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Abstimmung

Was bedeutet das Medienpaket für das Haus Gassmann?

Die Zeitungen profitieren, die Folgen für die elektronischen Medien sind noch schwer abschätzbar: Eine Einschätzung zur Medienförderung mit Eric Meizoz, CEO der Groupe Gassmann.

Symbolbild: Tanja Lander

Tobias Graden

Über sieben Jahre sollen die Medien in der Schweiz mit bis zu 151 Millionen Franken jährlich zusätzlich gefördert werden. Statt wie bisher 136 Millionen soll die Förderung zeitlich befristet insgesamt 287 Millionen Franken pro Jahr betragen. Bundesrat und eine Mehrheit der Bundesversammlung wollen damit die Funktion der Medien in der direkten Demokratie stützen. Sie erachten die Erhöhung als nötig, weil den klassischen Medien seit Jahren die Umsätze wegbrechen.

Das Komitee «Staatsmedien Nein» hat gegen das Gesetz das Referendum ergriffen, weswegen es nun am 13. Februar zur Abstimmung kommt. Angeführt wird das Referendumskomitee von Alt-FDP-Nationalrat und Medienunternehmer Peter Weigelt und vom ehemaligen «Weltwoche»-Journalisten Philipp Gut.

Von der Abstimmung ist auch das Medienhaus Gassmann mit seinen Zeitungstiteln «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura», dem Lokalradio «Canal 3», dem TV-Sender «Telebielingue» und dem Online-Auftritt betroffen. Um Transparenz zu schaffen, soll im Folgenden dargelegt werden, mit welchen Auswirkungen bei der Groupe Gassmann gerechnet wird.

 

70 Prozent weniger Werbung

Die Einnahmeneinbrüche bei den Zeitungen gründen auf zwei Hauptfaktoren: Einerseits sind die Auflagenzahlen der klassischen Printmedien seit 2009 klar gesunken, anderseits sind die Werbeeinnahmen deutlich zurückgegangen – im Gegenzug haben vor allem die neuen grossen internationalen Player wie Google oder Facebook profitiert. Von dieser Entwicklung blieben «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura» nicht verschont. In den letzten zehn Jahren haben sie nicht nur 70 Prozent der Werbeeinnahmen verloren, sondern auch etwa jährlich 3 Prozent an Abonnenten. Betrug im Jahr 2008 der Anteil der Werbung an den Einnahmen der beiden Zeitungen 60 Prozent (gegenüber 40 Prozent durch Abonnemente), so sank dieser bis ins Jahr 2020 auf 25 Prozent.

Für Eric Meizoz, den CEO der Groupe Gassmann, ist klar: «Die Werbeeinnahmen füttern uns nicht mehr.» Regionalzeitungen brauchten eine kritische Masse, denn der Anteil der – nicht beeinflussbaren – Fixkosten wie Druck, Verteilung, aber das Unterhalten einer Redaktion mit einer gewissen Grösse an den Gesamtkosten ist hoch.

 

Von 3 auf 9 Prozent

Das Medienpaket besteht aus mehreren Teilen. Für die Zeitungen der wichtigste Teil ist die Erhöhung des Bundesbeitrags an die Kosten der Zustellung durch die Post sowie ein neuer Beitrag an die Früh- und Sonntagszustellung. Statt bisher 30 Millionen will der Bund dafür insgesamt 90 Millionen Franken aufwenden. Diese Beiträge werden als «indirekte Medienförderung» bezeichnet: Das Geld geht nicht direkt an die Verlage, sondern an die Post und die Zustellorganisationen – was natürlich die Kosten der Zeitungsherausgeber mindert. Diese Förderung ist also eine Art Hilfskonstruktion, denn in der Schweiz gibt es keine Rechtsgrundlage für direkte Medienförderung. Eine solche war in der Vergangenheit nicht mehrheitsfähig.

Für «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura» betragen die Kosten für die Post- und Frühzustellung laut Eric Meizoz zusammen rund 3 Millionen Franken pro Jahr. Davon werden heute 850 000 Franken durch die Bundesgelder gedeckt. Eric Meizoz schätzt, dass dieser Betrag bei einem Ja am 13. Februar um etwa 1 Million Franken steigen würde. Statt 2,15 müsste die Groupe Gassmann also noch 1,15 Millionen Franken tragen.

