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Jahresrückblick des HIV

Was für die Berufsbildung wichtig ist

Die Berufsbildung in der Schweiz gilt als Erfolgsmodell und geniesst weltweit einen hervorragenden Ruf.

Erfolgreicher Lehrling: Der Bieler Florian Baumgartner hat als angehender Elektroniker an den Swissskills den zweiten Platz erreicht. Bild: Matthias Käser
  • Dossier

An den Worldskills 2017 in Abu Dhabi erreichte das Schweizer Team hinter China den zweiten Rang in der Gesamtwertung. Unser Swissskills-Team hat damit das beste Resultat erreicht, seit die Schweiz an Berufsweltmeisterschaften teilnimmt: elfmal Gold, sechsmal Silber, dreimal Bronze sowie 13 Diplome. Das ist eine Leistung, auf die wir in der Schweiz stolz sein können.

Die berufliche Grundbildung und im Besonderen die «duale Berufsbildung» gelten als idealer Weg für Jugendliche, die sich berufs- und praxisnah für den Arbeitsmarkt qualifizieren möchten. Das schweizerische Berufsbildungssystem bietet nicht nur eine Vielzahl beruflicher Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten, es ist auch verantwortlich für tiefe Jugendarbeitslosigkeit, ja sogar für wirtschaftliche Prosperität und Wettbewerbsfähigkeit. Die Berufsbildung ist keineswegs eine Sackgasse für diejenigen, die Weiterbildung anstreben. Ganz im Gegenteil, der Zugang zur höheren Bildung ist in unserem Bildungssystem jederzeit gewährleistet, unter dem Motto «Kein Abschluss ohne Anschluss».

Gleichzeitig erhält die Berufsausbildung in der Öffentlichkeit hierzulande nicht die Anerkennung und Wertschätzung, die sie eigentlich verdient hat. Gerade Personen mit Migrationshintergrund haben teilweise ein komplett falsches Bild der hiesigen Berufsbildung – ein Eindruck, den sie aus ihrem Herkunftsland mitnehmen. Andererseits sind es oft auch die Eltern selbst, die den Stellenwert der Berufsbildung massiv verkennen und das Potenzial und die Möglichkeiten unseres dualen Bildungssystems unterschätzen. Hier sind die Wirtschaft, die Politik und die Berufsverbände gleichermassen gefordert, mit gezielten Massnahmen das Image der Berufsbildung nachhaltig zu verbessern.

Allerdings ist die Berufsbildung zurzeit mehrfach herausgefordert. Sei es etwa durch demografische Trends, durch Veränderungen am Arbeitsmarkt, durch eine veränderte Wirtschafts- und Arbeitswelt und nicht zuletzt durch die Digitalisierung, welche die Berufsbilder verändert. Ohnehin wird von der Berufsbildung erwartet, dass sie sich ständig wandelt und der Wirtschaft anpasst.

Ich möchte hierzu auf einige wichtige Herausforderungen eingehen, die anzupacken sind, damit Wirtschaft und Berufsbildung weiterhin den von ihnen erwarteten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beitrag leisten können.

• Lehrlingsmangel: Viele Lehrbetriebe bekunden immer mehr Mühe, die nötige Anzahl geeigneter Schülerinnen und Schüler für die Besetzung ihrer Lehrstellen zu finden. Nebst der soziodemografischen Entwicklung stellt man fest, dass Schulabgänger, die eine handwerkliche- oder technische Berufslehre in Betracht ziehen, in den Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) oftmals nicht das nötige Rüstzeug mitbringen. Hieraus entsteht der Eindruck, dass begabte Jugendliche oft den akademischen Weg suchen oder ihre Berufung bei den Fachmittelschulen sehen. Hier muss unbedingt der Hebel angesetzt werden. So muss der neue Lehrplan 21 gewährleisten, dass bis zum letzten Tag der Grundschule neben Mathematik und Sprachen auch bewährte Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Zuverlässigkeit, Lern- und Teamfähigkeit sowie vernetztes Denken vermittelt werden. Mit dem Ziel, dass einerseits Schulabgänger für die Berufsbildung besser gerüstet sind, und andererseits die viel zu hohe Zahl der Lehrabbrüche reduziert werden kann. Es ist deshalb gut zu wissen, dass der Lehrplan 21 ab dem Schuljahr 2018 mehr Lektionen für die Wissens- und Kompetenzvermittlung vorsieht.

