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Biel/Nidau

«Wir haben keine Ahnung, wo wir stehen»

Den Wassersportverein Biel gibt es bereits seit 100 Jahren. Nun blickt er dem geplanten Projekt Agglolac mit bangen Gefühlen entgegen. Die Mitglieder befürchten das Aus des Vereins.

Martin Hofer, Gottfried Kaufmann, Erich Wyler, Bild: Raphael Schaefer

Der Wassersportverein Biel ist von einer 100-jährigen Geschichte geprägt. Dieses Jubiläum wollten die Vereinsmitglieder letztes Jahr feiern. Wegen der Coronakrise mussten sie aber sowohl auf dieses Fest als auch auf ihre öffentlichen Fischessen und zahlreiche andere Vereinsaktivitäten verzichten. Dem Verein entgingen dadurch mehrere tausend Franken. Die Rechnung sei trotzdem ausgeglichen, sagt Martin Hofer aus Nidau, der Präsident des Vereins.

 

Auch andere Vereine betroffen

Der finanzielle Verlust ist aber nicht die grösste Sorge der Vereinsmitglieder. Vielmehr liegt 
ihnen das geplante Projekt Agglolac auf den Mägen. Die Städte Biel und Nidau haben vor, das Gebiet am See zwischen der Zihl, dem Nidau-Büren-Kanal und dem Schloss Nidau sowie die seit der Expo.02 weitgehend brachliegenden Flächen entlang der Dr.-Schneider-Strasse aufzuwerten und umzugestalten (das BT berichtete mehrmals). Davon wären voraussichtlich auch das Areal und das angrenzende «Bisehäfeli» des Wassersportvereins betroffen.

Für den Verein, der seinen Standort in Nidau unterhalb des Restaurants La Péniche direkt am See hat, ist dieses Vorhaben ein heisses Eisen. Bei einem Gespräch zum Thema gingen an einem stürmischen Nachmittag nicht nur die Wellen des Bielersees hoch, sondern auch die Wogen bei den anwesenden Mitgliedern. Sie befürchten, dass ihnen nach der Realisierung dieses Projektes das Areal nur noch beschränkt oder gar nicht mehr zur Verfügung stehen wird.

Mit dieser Sorge steht der Wassersportverein nicht allein da. Auch andere im Bereich Agglolac ansässige Vereine und Unternehmen wären von diesem Projekt betroffen und haben dazu schon ihre Bedenken geäussert. Auch Politikerinnen und Politiker lässt die geplante Überbauung nicht kalt. Die SP Biel beispielsweise fordert ein Quartier mit ausschliesslich bedürfnisorientierten und langfristig bezahlbaren Wohnungen statt einer profitorientierten Überbauung. Der 2017 gegründete Verein Stop Agglolac wiederum, bei dem auch der Wassersportverein Mitglied ist, will sogar auf die Barrikaden gehen und das Projekt im Hinblick auf die Abstimmung bekämpfen.

 

Das Vereinshaus
unter Wasser

Beim Einblick ins älteste Fotoalbum des Wassersportvereins läuft dessen Geschichte vor den Augen der Betrachter wie ein Film ab. Schnell wird klar, wie eng die Mitglieder mit dem Areal und dem angrenzenden Schiffshafen verbunden sind. Gottfried Kaufmann aus Biel, Ehrenmitglied des Vereins, prägt das Geschehen schon seit über 40 Jahren mit.

Beim Durchblättern des Albums weist er speziell auf jene Bilder hin, auf denen zu sehen ist, wie einst das Areal samt Vereinshaus unter Wasser standen. «Den Folgen von Überschwemmungen musste der Verein mehrmals Rechnung tragen», sagte er. So wurde das Gelände aufbetoniert, ein neues Vereinshaus wurde gebaut und es wurden im Bereich des Hafens Mauern erstellt. Das jetzige, dritte Vereinshaus stammt aus den 60er-Jahren.

 

Im Zentrum stehen
die Fische

Im Vordergrund der Vereinstätigkeiten steht die Fischerei. Zu den häufigsten Fängen im Bielersee zählen Felchen, Eglis und Hechte. Wenn die Mitglieder öffentliche Fischessen organisieren, müssen sie Zander einkaufen. Dieser Fisch kommt zwar im Bielersee auch vor, aber «bei solchen Veranstaltungen decken unsere Fänge die Nachfrage nicht», sagt Erich Wyler aus Nidau, der Ehrenpräsident des Vereins.

Die Daten für die diesjährigen Veranstaltungen hat der Vorstand zwar festgelegt, aber ob die Anlässe auch durchgeführt werden können, hängt vom Verlauf der Coronakrise ab. Wenn es gut läuft, lädt der Verein am 24./25. und am 31. Juli (im Rahmen von des Bielerseefestes Big Bang) zu öffentlichen Fischessen ein.

 

Grosse Unsicherheit:
Was gilt denn nun?

Neben dem Fischen und den vereinsinternen Treffen widmen sich die Mitglieder des Vereins auch der Pflege der Natur, dem Wasserschutz und verschiedenen anderen Umweltthemen. Bei solchen Einsätzen haben sie schon die Schüss-Verläufe im Bereich Biel und das Häftli auf Höhe Meinisberg von Velos, Pneus und anderem Schutt befreit.

Trotz Corona ist der Verein nicht untätig geblieben: Es wurde die erste Website der Vereinsgeschichte realisiert und mit der Wahl des 24-jährigen Dario Portner aus Nidau ist der Vorstand verjüngt worden. Portner ist beim Wassersportverein seit 2019 als Vizepräsident tätig.

Solche Erfolge können aber die Sorgen der Mitglieder um die Zukunft ihres Vereins nicht gross mildern. «Im Grunde genommen haben wir keine Ahnung, wo wir hinsichtlich Agglolac stehen», sagte Hofer. Einmal sei gesagt worden, das Vereinshaus könne stehen bleiben, aber alles andere müsse geräumt werden. Dann wieder, das Haus müsse weg, aber der Hafen könne weiterhin genutzt werden. Jetzt sei auch dem schon wieder nicht mehr so. Den Mitgliedern bleibe nichts anderes übrig, als abzuwarten, so Hofer.

 

Wohin mit den
zwölf Schiffen?

Müsste der Wassersportverein das Areal tatsächlich räumen, bliebe ihm noch der Einzug ins geplante Wassersportzentrum. «Für unser Material hätten wir aber dort wohl kaum genügend Platz», sagte Hofer. «Und wohin mit den zwölf Schiffen der Mitglieder? Und wo könnten wir uns dann für Zusammenkünfte treffen?» Fragen über Fragen also, die dem Verein zum jetzigen Zeitpunkt niemand beantworten kann. Einen anderen Standort zu finden, stufen die Mitglieder als ein Ding der Unmöglichkeit ein. «Sollten alle Stricke reissen, muss der Wassersportverein aufgelöst werden», sagt Martin Hofer ganz klar.

Ob es soweit kommen wird, werden die Verhandlungen zum Projekt Agglolac zeigen. In dieser Angelegenheit arbeiten die Städte Biel und Nidau eng mit einem privaten Partner zusammen. Am 17. März kommt das Projekt im Bieler und im Nidauer Parlament zur Sprache. Die Volksabstimmung ist für Juni geplant. Heidi Flückiger

Link: www.wsv-biel.ch

Stichwörter: Wassersport, Biel, Nidau, Zukunft

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