«Grundsätzlich ist der Effekt aber schwierig abzuschätzen», betont Meizoz, «denn die genauen Konditionen sind noch nicht bekannt.» Grundsatz ist, dass dieser Teil der Förderung degressiv gestaltet sein soll: Je höher die Auflagen, desto geringer der Anteil an der Förderung. So soll sichergestellt werden, dass die Förderung vor allem den regionalen Titeln zugutekommt.

Was bedeutet dies für das Budget der Zeitungen insgesamt? Derzeit machen die 850 000 Franken Bundesgelder etwa 3 Prozent des Umsatzes von «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura» aus. Bei einem Ja am 13. Februar stiege dieser Anteil auf etwa 9 Prozent. Das bedeutet aber auch: «91 Prozent unseres Umsatzes müssten wir weiterhin selber erarbeiten», sagt CEO Meizoz.

Dass von den höheren Fördergeldern auch die Abonnentinnen und Abonnenten profitieren könnten, sei denkbar, so Meizoz: «Bei einem Ja werden wir die Abopreise analysieren. Es kann sein, dass sie etwas günstiger werden.» Auch ist denkbar, dass mehr Gebiete als heute von der Frühzustellung abgedeckt werden.

 

Beide Modelle weiterführen

In erster Linie aber soll die Erhöhung der Förderung den Printmedien etwas Raum verschaffen für die digitale Transformation, in der sie sich befinden. So ist es auch bei «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura»: «Aktuell investieren wir viel in unseren künftigen Online-Auftritt», sagt Eric Meizoz, «aber es dauert seine Zeit, bis neue Einnahmen diese Investitionen wieder einspielen werden.» Klar ist: Bis in sieben Jahren, auf welche die Erhöhung der Förderung befristet ist, muss auch die Groupe Gassmann ein tragfähiges Geschäftsmodell entwickelt haben.

Derzeit sind 95 Prozent der Abonnemente für «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura» klassische Print-Abonnemente. Nur 5 Prozent entfallen auf Online-Abonnemente. Geht es nach Eric Meizoz, so werden sich in fünf Jahren die Anteile schon gewichtig verschoben haben: «Unser Ziel ist es, dann 40 Prozent der Abos als Online-Abonnemente zu verkaufen.» Die jüngere Generation wächst mit Online-Medien auf, die ältere verlangt weiterhin nach Papier: «In der Transformationsphase müssen wir beide Modelle weiterführen.»

 

Geld für den Online-Auftritt

Ein weiterer Teil des Medienpakets ist die Förderung von Online-Medien. Diese gibt es bislang nicht, neu sind 30 Millionen jährlich dafür vorgesehen. Die Gelder sind an die Bedingung geknüpft, dass für das Online-Medium ein Abonnementsmodell gilt oder es sich durch Spenden finanziert. Wird das Medienpaket am 13. Februar angenommen, werden sich «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura» auch um diese Förderung bewerben. Was diese einbringt, ist aber noch schwer zu sagen. Wie bei der Zustellungsförderung ist auch dieses Instrument degressiv ausgestaltet. Eriz Meizoz schätzt, dass aus diesem Topf etwa 200 000 bis 250 000 Franken an die Groupe Gassmann gehen würden.

Für die Zeitungen und ihren Online-Auftritt bedeutet dies zusammengefasst: Statt 850 000 Franken wie bisher würden etwa 2 bis maximal 2,15 Millionen Franken vom Bund kommen. Und dies würde knapp 10 Prozent des Umsatzes ausmachen.

 

«Stochern im Nebel»

Deutlich schwieriger ist die Abschätzung der Auswirkungen bei den elektronischen Medien «Canal 3» und «Telebielingue». «Das ist Stochern im Nebel», kommentiert Eric Meizoz. Klar ist die vorgesehene Erhöhung an Beiträgen für Lokalradios und Regional-TV-Sender: Sie steigt von bisher 81 auf neu 109 Millionen Franken. Dieses Geld wird übrigens nicht dem Bundeshaushalt entnommen, sondern entstammt einem höheren Anteil an den SRG-Gebührengeldern.

