Sie sind hier

Abo

Nidau

«Wir sind diejenigen, die vom Projekt profitieren»

Sandra Hess, die amtierende Stadtpräsidentin von Nidau, ist in stiller Wahl für eine zweite Amtszeit bestätigt worden. Langweilig wird es ihr kaum: Grossprojekte wie Agglolac, der Westast und die Schulraumplanung verlangen von der FDP-Politikerin einiges ab.

«Leute sprechen mich auf der Strasse an und danken mir für meine Arbeit», sagt Nidaus Stadtpräsidentin Sandra Hess.Bild: Patrick Weyeneth
  • Dossier

Interview: Carmen Stalder


Sandra Hess, Sie wurden in stiller Wahl für eine zweite Amtszeit bestätigt. Hätten Sie sich einen Herausforderer für Ihr Amt gewünscht?
Sandra Hess: Es ist ein schöner Beweis von Wertschätzung, dass ich in stiller Wahl wiedergewählt worden bin. Das bedeutet, dass die Parteien mir ihr Vertrauen aussprechen und offensichtlich sehr zufrieden sind mit meiner Arbeit. Aber ein Wahlkampf ist immer etwas Besonderes. Er zwingt einen dazu, sich damit auseinanderzusetzen, was man erreicht hat und was man in den nächsten Jahren machen will.

Was haben Sie denn erreicht?
Dass wir die Steuern senken konnten, war ein uraltes Anliegen der FDP, das war natürlich toll. Was wir sehr schnell positiv umsetzen konnten, war die Frage, ob wir das Alpha-Gebäude an der Schlossstrasse kaufen wollen. Ein grosses Gebäude, bei dem es um viel Geld ging. Die Bevölkerung hat dem Geschäft ein knappes Jahr, nachdem diese Frage bei uns auf dem Tisch war, zugestimmt. Das hat mich enorm gefreut, denn da habe ich viel Arbeit investiert.

Ihre Parteikollegen bezeichnen Sie als Galionsfigur der FDP Nidau – allerdings fehlen Sie im Wahlkampf. Ein Manko?
Man identifiziert mich bestimmt stark mit der FDP. Ich bin Teil dieser Partei und stehe für deren Werte ein. Es hilft einer Partei, wenn sie jemanden für das Stadtpräsidium portieren kann. Und so ist es schade, dass wir es in diesem Fall nicht können.

Welche Aufgaben liegen Ihnen besonders gut?
Ich vertrete unsere Stadt sehr gerne nach aussen. Dazu gehört der Kontakt zur Bevölkerung, zu den KMU, der Wirtschaft und so weiter. Aber auch zu den Amtskollegen in anderen Gemeinden und zum Kanton. Ich kann gut auf Leute zugehen.

Woran haben Sie zu beissen?
Wir haben viele Grossprojekte am Laufen, die schon vor meiner Zeit aktuell waren. Es geht alles sehr lange und man braucht einen langen Atem. Immerhin zwei Grossprojekte kamen zu Beginn der Legislatur zum Abschluss: Die Curva-Brücke über den Nidau-Büren-Kanal und das Regiotram. Da haben sich wohl eher meine Vorgänger die Zähne ausgebissen.

Das sind zwei Projekte, die nicht umgesetzt wurden. Sind das nicht eher Misserfolge?
Nein, denn das gehört zum Prozess. Wenn man etwas angeht, muss man den Glauben und den Willen haben, dass es gut kommt. Aber wenn sich im Verlauf einer Planung zeigt, dass es nicht umsetzbar ist, dann muss man ehrlich sein und sagen, das bringt uns nicht weiter. Woran ich mir die Zähne ausbeisse, ist die Ortsplanungsrevision, die unglaublich komplex ist. Das ist wohl auch der Grund, warum die letzte 1978 gemacht worden ist.

Ein Projekt, das Sie weiterhin beschäftigen wird, ist Agglolac. Warum braucht Nidau diese Überbauung?
Die Finanz- und Kaufkraft pro Kopf ist im Durchschnitt schwach, wir brauchen mehr Einwohner und Steuerzahler. Allerdings haben wir kein Bauland mehr – bis auf Agglolac. Deshalb ist es klar, dass sich unsere Wachstumschancen auf dieses Gebiet konzentrieren. Agglolac hat aber noch eine andere Dimension. Es geht auch um die Aufwertung der Seeuferzone, um attraktive öffentliche Infrastruktur, um Wohnraum an hervorragender Lage. Das Projekt wird einen Entwicklungsschub für die ganze Region auslösen. Dafür haben wir eine Mitverantwortung.

Der Verein Stopp Agglolac bemängelt, dass es sich um ein überrissenes Projekt handelt, das den Interessen des privaten Investors entspricht und nicht jenen der Bevölkerung.
Das erzählen sie immer wieder, ist aber schlicht und einfach nicht wahr. Die Planung läuft seit 2008. Am Anfang standen die Forderungen der Städte Biel und Nidau: Beide haben gesagt, wir wollen öffentliche Infrastruktur und einen attraktiven Zugang zum See schaffen. Um das zu bezahlen, müssen natürlich auch Wohnungen gebaut werden. Mobimo ist Investor und Arealentwickler. Es geht nicht nur ums Bauen, sondern auch um die Entwicklung der Seeuferzone.

