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Biel

Wenn sich das Servicepersonal zur Begrüssung entschuldigt

Gross angelegte Kontrollen durch die Behörden haben Gastrobetriebe nicht zu befürchten. Bedienen sie trotzdem nur noch Gäste mit einem Covid-Zertifikat? Ein Selbsttest in der Innenstadt gibt Antworten.

Die Journalisten bei ihrer Beizentour de Bienne. quelle: screenshot
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Parzival Meister

Wer sich in diesen Tagen in eine Bar oder ein Restaurant setzt, erhält als erstes eine Entschuldigung. Konkret ist es ein «sorry, aber ich muss Ihr Covid-Zertifikat scannen». Journalisten des Medienhauses Gassmann haben sich am Dienstagmorgen auf eine Beizentour de Bienne begeben. In der Bahnhofstrasse, in Nebengassen, im Stadtzentrum und in der Altstadt haben sie wahllos zehn Lokale besucht und einen Kaffee bestellt. Das Resultat: In neun von zehn Betrieben wurde das Zertifikat vom Servicepersonal überprüft. Sechs davon haben zur Verifizierung des Namens zusätzlich einen Ausweis verlangt. Bei den meisten ist die Kontrolle am Platz, vor Aufnahme der Bestellung, passiert. Nur eines der besuchten Restaurants hat bereits an der Eingangstür das Zertifikat verlangt. Zur Kontrolle haben die Gastronomen eine App, mit der sie den QR-Code des Zertifikats scannen können.

Die Beizentour de Bienne ist keine repräsentative Erhebung, die Stichproben zeigen aber, dass die neuste Covid-Verordnung des Bundes zwar nicht perfekt, aber dennoch gut umgesetzt wird. Die Gefühlslage der Beizerinnen präsentiert sich im Grossen und Ganzen so: Erfreut darüber, die Kontrollen durchführen zu müssen, ist keiner der besuchten Wirte. Ein wenig nervt sie der Aufwand. Aber sie legen auch allesamt eine gewisse Gelassenheit an den Tag. Sie akzeptieren, was sie nicht ändern können und führen die Kontrollen durch. Eine Service-Frau fand die Kontrolle sogar amüsant. So sehe sie schliesslich von jedem Gast den Namen und erfahre auch dessen Alter.

Gibt es nun viele Bussen?

Zur Umsetzung der Zertifikatspflicht hat der Bund strenge Strafen in Aussicht gestellt. Ob diese aber in Biel tatsächlich zum Einsatz kommen, ist zumindest fraglich. Für die Umsetzung der neuen Verordnung ist unter anderem die Polizei zuständig. Wie Christoph Gnägi, Chef der Medienstelle der Berner Kapo, festhält, werde die Polizei mit Augenmass vorgehen und primär das Gespräch mit den Lokalbetreibern suchen. Denn wichtig sei, dass die Regeln verstanden würden (siehe auch Interview unten).

Lokale, die Fehler begehen, müssen also nicht befürchten, dass sie ohne Vorwarnung gebüsst werden. Auch ist nicht davon auszugehen, dass von den Behörden grossflächige Kontrollen durchgeführt werden. Mediensprecher Gnägi sagt, dass die Polizei «Kontrollen im Rahmen unserer täglichen Arbeit» durchführe. Eine Kontrolloffensive sei zur Zeit nicht vorgesehen.

Nun aber ist es nicht nur der Kanton, der Kontrollen durchführen könnte, sondern auch die Stadt Biel. Was ist da zu erwarten? André Glauser, Leiter Öffentliche Sicherheit der Stadt, sagt: «Soweit es das Polizeiinspektorat angeht, nehmen wir keine Kontrollen vor.» Man habe sonst schon personelle Unterbestände. Man sei voll absorbiert durch telefonische Auskünfte, die eingeholt würden. Glauser spricht auch von vielen Veranstaltungen, die sich in seiner Behörde in Bearbeitung befänden. Deshalb seien Kontrollen im Moment gar nicht möglich, und es sei auch nicht vorgesehen, zusätzliches Personal dafür einzustellen.

Im Visier der Behörden?

Es gibt Betriebe, die öffentlich angekündigt haben, dass sie sich nicht an die Zertifikatspflicht halten werden. Die Internetseite animap.ch etwa ist eine Plattform, auf der sich Unternehmen präsentieren, die angeben, die Covidzertifikate ihrer Kundinnen nicht kontrollieren zu wollen.