Aktuell aber evaluiert das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) die Konzessionsvergabe für die Periode ab 2025. Es steht die Idee im Raum, ab dann mehr Sendern als heute eine Konzession mit Gebührenanteil zu erteilen – womit also die Subventionen auf mehr Akteure verteilt würden. Die bestehenden konzessionierten Stationen wie auch der Verband Telesuisse sprechen sich denn auch dagegen aus. Jedenfalls: «Noch ist es unmöglich, zu sagen, ob ‹Canal 3› und ‹Telebielinge› künftig mehr Subventionen erhalten werden oder gleich viel wie heute», sagt Eric Meizoz. Hinzu kommt: Aktuell gehen 60 Prozent der Konzessionsgelder an TV-, 40 Prozent an Radiostationen. Geht es nach dem Willen des Bakom, soll das Verhältnis künftig 50/50 sein. Es wäre also auch möglich, dass «Canal 3» etwas mehr Geld erhalten wird, «Telebielingue» dafür etwas weniger.

Die beiden Stationen finanzieren sich heute durch Konzessionsgelder und Werbeeinnahmen. Die Höhe der Konzessionsgelder ist auf der Website des Bakom öffentlich einsehbar. Sie betragen für «Telebielingue» 3,2 und für «Canal 3» rund 2 Millionen Franken jährlich. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass dieser Anteil 70 Prozent des Produktionsaufwandes nicht übersteigen darf – eine Regelung, die während der Coronakrise temporär aufgehoben worden ist.

 

Cortesi fordert auch Geld

Nicht nur im Referendumskomitee, auch auf dem Medienplatz Biel gibt es Gegner des Medienpakets. Mario Cortesi, Mitgründer der Gratiszeitung «Biel Bienne» (an der die Groupe Gassmann Anteile hält), spricht sich darin dezidiert für ein Nein am 13. Februar aus. Sein Hauptargument: «Die Hunderten von Gratiszeitungen, die allein von den schwindenden Inseraten und ohne Abo- und Kioskverkauf leben müssen, werden mit keinem Wort erwähnt.» Dabei steige die «gesellschaftliche Wichtigkeit der überall zugestellten regionalen Gratispresse», gerade wegen der sinkenden Auflagen den Abo-Zeitungen. Cortesi spricht sich aber nicht generell gegen Medienförderung aus: «Ich bin absolut für die Förderung der kleinen und auflageschwächeren Tageszeitungen wie ‹Bieler Tagblatt› und ‹Journal du Jura›», teilt er auf Anfrage mit. Bei der Erhöhung der Förderung hätte man denn auch in erster Linie diese berücksichtigen sollen, so Cortesi, «sicher nicht die einflussreichen Sonntagszeitungen und die grossen Auflagen».

Cortesi hatte Bundesrätin Simonetta Sommaruga vorgeschlagen, grössere Gratiszeitungen dann in die Förderung einzubeziehen, wenn diese die Vorgaben des Verbandes (hoher redaktioneller Anteil, Berufsjournalisten, Verteilung in der gesamten Region) erfüllen: «Aber sie wollte nichts wissen, wir bissen auf Beton.»

 

Die staatsbürgerliche Sicht

Auf die Tatsache, dass das Medienpaket ein Kompromiss ist, weist auch Gassmann-CEO Eric Meizoz hin. Er befürwortet die Vorlage aber nicht nur aus Eigeninteresse, sondern auch aus staatsbürgerlicher Sicht. «Die Medien der Groupe Gassmann werden auch bei einem Nein weiter existieren», sagt er, «aber die Gefahr besteht, dass weitere kleine Zeitungen eingehen werden.» «Bieler Tagblatt» und «Journal du Jura» hätten ohnehin die Aufgabe, neue Ressourcen zu finden. Und klar ist für ihn: «Im Falle eines Ja werden wir das zusätzliche Geld in unsere digitale Transformation investieren, um ein Geschäftsmodell und Inhalte zu besitzen, die den Bedürfnissen des Marktes und den Erwartungen unserer Kunde, entsprechen, seien es Leserinnen, Zuhörer oder Zuschauerinnen.»

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