- Dossier
Theo Martin, Leiter Newsdesk
Bereits am 11. März habe ich – damals auf Facebook – eine vorläufige Bilanz zu Corona gezogen. Prognosen wie Rezession, Digitalisierung sowie Überlebenssorgen von Firmen, Vereinen und Kultur haben sich bewahrheitet. Andere Bereiche wie der Druck auf die Renten, der sich verzögernde Aufschwung von Wirtschaft und Börsen sowie die Verteuerung von Freizeitaktivitäten sind noch nicht bewiesen. Und die verstärkte internationale Zusammenarbeit wird wohl Wunschtraum bleiben.
Wie die Welt nach Corona aussehen wird, ist offen. Aber es gibt Tendenzen – vor allem, weil die Pandemie keine kurzfristige Angelegenheit ist. Bereits reden Experten davon, dass die Normalität frühestens in 15 Monaten zurückkehren wird. Das bedeutet, dass die Zuverlässigkeit zunehmen, unser Radius kleiner und das Image der Wirtschaft besser werden muss.
Wir werden autarker. Jahrelang wurde uns eingeredet, dass Warenlager böse sind (Apple-Chef Tim Cook). Doch Just-in-Time-Lieferungen funktionieren bei kritischen Komponenten nicht. Zuverlässigkeit wird deshalb wichtiger, Vorsorgelager werden nicht mehr belächelt und wir lernen den Umgang mit Lieferausfällen.
Unser Radius wird kleiner, weil sich der Tourismus in die Region verlagert. Gutes Essen, Gastfreundschaft und Geselligkeit sind wichtiger als lange Flugreisen. Grossevents werden noch sehr lange ausfallen. Möglicherweise wird es keine Fussballspiele oder Konzerte mit Zuschauermassen geben, bis ein Impfstoff vorliegt. Selbst Grossraumbüros verlieren ihren Reiz. Das Gesundheitsrisiko ist zu gross.
Die Bedeutung der Wirtschaft nimmt zu. Existenzängste lähmen die einen, der Nachholbedarf beflügelt die anderen. Die Krise wird dem Homeoffice zum Durchbruch verhelfen. Damit dürfte sich die Teilzeitarbeit vermehrt durchsetzen. Es wird aber Jahre dauern, bis sich die Wirtschaft erholt hat.
Das alles zeigt: Die Welt wird zwar «selbstverantwortlicher, digitaler, flexibler», wie die «Bilanz» schreibt. Aber es wird nicht allen gleich ergehen. Die Corona-Pandemie produziert Sieger und Verlierer.