Sie sind hier

Abo

Biel/Leubringen

Von schlechten und von guten Einwanderern

In den Wäldern und Wiesen der Region haben sich etliche Pflanzen aus anderen Kontinenten etabliert. 
Bei einem Arbeitseinsatz der Naturschule Seeland ging es diesen Neophyten an den Kragen – aber nur den gefährlichen.

Christian Wittker erklärt beim Arbeitseinsatz, wie unwillkommene Pflanzen entsorgt werden müssen. Bild: Yann Staffelbach

Heidi Flückiger

Am Samstag hat die Naturschule Seeland im Wald von Leubringen einen Arbeitseinsatz durchgeführt. Dabei ging es um die Bekämpfung von gefährlichen eingeschleppten Pflanzen, den sogenannten invasiven Neophyten. Diese Gewächse vermehren sich stark und führen zum Rückgang der hiesigen biologischen Vielfalt. Viele dieser Pflanzen wurden bewusst eingeführt, andere gelangten mit der Einfuhr von Früchten, Gemüsen, Hölzern und anderem Material in unser Land. Um Neophyten zumindest teilweise in Schach zu halten, legen nicht nur Menschen Hand an, dazu werden auch Weidetiere eingesetzt. Im Mettmoos in Biel sind dies etwa schottische Hochlandrinder.

Geleitet hat den Arbeitseinsatz der Umweltnaturwissenschafter und Biologe Christian Wittker aus Biel. Seit dem Jahr 2016 engagiert er sich bei der Naturschule Seeland als Exkursionsleiter und im Vorstand. Am Einsatz beteiligten sich sowohl Erwachsene als auch Kinder ab dem achten Altersjahr. Wittker zeigte ihnen auf, wie Neophyten fachgerecht entfernt und entsorgt werden, wies aber auch auf die in der Umgebung lebenden Vögel hin.

Hans Peter Müller-Zuber aus Magglingen wiederum informierte über den Nutzen verschiedener invasiver Neophyten und Pflanzen, etwa als Nahrung oder als Heilmittel. Begleitet wurde der Arbeitseinsatz auch von Anna Schindler, Vorstandsmitglied der Naturschule Seeland.

Die Bekämpfung von Neophyten fand im Bereich der Hohfluh und entlang eines Wanderweges in Richtung Leubringen statt.

 

Nicht alle Neophyten invasiv

Als Neophyten gelten alle Pflanzen, die nach dem Jahr 1492 – der Entdeckung Amerikas – nach Europa kamen, meist aus anderen Kontinenten. Denn zu diesem Zeitpunkt begann die Menschheit in globalem Ausmass zu handeln und zu reisen. Von den Tausenden Neophyten seien aber nur wenige invasiv geworden, wie Christian Wittker erläutert. Im Gegenzug hätten andere Länder mit hiesigen Pflanzen dasselbe Problem. Ausserdem gebe es hierzulande auch einheimische Pflanzen, die massiv auftreten würden, sagte er.

Bei der Hohfluh entfernten die Teilnehmer einige dieser invasiven Neophyten. Bei dieser Gelegenheit wies Christian Wittker auf den aus Nordamerika stammenden Baum Douglasie (Pseudotsuga menziesii) hin, der in der Schweiz zwar nicht invasiv ist, aber weniger Insekten dient als ein einheimischer Baum. «Fremde Baumarten bringen den Wald nicht zum Sterben, aber sie können einheimische Arten verdrängen», sagte Wittker.

Zu den invasiv gewordenen Neophyten wiederum gehört unter anderen die kanadische Goldrute, die in der Schweiz zu einem grösseren Problem geworden ist und sich für die Fortpflanzung und Ernährung vieler Insekten ebenfalls nicht eignet. Es gebe zwar Insekten, die sich für jegliche Blüten interessieren würden, aber auch solche, die auf spezielle Pflanzenarten angewiesen seien. «Wo es viele Goldruten hat, gibt es beispielsweise kaum einheimische Schmetterlinge, weil sie sich auf ihr nicht vermehren können», sagte Christian Wittker.