• Anforderungen an die Wirtschaft und Lehrbetriebe: Die Berufsverbände und Unternehmungen sind mehr als gefordert. Es wird immer schwieriger, geeigneten Nachwuchs zu rekrutieren. So herrscht heutzutage nicht nur Fachkräftemangel, sondern es ist seit einigen Jahren ein regelrechter Krieg um die Begabten entstanden. Immer mehr Branchen und Lehrbetriebe buhlen um die wenigen Talente. Die Ausbildungsbereitschaft der Wirtschaft ist durchaus vorhanden. Die Forderung nach qualitativ guten Lehrbetrieben muss demnach gewährleistet sein. Unternehmen, die Lernende als billige Arbeitskräfte einsetzen, sind definitiv nicht mehr angesagt.

Viele Betriebe und Branchen haben diesbezüglich bereits reagiert und diverse Massnahmen getroffen. So werden die verschiedenen Berufsbilder heute nicht nur mit moderneren Bezeichnungen ausgestattet, sondern auch viel attraktiver am Markt präsentiert. Weiter wird das Potenzial der jungen Frauen auch für handwerkliche und technische Berufe erkannt und in der Kommunikation direkt angesprochen. Zu beachten ist auch das Potenzial der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Persönlich bin ich der Überzeugung, dass es für unsere Region und für unser Land zum Wettbewerbsvorteil beiträgt, wenn es uns gelingt, die Diversität und Vielfalt, die durch ihre Herkunft, ihre Tradition und ihre Erfahrung hervorgerufen wird, durch geeignete Bildungsprogramme und Stützkurse zu kanalisieren.

• Rolle der Eltern: Erfahrungsgemäss nehmen die Eltern neben dem Lehrpersonal die wichtigste Rolle bei der Wahl der Ausbildung ein. Das vielschichtige Bildungsangebot sowie die Vielfalt an Berufsbildungsmöglichkeiten überfordert die jungen Leute zumeist. Es braucht sensibilisierte Lehrkräfte und besonders willige Eltern, welche die Jugendlichen bei der Suche nach einer geeigneten Ausbildung unterstützen und später während der Erstausbildung auch aktiv begleiten. Dieser Verantwortung sind sich leider viele Eltern gar nicht bewusst.

• Berufsbildung Seeland-Biel/ Bienne: Die Region Biel-Seeland ist bezüglich Entwicklung als Berufsschulstandort gegenüber anderen Regionen im Kanton Bern benachteiligt. Es wurden bereits wichtige Berufsbildungsangebote in der Region abgebaut oder drohen abgebaut zu werden. Eine strategische Begleitgruppe unter der Leitung des Vereins Seeland.biel/bienne und Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Politik und den umliegenden Berufsbildungszentren ist aktuell damit beschäftigt, geeignete kurz- und mittelfristige Strategien und Massnahmen mit dem Ziel zu entwickeln, den Berufsbildungsstandort Seeland-Biel/Bienne nachhaltig zu stärken.

Info: Hans-Ruedi Minder ist Vize-Präsident des Handels- und Industrievereins Sektion Biel-Seeland und Unternehmer (Fischer Electric AG, Orpund). In einem fünfteiligen Rückblick beleuchten Mitglieder des Handels- und Industrieverein des Kantons Bern, Sektionen Biel-Seeland und Lyss-Aarberg, das abgelaufene Jahr.

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