf: Das «Lokal», das «Sauvage», das Take-away-Projekt «Vagabund», der Heimlieferdienst. Die beiden, sie aus Bern, er aus Basel, wollen mit ihren Angeboten mithelfen, die Region, von der sie so begeistert sind, besser zu vermarkten. «Wir wollen, dass Biel auf der kulinarischen Landkarte der Schweiz den Platz erhält, den die Stadt verdient», sagt Bianchin.

Momentan wird der Ort an der Schüsspromenade mit Elan und Energie vorbereitet. Die Bar ist herausgerissen, aus dem Boden quellen Kabel, überall liegen Werkzeuge herum. Losgehen soll es bereits im April – oder dann, wenn es die Covid-Massnahmen zulassen.

Obwohl der Ort noch eine Baustelle ist, gibt es bereits eine erste Reservation. Ein Paar will hier seine Hochzeit feiern.

Die «Ecluse»-Geschichte
Ende des 19. Jahrhunderts baute Carl Neuhaus das Gebäude als Mikromechanik- und Uhren-Werkstatt. Bald kam eine Schleuse mit einer Turbine dazu. Neuhaus wurde zum Energieproduzenten. Wenige Jahre später richtete sich in den Räumlichkeiten die Uhrenmanufaktur Muller & Vaucher ein. Weltberühmt wurde die Firma aber mit der Herstellung von Kompassen. Nach einem kurzen Gastspiel der Bieler Fabrik für Watte, Stroh- und Metallwolle stand das Gebäude jahrelang leer. 2005 kauften Francis Meyer und Christoph Rothenbühler es und machten daraus ein Restaurant. Während zehn Jahren wurde es von Zeljko Cuic und Mirelle Stettler geführt, ab Dezember 2015 übernahm Nicolas Richon mit seinem Team die Leitung.

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