Auch das einzige Lokal im Bieler-Test, das die Vorweisung des Zertifikats nicht verlangt hat, macht daraus keinen Hehl und hält an einem Anschlag beim Eingang fest, dass hier jeder willkommen sei. Werden nun solche Lokale von den Behörden anders angegangen? Konkret gehen die Behörden auf diese Frage nicht ein. Kapo-Sprecher Christoph Gnägi will «solche Plattformen» nicht kommentieren. Er sagt aber auch, wenn die Polizei Hinweise auf Verstösse habe, gehe sie denen nach.

Doch zurück zu den Lokalen, die das Zertifikat sehen wollten. Ausser, dass sie nun eine Kontrollaufgabe übernehmen, scheint die Umsetzung bei ihnen zu funktionieren. Vereinzelt war zu vernehmen, dass auch schon Personen ohne Zertifikat das Lokal betreten hätten. Über Ärger mit Gästen, die die neuen Regeln nicht akzeptieren wollen, war aber keine Rede – zumindest nicht nach so kurzer Zeit. Eine Service-Frau aus der Innenstadt jedenfalls scheint schon zu wissen, welchen Umgehungstricks sie begegnen wird: «Weisst Du, man kann auch einfach einen Screenshot dieses Zertifikats machen und einem Kollegen schicken. Deshalb lasse ich das nicht ohne ID durchgehen.»

 

 

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Interview
«Eine Kontrolloffensive ist nicht vorgesehen»

Eine Schonfrist gebe es fürdie Umsetzung der Zertifikatspflicht nicht, sagt Christoph Gnägi, Leiter der Medienstelle der Berner Kantonspolizei. Trotzdem gehe man mit Augenmass vor.

Christoph Gnägi, wie kontrolliert die Kapo Bern, ob Betrieber wirklich nur noch Gäste mit einem Covid-Zertifikat bedienen?
Christoph Gnägi: Zuerst muss ich festhalten, dass die Kontrollen nicht nur von uns durchgeführt werden. Das ist eine Verbundaufgabe von verschiedenen kantonalen und kommunalen Behördenstellen. Wir als Polizei führen die Kontrollen im Rahmen unserer täglichen Arbeit durch, wenn wir Hinweise auf Verstösse haben oder selber solche feststellen. Es ist aber nicht vorgesehen, dass wir eine Kontrolloffensive starten oder unsere Patrouillen dafür personell aufstocken. Was für uns wichtig ist, ist, dass die Betroffenen die Massnahmen verstehen. Es kann deshalb gut sein, dass unsere Polizistinnen und Polizisten gerade am Anfang noch häufiger das Gespräch suchen mit den Restaurantbetreibern und auf die geltenden Regeln hinweisen.

Bedeutet das, dass Betriebe am Anfang nicht zu befürchten haben, dass sie eine teure Busse aufgebrummt bekommen?
Ob es eine Busse oder Anzeige gibt, wenn die Zertifikatspflicht verletzt wird, dazu gelten die Bestimmungen des Bundes. Es gibt keine Schonfrist, die Regelung gilt grundsätzlich seit Montag. Wir gehen deshalb mit Augenmass vor, weil es wie schon bei früheren Schutzmassnahmen wichtig ist, dass die Regelungen verstanden werden. Deshalb versuchen wir primär, das Gespräch zu suchen. Aber wenn sich jemand kategorisch weigert und seiner Pflicht nicht nachkommt, muss er mit einer Busse oder Anzeige rechnen.

Es gibt Betriebe, die auf einem bekannten Portal ankündigen, dass bei ihnen jede Person weiterhin bedient wird. Geht die Polizei nun gezielt Betriebe an, die ihre Rebellion angekündigt haben?
Wir kommentieren solche Plattformen nicht. Wie gesagt, die Kontrolle ist eine Verbundaufgabe und dort, wo wir Hinweise auf Verstösse haben oder selber welche feststellen, gehen wir dem nach.

Was muss eine Beizerin befürchten, wenn sie gegen die Regeln verstösst?
Mit einer Busse oder einer Anzeige. Aber wie gesagt, in einer ersten Phase wollen wir das Gespräch suchen, mit den Betreiberinnen und den Gästen.

Wie soll ein Wirt vorgehen, wenn einer seiner Gäste die Zertifikatspflicht ignoriert und das Lokal nicht verlassen will?
Grundsätzlich sind es die Restaurantbetreiber, die die Kontrollen durchführen müssen. Und es ist in ihrer Kompetenz, solche Gäste wegzuweisen. Wenn ihnen das nicht gelingt, können sie die Polizei rufen.
Interview: Christof Gerber/pam

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