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„Krawattenzwang“

Wenn 1940-Geborene den 20. Geburtstag feiern

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, Chefredaktor „Bieler Tagblatt“, wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Wenn 1940-Geborene den 20. Geburtstag feiern.

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Margrit und Ernst werden am Samstag 20 Jahre alt. Jahrgang 1940. Wie das? Es ist Schaltjahr, Margrit und Ernst wurden am 29. Februar geboren und konnten ihren richtigen Geburtstag nur alle vier Jahre feiern. In diesem Jahr ist dies wieder einmal aktuell. Was als Kind zu Tränen führte («alle andern dürfen jährlich, nur ich nicht»), ist heute einen kleinen Scherz wert. Eben die Betonung des 20. Geburtstages. Trotzdem ist keine ausufernde Jugendparty angesagt. Gefeiert wird dennoch stilgerecht – der Seltenheitswert macht den «echten» Geburtstag immer ganz speziell. Irgendwann zählt das Besondere mehr als die Häufigkeit.

Geburtstage sind immer wieder Jubeltage – und doch fassen nicht alle das Älterwerden gleich auf. Die Kinder können den eigenen Festtag jeweils kaum erwarten und freuen sich weit im Voraus. Dann endlich wird man ja schliesslich auch ein Jahr älter. Es fällt nämlich auf, dass bei Kindern die Altersangabe stark mit dem eigentlichen Geburtstag zusammenhängt. Noch einen Tag vor dem zehnten Geburi betont das Gegenüber, neun Jahre alt zu sein.

Sind in den ersten zwei Jahrzehnten altersmässig «wichtige» und manchmal kaum zu erwartende Hürden, die man nehmen will (zum Beispiel Traktor- oder Töfflifahren mit 14, Autofahren mit 18, Volljährigkeit mit 18, Rekrutenschule mit 20, freier Eintritt in allen Lokalen mit 21), nimmt die Bedeutung der Jahrzahlen auf dem Buckel zunehmend ab. Einige leiden gar unter der Tatsache, die runden Geburtstage mit 30, 40 oder 50 Jahren zu feiern. Die Wechsel in ein neues Lebensjahrzehnt werden deshalb unterschiedlich kommuniziert und gefeiert.

Persönlich hatte und habe ich keine Mühe mit dem Älterwerden – im Gegenteil: Jedes Alter hat seine Reize. Entsprechend bietet jedes Jahrzehnt neue/andere Erfahrungen und Herausforderungen. Es war spannend, 20 zu sein. Das müsste aber heute nicht mehr sein. An alle, die sich schwertun: Älterwerden tut nicht weh und ist spannend. Wehren dagegen kann man sich ohnehin nicht, also weshalb Energie in die künstliche Verjüngung verschwenden?

Margrit und Ernst sind zufriedene 80-Jährige. Irgendwann galt es, den Schritt aus der Erwerbstätigkeit zu meistern. Die Zeit nach 65, die dritte Lebensphase, ist für beide ein Genuss und soll – solange die Gesundheit mitspielt – noch lange dauern. An dieser Stelle also ihnen beiden und allen andern Schaltjahr-Geborenen am Samstag herzliche Gratulation und einen schönen Jubeltag.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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