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Biel

Was Eiweisse mit Eigenständigkeit zu tun haben

Elisabeth Neuenschwander ist seit 17 Jahren Ernährungsberaterin beim Spitalzentrum Biel.Die 39-Jährige sagt, welcher Nährstoff älteren Menschen oft fehlt, und sie verrät ihr Lieblingsessen.

Elisabeth Neuenschwander aus Bern kocht und isst gerne.Bild: Barbara Héritier
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Aufgezeichnet: Sarah Grandjean
 
Ursprünglich bin ich Köchin, ich war früher in der gediegenen Küche tätig. Im Gasthof zum goldenen Löwen in Langnau habe ich die Lehre gemacht, dann war ich in Saas-Fee in einem Fünfsternehotel. Drei Jahre habe ich mit dem Spitzenkoch Werner Rothen zusammengearbeitet. Das fand ich zwar cool, aber Gastronomie auf diesem Niveau ist streng, nicht befriedigend bezahlt und man lebt an Freunden und Familie vorbei.
 
Also habe ich mich entschieden, die Ausbildung zur Ernährungsberaterin zu machen. Am Anfang hat mir der Beruf nicht besonders gefallen. Ich kam aus einem praktischen Bereich, vom Arbeiten mit den Händen, in einen theoretischen. Ich weiss noch, als wir Biochemie hatten – das war nicht mein Ding. Ich wollte oft aufhören. Aber Berufsschulkolleginnen haben mich davon überzeugt, dranzubleiben. Als ich mein drittes Praktikum gemacht habe, habe ich gemerkt, dass ich mit den Patienten etwas erreichen kann. Das hat mir gutgetan. Ab dem Moment, da ich gemerkt habe, dass die Ernährungsberatung wahrgenommen wird und einen Stellenwert hat, hat mir die Arbeit Freude bereitet.
 
Heute bin ich stellvertretende Leiterin der Ernährungsberatung am Spitalzentrum Biel. Wir sind aufgeteilt in einen ambulanten und einen stationären Bereich. Ich arbeite hauptsächlich im stationären. Dort ist es so, dass die Ärztinnen standardmässig die Ernährung der Patienten überprüfen. Ist diese nicht ausgewogen genug, kommt die Ernährungsberaterin vorbei. Manchmal wissen die Patientinnen nicht, warum ich zu ihnen komme, weil ihnen ihre Ernährung nicht problematisch erscheint. Dann erkläre ich die Vorteile meiner Beratung und was ihr Gewinn sein kann. Wer mangelernährt ist, hat ein erhöhtes Krankheits- und Sterberisiko. Wer sich hingegen gut ernährt, hat bessere Chancen, länger selbstständig bleiben zu können. Ob die Patienten unsere Unterstützung wollen oder nicht, entscheiden sie selbst. Für manche ist ein Spitalaufenthalt nicht der Moment, um über ihre Ernährung zu reden.
 
Unser Ziel ist es, eine bedarfsdeckende Ernährung zu erreichen. Im Spital passen wir Mahlzeiten an und arbeiten manchmal mit künstlicher Ernährung. Das grösste Problem ist meist, dass den Patientinnen Kalorien und Proteine fehlen. Proteine, also Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Hülsenfrüchte und so weiter, sind gerade bei älteren Menschen immer ein Thema. Im Alter ist es schwierig, die Muskeln zu erhalten, deshalb sind Proteine wichtig. Das ist vielen nicht bewusst. Aber auch Gemüse und Salat kommen oft zu kurz. 
Mir ist es wichtig, dass wir mit den Patienten nicht nur die Zeit im Spital anschauen. Sondern auch, was vorher war und was nachher kommt. Wenn etwa die Ursache für eine Mangelernährung war, dass jemand nicht mehr selbst kochen kann, kann man zum Beispiel einen Mahlzeitendienst organisieren.
 
Manchmal treffe ich Patientinnen nur zu einem Austrittsgespräch, manchmal begleite ich sie wochen- oder monatelang. Da entwickelt sich dann schon eine Beziehung. In meinem Büro hängt ein Plakat, das ich von einer Patientin bekommen habe. Darauf steht: «Frau Neuenschwander, Sie machen einen super Job». Solche Dinge motivieren mich sehr. Für mich ist es bereichernd, einem Menschen etwas mitgeben zu können, das ihm guttut.
 
Es ist aber auch ein anspruchsvoller Job, man arbeitet schliesslich mit kranken Menschen. Auch der Zeitdruck ist gross. Das Spital ist gut ausgelastet, somit ist auch in der Ernährungsberatung viel los. Bevor ich aber wegen der vielen Arbeit anfange zu jammern, sage ich mir: Genau das wollten wir ja. Dass man merkt, was wir bewirken können, und dass wir zu Therapien beigezogen werden. Im Spitalzentrum arbeiten wir mit Ärztinnen, Pflegefachpersonen, Logopäden sowie mit der Gastronomie zusammen, was ich sehr schätze.
 
Sowieso kann man heutzutage nicht darauf warten, dass der Alltag ruhiger wird. Man muss ihn so organisieren, dass er gut zu bewältigen ist und man am Abend noch etwas Energie übrig hat. Ich nehme die Arbeit selten mit nach Hause und kann mich gut abgrenzen. Nur bei jungen Patienten, die noch das ganze Leben vor sich hätten, fällt es mir manchmal schwer. 
 
Wenn ich mit Freunden esse und sie wissen, dass ich Ernährungsberaterin bin, sind sie manchmal ganz verkrampft. Mir tut es leid, wenn dann jemand beginnt, sich zu rechtfertigen. Hin und wieder stellt auch jemand eine Frage, die sie schon lange beschäftigt hat. Wenn das zu einer lebhaften Diskussion führt, ist es okay. Wenn aber jemand eine richtige Ernährungsberatung haben will, muss ich mich distanzieren.
 
Ich persönlich finde es wichtig, dass man darauf achtet, woher die Produkte kommen, die man konsumiert, und wie viel man davon isst. Das dünkt mich relevanter, als ob man sich vegan oder vegetarisch ernährt oder, so wie ich, alles isst. Ich kaufe vor allem saisonale und Schweizer Produkte.
 
Ich finde, Essen sollte nicht nur ausgewogen und bedarfsdeckend sein. Die Menschen sollen Freude daran haben. Ich selbst esse und koche sehr gerne. Im Frühling, als die Restaurants geschlossen waren, habe ich viele Gäste bewirtet. Ich bin bekannt für schön angerichtete Mehrgangmenüs und man munkelt, ich mache die beste Lasagne der Welt. Orangen-Parfait gehört auch zu meinen Spezialitäten. Meine Lieblingsessen sind Lasagne, Schmorgerichte und Kuchen.
 
Stichwörter: Essen, Trinken, Biel, Mein Montag

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