Sie sind hier

Biel

Wegen Erich Hess gab es in Biel 60 Prozent weniger Einbürgerungen. Wirklich?

SVP-Grossrat Erich Hess schreibt auf seinem Facebook-Profil, dass es dank seiner Initiative in Biel 60 Prozent weniger Einbürgerungen gab. Was ist dran an dieser Aussage? Wir klären auf:

Erich Hess. keystone

„Dank meiner Einbürgerungsinitiative gab es in Biel 60% weniger Einbürgerungen!“ Diesen Satz kombiniert mit einem Bild der Abstimmungskampagne zu „Keine Einbürgerung von Kriminellen und Sozialhilfeempfängern“ postete der Berner Grossrat Erich Hess (SVP) gestern Sonntag auf seinem Facebook-Profil.



Über 40 „Likes“ hat der Politiker dafür geerntet und in den Kommentarspalten gibt es Lob wie zum Beispiel: „Ist in allen Kantone solche Initiative nötig, dringend NÖTIG!!“ Aber auch die ablehnende Haltung wird zum Ausdruck gebracht, wie in diesem Kommentar: „Mich machen solche Posts traurig und ich könnte heulen, dass ihr das Elend und Unglück schwächer Menschen für Eure Profilierungs- und Machtsucht missbraucht.“

Und es gibt einen Kommentar, der Erich Hess vorwirft, schlichtweg falsche Aussagen zu machen. Verfasserin ist die Bieler Stadträtin Lena Frank (Grüne). Sie schreibt: „Zu dieser Senkung führte nicht die Initiative sondern, dass es zu einem Stau der Einbürgerungsdossiers kam.“ Unter dem Titel „Erich Hess widert uns an“ meldet sich am Montagabend die Juso Bielingue zu Wort. Sie schreibt: „Dabei wirft Hess alle Ausländer in einen Topf und vergisst ausserdem, dass die Einbürgerungen vor allem aufgrund eines Dossierstaus nicht bearbeitet wurden, nicht „Dank“ seiner Initiative.“

Doch welche Seite hat nun Recht? Wir klären auf.

Beginnen wir mit der Zahl von 60 Prozent. Ob diese stimmt oder nicht, kann schlichtweg noch nicht gesagt werden. Denn es gibt noch gar keine Vergleichszahlen. Der Bieler Gemeinderat hat 2014 gar keine Ausländer eingebürgert. Lange war unklar, wie die Einbürgerungsinitiative der Jungen SVP umgesetzt wird, die das Stimmvolk des Kantons Bern Ende 2013 angenommen hat. Viele Gesuche wurden deshalb sistiert.

Aber das ist nicht der einzige Grund: Biel hat als einzige Gemeinde des Kantons beschlossen, die Einbürgerungstests selbst durchzuführen, anstatt eine Schule damit zu beauftragen. Bis Mitte 2014 konnten Ausländer in Biel den obligatorischen Test darum gar nicht absolvieren.

Aus diesen Gründen sind die Einbürgerungen seit Annahme der Initiative zwar drastisch zurückgegangen, doch für 2015 rechnet die Stadt Biel mit deutlich mehr Einbürgerungen als in den Vorjahren. Auf die Senkung folgt also prompt der Anstieg. Erst, wenn sich das neue Verfahren eingependelt hat, wird ein Vergleich mit den Vorjahren möglich.

Doch es stimmt auch nicht, wenn man sagt, die Initiative habe keinen Einfluss auf die Anzahl Einbürgerungen. Die Bedingungen haben sich verschärft. So ist schon heute klar, dass manche Ausländer, die 2013 noch alle Bedingungen erfüllt hatten, nach Annahme der Initiative mit ihrem Antrag nicht mehr durchkamen. Häufigstes Beispiel sind Ausländer, die keinen C-Ausweis haben. Dieser ist seither Voraussetzung für den Schweizer Pass, vorher reichte ein B-Ausweis. In Biel werden aufgrund dieser Änderung die Verfahren von 40 bis 50 Personen eingestellt.

Auch Monia Abersold, Leiterin Beratung beim Bieler Verein Multimondo, sagte letzte Woche gegenüber dem BT, dass die Zahl der Einbürgerungsgesuche in Zukunft zurückgehen werde. «Die Hürden sind massiv gestiegen.» Anerkannte Flüchtlinge zum Beispiel hätten kaum eine Chance, Schweizer zu werden. Denn die meisten haben während des Asylverfahrens Asylsozialhilfe bezogen. «Dieses Geld müssten sie zuerst zurückbezahlen», sagt Aebersold. «Da viele von ihnen im Tieflohnsegment arbeiten, ist das fast unmöglich.» jl/pam

Die umfassende Recherche zu den Einbürgerungsgesuchen in Biel lesen Sie mit dem BT-Abo in diesem Artikel.
 

Kommentare

Biennensis

Biel im Wandel der Zeit: Von der Zukunftsstadt in nur 45 Jahren zur sozialen „Hängematte“. Wenn ich aus einem sozialen Sicherheitsnetz eine Hängematte mache, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn sich die Leute hineinlegen. Hilfe die nur versorgt, motiviert überhaupt nicht, die eigenen Lebensumstände zu verändern! Warum also bei Multimondo was ändern, wenn ihre "Kundschaft" liegt so "nah"…


Gulliver

@Beckustator: Absolut deiner Meinung. Das rote Bieler Tagblatt darf natürlich nie mal was positives über die SVP schreiben. Merci Erich!!!


Custos

Ich bin froh, dass es einen Erich Hess gibt, denn das Boot ist über voll. Wenn nicht jetzt gehandelt wird, handeln dann die Eingebürgerten. Gruss aus Grasse Boulle


beckustator

Bin ich froh über die Titelwahl... "Wegen" passt definitiv besser als "dank"


Nachrichten zu Biel »