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Biel

«Was wir machen, ist Schadensminderung»

Die Stiftung Contact hat in Biel dieses Jahr drei Gründe zum Feiern: 40 Jahre Gassenarbeit, 20 Jahre Anlaufstelle sowie 15 Jahre Arbeitsangebot. Dank ihren Angeboten gibt es in der Stadt keine offene Drogenszene mehr.

Rahel Gall hat als Geschäftsleiterin die Gesamtverantwortung für die diversen Tätigkeiten von Contact. Bild: Yann Staffelbach

Beat Kuhn

Gestern Nachmittag hat die Stiftung Contact Vertreterinnen und Vertreter von Behörden und Partnerinstitutionen zu einem Apéro in ihren Räumlichkeiten an der Alfred-Aebi-Strasse 82 in Biel eingeladen. Dort sind zwei ihrer Tätigkeitsbereiche domiziliert – ihre Geschäftsstelle hat die Suchthilfe-Organisation in Bern. Gefeiert wurden «75 Jahre Suchthilfe und Schadensminderung». Damit war die Summe aus den 40 Jahren Gassenarbeit, 20 Jahren Anlaufstelle sowie 15 Jahren Arbeitsangebot gemeint, die heute unter dem Dach von Contact vereint sind, zunächst aber separat gelaufen sind.

Gemeinderat Beat Feurer (SVP), Direktor Soziales und Sicherheit, erinnerte in seiner Kurzansprache an die offene Drogenszene, die es in der Stadt gegeben habe, als er jung gewesen sei. Dank der Arbeit von Contact gebe es diese nicht mehr. «Heute gehen wir mit den Suchtbetroffenen sehr differenziert um, je nach individueller Situation.» Auch Rahel Gall, Geschäftsleiterin von Contact, warf einen Blick zurück: «Früher war eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialarbeitenden undenkbar – heute ist sie selbstverständlich.» Die verschiedenen Angebote, welche die Organisation in Biel hat, fasste sie mit den Worten zusammen: «Was wir machen, ist Schadensminderung.»

Ein einziger Gassenarbeiter

Im Mai 1981 nahm ein Gassenarbeiter mit einem 100-Prozent-Pensum beim Verein Drop-In seine Arbeit auf. Anfang 1985 wurde die Stelle von der kantonalen Fürsorgedirektion definitiv bewilligt und so zu einem festen Angebot der Drogenberatungsstelle Biel. Diese wurde 1999 ein Teil der im ganzen Kanton Bern tätigen Stiftung Contact-Netz, die seit Oktober 2016 Contact heisst.

Das heutige Angebot von Contact Mobil, wie der Bereich der aufsuchenden Sozialarbeit heute heisst, richtet sich vorwiegend an Erwachsene, «deren Aufenthaltsort oder Lebensmittelpunkt sich im öffentlichen Raum befindet», wie es Bereichsleiterin Karin Würsch am gestrigen Anlass formulierte. Im Zentrum dieser Arbeit stehen suchtgefährdete und substanzabhängige Menschen. Bei Konflikten und anderen Fragen werden alle involvierten Akteure, wie Behörden, Nachbarschaft und Randständige, in den Lösungsprozess eingebunden.

Im Rahmen des sogenannten Entlastungspaketes hat der Gros-se Rat Ende 2017 entschieden, die Angebote von Contact Mobil ab 2019 nicht mehr zu finanzieren. Es sind jedoch verschiedene Gemeinden in die Bresche gesprungen und haben sich bereit erklärt, einen Teil der Kosten zu übernehmen, um das Angebot von Contact Mobil weiterhin nutzen zu können. Neben Biel waren dies Burgdorf, Langenthal, Lyss und Interlaken.

Cactus und Yucca gescheitert

Unter dem Namen Cactus wurde 2001 die erste Anlaufstelle in Biel gegründet. Gleichzeitig öffnete im gleichen Gebäude an der Gerbergasse das Sozialbistro Yucca – auch «Gärbi» genannt – seine Tore, das als Aufenthaltsort für die Klientinnen und Klienten diente. 2010 wurde die Situation rund um Yucca und Cactus zunehmend schwieriger und konn-te auch durch die damals getroffenen Massnahmen nicht entspannt werden.

