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Standpunkt

Warum es wichtig ist, wo Weidel wohnt

Am Wochenende weilte Alice Weidel nicht in Biel. Sie war an einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel. Die «AfD-Bürgerwehr» 
will dort «linksextremistische 
No-go-Areas» ausgemacht haben.

Alice Weidel (links). Keystone

Tobias Graden

Ob sich die Spitzenkandidatin in Kiel auch zu ihrem Wohnsitz äussern musste, ist nicht weiter bekannt. Auf ihrem Facebook-Profil gibt es jedoch bereits kritische Kommentare. Weidel wird gefragt, ob sie denn Steuern in Deutschland zahle, mithin: Ob sie Deutschland überhaupt liebe.

Das mag eine seltsame Fragestellung sein für hiesige Ohren. Aber an die Spitzenkandidatin einer Partei gerichtet, die in Deutschland «aufräumen» will, ist sie sehr legitim.

So ist es beispielsweise keineswegs Voyeurismus, wenn der Lebensstil und die Familienform von Alice Weidel thematisiert werden. Die Frau vertritt eine Partei, welche die traditionelle Familie als Leitbild sieht. Sie fordert «mehr Kinder statt Masseneinwanderung». In ihrem Grundsatzprogramm heisst es: «Staatliche Institutionen wie Krippen (…) greifen zu sehr in das Erziehungsrecht der Eltern ein.» Es heisst auch: «In der Familie sorgen Mutter und Vater in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder.» Dies sei die «natürliche Gemeinschaft» und damit «das Fundament unserer Gesellschaft».

Wenn Medien nun enthüllen, wie Weidel, ihre Partnerin und die Kinder in Biel leben, dann nicht, weil sie diese Lebensform verurteilen, im Gegenteil. Sondern weil Weidel privat das Gegenteil von dem macht, was sie politisch vertritt. Sind denn auch die anderen Punkte im AfD-Programm beliebig gültig oder nicht? Verfahren AfD-Spitzen nach dem Satz von Groucho Marx, der lautete: «Those are my principles, and if you don’t like them… well, I have others.» Es sind nicht die Schweizer Wählerinnen und Wähler, die das kümmern muss, sondern jene in Deutschland. Doch es brauchte die Schweizer Medien, um ihnen zu zeigen, welche Widersprüche sich die AfD-Spitzenfrau leistet. Und das zu Recht, immerhin wird die Politik des wichtigsten Landes Europas beeinflusst, sollte die AfD in Deutschland 
erstarken.

Ähnliches gilt für die Wohnsitzwahl überhaupt. Alice Weidel behauptet, ihr Hauptwohnsitz liege in Überlingen. Das darf zumindest bezweifelt werden. Wer würde schon seinen Hauptwohnsitz an einen Ort verlegen, wo Partnerin und Kinder nicht sind? Entweder vernachlässigt Weidel also ihre Familie – was wiederum im Widerspruch steht zu den Forderungen ihrer Partei –, oder sie sagt schlicht nicht die Wahrheit. Gegenüber der «NZZ am Sonntag» soll ein Mitarbeiter der Bieler Steuerbehörde zudem versichert haben, dass Weidel auch in Biel Steuern zahlt. Dies deutet darauf hin, dass die Stadt für sie wichtiger ist als ein blosser Zweitwohnsitz.

Manche Kritiker wenden nun ein, der Schweizer SP-Nationalrat Tim Guldimann lebe schliesslich auch in Berlin. Der Vergleich hinkt komplett. Bei Guldimann stimmen Leben und politische Haltung überein, er ist gerade darum gewählt worden, weil er sich als «Internationalrat» darstellt. Bei Alice Weidel ist es das Gegenteil: Leben und politische Haltung klaffen weit auseinander.

Um es noch einmal zu betonen: Es geht nicht darum, ein Familienglück zu stören. Es geht auch nicht um Weidels Partnerin und die Kinder – sie stehen nicht im öffentlichen Interesse, das BT nennt darum bewusst weder Namen noch Adresse. Und rein rechtlich ist, davon darf ausgegangen werden, ohnehin alles in Ordnung. Doch Alice Weidel ist Repräsentantin einer Partei, die damit punktet, tatsächliche oder vermeintliche Mauscheleien und Unaufrichtigkeiten im etablierten System zu bekämpfen. Sie selber hat am Wochenende gesagt, die Bundesregierung fahre «dieses Land in allen relevanten Politikfeldern an die Wand». Die Aufrichtigkeit, deren Mangel sie anderen vorwirft, darf, ja: muss von ihr erwartet werden. Darauf werden sie die deutschen Bürgerinnen und Bürger zu Recht behaften.

Alice Weidel selber schweigt bislang. Von allen möglichen Reaktionen ist dies die schlechteste. Ihre Wählerinnen und Wähler werden Aufklärung verlangen. Sie werden sie wohl eher früher als später bekommen – dank jenen Medien, welche die Widersprüche Weidels thematisieren.

Stichwörter: Standpunkt, Weidel, AfD

Kommentare

ligerius47

Wer zu diesem Thema wehn disqualifiziert bleibe dahin gestellt @a.p.christen. Tatsache ist, dass ein Bericht darüber warum die Bieler " Sozis " keine Parteiführung zustande bringen die BT Leser vemutlich mehr interessiert als der Wohnsitz und die Politische Gesinnung von A. Weidel. Hr.Tobias Graden ist gerade prädistiniert dazu über die Roten Genossen zu Berichten.


a.p.christen

Der Beitrag von Tobias Graden ist mehr als nur nötig. Er ruft Grundsätzliches in Erinnerung, das auch von vielen hier in der Schweiz gelebt und nicht nur lauthals und scheinheilig herausposaunt werden müsste. Die nächsten Wahlen lassen auch bei uns grüssen. Das Geschreibsel von huwuersten disqualifiziert ihn selbst.


huwuersten

Ein Stück Schmierenjournalismus oder investigativer Voyeurismus - oder umgekehrt Warum es wichtig ist, wo Frau Weidel wohnt, hat wohl nur damit zu tun, Graden für sein Geschreibsel zu legitimieren.( man gönnt sich ja sonst nichts, in biel) Es geht um ein deutsches Problem; also soll, wenn schon, die Suppe dort gekocht werden. Unsere Aufgabe ist das nicht Graden strahlt sehr viel Hass und Intoleranz aus aus, also werfe er ja nicht den ersten Stein. Immerhin beeilt er sich am Schluss, rasch noch die juristische Absicherung zu formulieren. Es ist nicht ganz einfach, sich an der deutschen Politik zu versuchen, warm anziehen ist angesagt. Zeigen Sie Lösungsansätze bei uns, die sozialistische Steuerung bzw. Bremse der letzten Jahrzehnte hat es nicht sehr weit gebracht ( z B Verkehr) Esgibt vor den eigenen Türen genug zu tun. Das, was hier geschrieben wurde ist wohl ziemlich ideologisch geprägt, unmenschlich, von hier aus äusserst unangebracht und somit etwas widerlich. So kann eine Zeitung tatsächlich nur dank ihrer lokalen Monopolstellung Bestand haben


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