Sie sind hier

Abo

Biel

Wie «Wili» gerettet werden könnte

Der Lieferdienst «Wili» ist seit dem Konkurs des Landschaftswerks eingestellt. Seniorinnen und Politiker wollen das Angebot zurück. Was jedoch fehlt, ist eine soziale Institution – und Geld.

«Wili» bot auch Hilfe beim Einkaufen und beim Einräumen zuhause. ZVG/Joel Schweizer
Hannah Frei
 
Friedy Müller-Gresch geht gerne einkaufen. Von ihrem Daheim aus braucht sie nur wenige Minuten bis in die Migros-Filiale am Bieler Guisanplatz. Nur tragen kann die 80-Jährige seit einem schweren Unfall vor zehn Jahren nicht mehr viel. «Zwei Kilogramm, mehr nicht», sagt sie. Grosse Einkäufe lagen für sie also nicht mehr drin – bis das Projekt «1-2-Domicile» ins Leben gerufen wurde. Und daraus wurde 2017 das Projekt «Wili», geführt von der Non-Profit-Organisation Landschaftswerk in Biel. Das Angebot brachte Langzeitarbeitslose sowie vorläufig aufgenommene Flüchtlinge mit Seniorinnen zusammen.
 
Von da an konnte Müller-Gresch einkaufen, was auch immer sie wollte, und liess es dann von einem der Männer – ein paar wenige Frauen seien auch dabei gewesen – mit dem Fahrrad nach Hause bringen. «Manchmal plauderten sie gerne ein wenig. Ich hatte immer einen sehr guten Kontakt zu diesen Burschen», sagt sie. Das habe ihr gefallen. Es seien Kontakte entstanden, die sie in dieser Form sonst nie gehabt hätte.
 
Nun nimmt sie den Rucksack
Doch seit rund einem Monat gibt es «Wili» nicht mehr: Das Landschaftswerk ging bankrott. Müller-Gresch muss seither ihre Einkäufe selbst nach Hause tragen. Nun gehe sie zweimal pro Woche einkaufen, mit ihrem kleinen Rucksack. «Ich bedauere sehr, dass es dieses Angebot nicht mehr gibt. Und ich bin nicht die einzige», sagt sie.
Im Haus, in dem die Rentnerin wohnt, seien noch andere auf «Wili» angewiesen gewesen, sagt sie. «Wili» bot nicht nur einen Lieferdienst, sondern auch Hilfe beim Einkaufen und beim Einräumen. Müller-Gresch nutzte dieses Rundumpaket nicht. Sie geht davon aus, dass hauptsächlich der Lieferdienst gut gelaufen ist. Und den wünscht sie sich wieder zurück, auch für die Männer, die dort gearbeitet haben und dadurch eine Tagesstruktur erhielten. «Pro Senectute und die Stadt Biel sollen das wieder in die Hand nehmen», sagt sie.
 
Auch der Trägerverein «Wili» hofft, dass das Projekt weiterhin betrieben wird, sagt Präsident Roberto Perez. Der Verein besteht aus je zwei Mitgliedern von Pro Senectute und dem Verkehrsclub Schweiz. Die beiden Organisationen waren gemeinsam mit dem Landschaftswerk und mit Unterstützung der Stadt Biel für das Projekt «Wili» verantwortlich. Der Verein könne vieles zum Fortbestand des Angebots beitragen, sagt Perez: Know-how, die Website, das Logo. «Wir würden beim Aufgleisen und beim Betreiben helfen.» Aber Geld habe der Verein nicht. Und das Material fehle. Die Fahrräder, Jacken und Flyer befinden sich in der Konkursmasse. Zudem brauche es eine soziale Institution, die das Projekt tragen würde. Der Verein wünsche sich eine Non-Profit-Organisation, so Perez. Selbsttragend sei diese Form des Lieferangebots ohnehin nicht.
 
10 000 Lieferungen pro Jahr
Roberto Perez würde es sehr begrüssen, wenn es das Angebot weiterhin in ähnlicher Form geben würde: nachhaltig, mit Fokus auf die soziale und berufliche Integration. Die Nachfrage sei da. Pro Jahr hat «Wili» laut Perez um die 10000 Lieferungen gemacht. Der Verein hofft nun, dass die für den Lieferdienst benötigten Materialien als Päckchen günstig aus der Konkursmasse herausgekauft werden können. Und dass Geldgeber sowie eine passende Sozialinstitution gefunden werden können. Man habe vor Kurzem damit angefangen, Organisationen anzuschreiben. «Wir sind bereit, um auszuhelfen», sagt Perez.
 
Mit Peter Winkler, dem Betreiber von «1-2-Domicile», stehe man in regem Austausch. «1-2-Domicile» wurde 2020 auf Eis gelegt, nachdem das Landschaftswerk die Zusammenarbeit mit dem Lieferdienst beendete und die Aufgaben selbst in die Hand nahm. Nun suche man gemeinsam nach einer Lösung, sagt Perez. Da es sich bei «1-2-Domicile» jedoch nicht um eine Non-Profit-Organisation handelt, bräuchte es ohnehin einen weiteren Akteur für eine Zusammenarbeit.
 
Für Peter Winkler ist klar: Wenn, dann müsse der Lieferdienst künftig wieder «1-2-Domicile» heissen. «‹1-2-Domicile› hat einen Namen. Darauf kann man aufbauen», sagt er. Der Betrieb des Lieferdienstes liesse sich über diese Firma innert kurzer Zeit wieder aufnehmen und zum Rundumpaket mit Einkaufshilfe und dem Einräumen zuhause ausbauen. Es bräuchte jedoch Investoren. Winkler wird kein Geld mehr ins Projekt stecken. Und auch er bräuchte einen Partner aus dem sozialen Bereich.
 
Unterstützung erhält «Wili» nun auch auf politischer Ebene: Am Donnerstagabend reichte die SP/Juso ein Postulat ein. Es soll geprüft werden, was die Stadt dazu beitragen kann, um das Projekt wieder aufzunehmen – ob als «Wili», als «1-2-Domicile» oder unter neuem Namen.

Nachrichten zu Biel »