2011 musste das Yucca wegen finanziellen Schwierigkeiten geschlossen werden. Da der Standort längerfristig auch für eine Anlaufstelle nicht geeignet war, musste sich das Cactus nach einer neuen Lokalität umsehen. Die Stadt Biel unterstützte diese Suche, und 2014 wurde der heutige Standort an der Murtenstrasse 68 gefunden.

Hier bietet der Bereich Contact Anlaufstelle suchtmittelabhängigen Menschen leicht zugängliche Hilfe und einen Raum für soziale Kontakte. Diese erhalten eine niederschwellige Beratung und Begleitung sowie eine medizinische Erstversorgung. Auch kann gebrauchtes Spritzenmaterial gegen saubere Spritzen und Nadeln getauscht werden. Weiter bietet die Anlaufstelle Räume, in denen die Klientinnen und Klienten ihre selbst mitgebrachten Substanzen in einer sauberen und sicheren Umgebung konsumieren können. Neben der Verbesserung ihrer Gesundheit führt dies auch zu einer Entlastung des öffentlichen Raums. «Auch darum ist das anfänglich umstrittene Angebot heute nicht mehr wegzudenken und ein zentrales Element der Suchthilfe in der Stadt und Region Biel», heisst es dazu in der Medienmitteilung zum Jubiläum.

Arbeit als Tagesstruktur

Im Jahr 2006 hat das niederschwellige Arbeitsangebot Djamba mit Reinigungsarbeiten in den Gassen und weiteren kleineren Aufträgen seinen Dienst aufgenommen. In den folgenden Jahren arbeitete es mit einer Institution zusammen, die Arbeitsplätze beispielsweise in der Aufbereitung von Geräten anbot, sowie mit einer Einrichtung, bei der Tätigkeiten in einer Velowerkstatt sowie in der Garten- und Umgebungspflege möglich waren. Parallel zur Angliederung an Contact im Jahr 2016 hat der Betrieb den neuen Standort an der Alfred-Aebi-Strasse 82 bezogen.

Contact Arbeit ist ein Taglohnangebot, das sich an Personen richtet, «die suchtmittelabhängig sind oder einen problematischen Konsum aufweisen», so das Communiqué. Dank produktiver Tätigkeit und Tagesstruktur können diese ihre Lebenssituation stabilisieren und ihre soziale Integration verbessern. Abwechslungsreiche Tätigkeiten stehen zur Wahl: Maler-, Bau- und Renovationsarbeiten, Räumungs-, Umzugs- und Reinigungsarbeiten, Garten- und Umgebungsarbeiten sowie Abpack- und Versandarbeiten. Das Team wird von erfahrenen Fachkräften geführt, die auf professionelles und sorgfältiges Arbeiten bedacht sind. Dabei werden die Klientinnen und Klienten gemäss ihren Fähigkeiten begleitet.

 

 

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Einige Kennzahlen von Contact in Biel 2020

Contact Mobil: 
diverse Standorte in der Stadt, Anzahl betreute Klienten: 169

Contact Anlaufstelle: 
Murtenstrasse 68, 
Anzahl Klienten: 280

Contact Arbeit:

Alfred-Aebi-Strasse 82,

  • Anzahl Klienten: 45
  • Anzahl täglich belegte 
Arbeitsplätze durch Klienten 
(Jahresdurchschnitt): 11
  • Anzahl geleistete 
Arbeitsstunden durch Klienten: 13 353

Contact Nightlife:

  • Seit rund einem Jahr können 
Erwachsene psychoaktive Substanzen (seit Anfang September neu auch Cannabis) vor dem Konsum anonym und kostenlos testen lassen (jeden Dienstag von 18 bis 20 Uhr). 
Das DIB (Drug-Checking, Infos und Beratung) hilft Überdosierungen zu verhindern und Risiken von gefährlichem Mischkonsum bekanntzumachen.
  • Alfred-Aebi-Strasse 82, 
Anzahl Proben beim Drug-
Checking: 54 (Mitte Oktober 2020 bis Mitte April 2021). bk
Stichwörter: Contact, Sozialarbeit, Biel, Angebot

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