 

Etliche vor Ort

Neben Goldruten (Solidago canadensis und gigantea) wurden beim Arbeitseinsatz auch einjähriges Berufkraut (Erigeron annuus) und Robinien (Robinia pseudoacacia oder falsche Akazie) entdeckt. Sie sind ebenfalls invasiv. In diesem Zusammenhang wurde der japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) erwähnt, der gemäss Wittker in dieser Gegend vorhanden ist, aber nicht gesichtet wurde. Hingegen entdeckt wurde das Jakobs-Greiskraut (Jacobaea vulgaris), das kein Neophyt ist, aber eine heimische Giftpflanze, die im Heu für die Wiederkäuer gefährlich ist.

Die am Einsatz teilnehmenden Evelyn Fallot und Miguel Martinez aus Biel, hatten ein besonders gutes Auge für invasive Pflanzen und konnten sogar teilweise über deren Auswirkung Auskunft erteilen. Martinez war es denn auch, der auf ein Waldstück mit noch nicht hochgewachsenen Sträuchern und Bäumen aufmerksam machte, bei dem Goldruten und Berufkraut in grossen Mengen wächst. Dort machten sich alle mit Handschuhen ausgerüstet an die Arbeit.

Wenn die Goldrute blüht, erstrahlt sie in leuchtendem Gelb. Die Blüte des einjährigen, in Nordamerika beheimateten Berufkrauts ähnelt optisch einer Kamille. Obwohl ungiftig, wird diese Pflanze vom Vieh gemieden. Weil sie zur jetzigen Jahreszeit noch nicht stark verwurzelt ist, liess sie sich beim Einsatz noch leicht aus dem Boden entfernen.

Um das Absamen ihrer Blütenknöllchen zu verhindern, wurden die vor dem Ausriss von der Pflanze entfernt und in Abfallsäcken entsorgt. Die dünnen Pflanzenstile wurden auf Gebüsche gelegt und darauf geachtet, dass die Wurzeln keinen Bodenkontakt hatten. Anderes Gewächs wiederum kam gleich in die Abfallsäcke. «Ausgerissene invasive Neophyten gehören nicht etwa in den Kompost, sondern müssen als Abfall entsorgt werden, damit sie sich nicht weiterverbreiten können», sagte Christian Wittker.

 

Die Vorzüge der Einwanderer

Hans Peter Müller-Zuber informierte über die Vorzüge der invasiven Neophyten und anderer Pflanzen. Er kam ins Schwärmen, als der japanische Staudenknöterich erwähnt wurde. Aus ihm liessen sich Tinkturen herstellen, die Rheuma, Gicht, Arthrose und Verdauungsprobleme linderten, sagte er.

Das Berufkraut wiederum wirke unterstützend bei Magenproblemen und Durchfall, die Goldrute bei Nieren und Blasenproblemen. Im Gegensatz zum Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), der sich in Magglingen ausgebreitet habe, seien die Blattstängel des Wiesen-Bärenklaus (Heracleum sphondylium) eine Delikatesse und liessen sich nach sachkundiger Vorbereitung wie Rhabarber verspeisen. Die Blüten als einziger nicht giftiger Teil der Robinie seien gar ein genüssliches Gedicht, sagte er.

Zwischen den Büschen machte sich immer wieder das Klettenlabkraut (Galium aparine) bemerkbar, das an Kleidern und in Haaren haften blieb. Dieses Kraut wurde zwar auch eingeschleppt, gehört aber nicht zu den invasiven Neophyten. Das Gewächs sei eine vielseitige Heilpflanze, die sich auch in der Küche einsetzen lasse, sagte Hans Peter Müller-Zuber.

Müller-Zuber kennt sich mit Pflanzen, Sträuchern und Bäumen aus und lebt von und mit der Natur. Er führt eine Praxis und bietet individuelle holistische Gesundheitsberatung an, löst Blockaden und Verspannungen und führt Fussreflexzonen- und Frequenztherapien durch. Zusammen mit seiner Frau Prisca erteilt er Kräuterkurse und betreibt in Magglingen einen Wildkräuter- und Gewürzgarten, aus dessen Pflanzen sich allerlei Essbares sowie auch unterstützende Mittel fürs Wohlbefinden herstellen lassen.

Drei Stunden dauerte der Arbeitseinsatz und endete mit einer Diskussion über die Erfahrungen. Christian Wittker wiederholte dabei sein Anliegen: invasive Neophyten während Wanderungen aus dem Boden entfernen und fachgerecht entsorgen.

Stichwörter: Pflanzen, Region, Botanik

Nachrichten zu Biel »