Sie haben also kein Verständnis für die Argumente der Gegner?
Nein, denn diese haben sich nicht mit der nötigen Sorgfalt mit dem Projekt auseinandergesetzt. Man kann immer geteilter Meinung sein, ob einem eine Planung gefällt oder nicht. Aber düstere Bilder von einem Investor, der sich auf Kosten der Öffentlichkeit eine goldige Nase verdienen will, sind absolut unwahr. Gegen diese müssen wir uns wehren. Die Öffentlichkeit, wir als Teil der Bevölkerung sind diejenigen, die vom Projekt profitieren werden.

Gegner befürchten, dass das Projekt für Nidau zu einem finanziellen Desaster wird.
Auch dort muss ich sagen, man hat sich nicht mit der Planung auseinandergesetzt. Man hätte den Prozess nie ins Rollen gebracht, wenn man nicht sicher gewesen wäre, dass Agglolac machbar ist. Eine Machbarkeitsstudie hat das 2008 bewiesen. Und in den letzten Jahren wurde intensiv daran gearbeitet, die bestehenden Risiken möglichst aus dem Weg zu räumen. Eines der Hauptrisiken war die Archäologie. Der Boden wurde sehr gut untersucht und man weiss nun, was die Grabungen kosten werden. Es gibt eine Vereinbarung mit dem Kanton, inklusive Kostendach.

Gehen wir weiter zum nächsten Grossprojekt: Inwiefern wird der Westast Nidau nützen?
Ein Drittel der Nidauerinnen und Nidauer lebt im Quartier Weidteile, also dort, wo die Autostrasse durchgeht. Wenn die überdacht wird, wird ein Drittel unserer Bevölkerung vom Verkehr entlastet. Das ist ein Riesengewinn. Auch das Stedtli wird vom Durchgangsverkehr entlastet. So gesehen sind wir dann schon bei der Hälfte der Nidauer.

Noch macht sich gegenüber der Umfahrung Widerstand breit. Worauf legen Sie ein besonderes Augenmerk?
Wir haben immer gesagt, dass wir den Westast wollen. Wir haben aber auch gesagt, dass es nicht einfach wird, dass hier mitten im dicht besiedelten Stadtraum dieser Baukörper entsteht. Deshalb haben wir ein grosses Augenmerk auf die städtebauliche Begleitplanung gelegt. Da werden wir natürlich dran bleiben.

Gegner monieren, dass der Westast mit seinen offenen Autobahnanschlüssen den Stadtraum zerstört.
Die Anschlüsse werden offen sein, deshalb ist die städtebauliche Begleitplanung so wichtig. Im vergangenen Januar haben wir mit einer Ausstellung gezeigt, wie der Stadtraum vom Westast profitieren wird und wie die Lebensqualität in der Stadt verbessert wird.

Ein weiteres Thema, das Nidau vor Herausforderungen stellt, ist die Schulraumplanung. Nidau stehen dafür Investitionen von rund 70 Millionen Franken bevor. Es wird eine Steuererhöhung befürchtet.
Wenn wir die Schulraumplanung in den nächsten fünf Jahren umsetzen müssten, ginge es nicht ohne Steuererhöhung. Aber die Zahl von 70 Millionen muss man differenziert anschauen. Es handelt sich dabei um die Gesamtkosten, wenn wir alle Schulhäuser und Kindergärten sanieren und den entsprechenden Platzbedarf sichern wollen. Das gleich alles umsetzen zu wollen, wäre aber eher eine Wunschliste für den Samichlaus.

Warum haben Sie dann eine Analyse der aktuellen Situation in Auftrag gegeben?
Nur wenn wir wissen, wie die Gesamtsituation aussieht, können wir mit gutem Gewissen nötige Investitionen tätigen. Und wer fragen geht, muss mit der Antwort leben können. Die Umsetzung erfolgt nun anhand der finanziellen Möglichkeiten.

Erst vor zwei Jahren hat sich die FDP Nidau erfolgreich für eine Steuersenkung eingesetzt. War das ein Schnellschuss?
Überhaupt nicht. Wir haben seit Jahren zu viele Steuern eingezogen. Da müssen wir auch einmal ehrlich sein und die Steuern dem aktuellen Bedarf anpassen. Ich halte gar nichts davon, auf Vorrat Steuern einzuziehen.

2016 wollte die FDP in Nidau die Beschäftigungsprogramme für Sozialhilfebezüger streichen, ist mit ihrem Antrag allerdings gescheitert. Gibt Nidau zu viel Geld für Sozialhilfeempfänger aus?
Ich bin eine dezidierte Verfechterin eines effizienten Einsatzes der Mittel. Darum gibt es Berichte, die darlegen, wie die Beschäftigungsprogramme genützt werden und was sie für eine Wirkung haben. Wir müssen uns bei all unseren Dienstleistungen immer wieder fragen, ob wir unsere Mittel richtig einsetzen. Da bin ich der Meinung, dass wir noch Verbesserungspotenzial haben.

Wo zum Beispiel?
Gerade was die Beschäftigungsprogramme angeht: Sie geben den Menschen nicht nur eine Tagesstruktur oder bereiten sie auf den ersten Arbeitsmarkt vor. Sie müssen auch eine überwachende Wirkung haben und ein Instrument sein, um Sozialhilfemissbrauch aufzudecken.

Ein grosser Teil der Sozialhilfebezüger sind ausländischer Herkunft. Leben in Nidau zu viele Ausländer?
Das kann man so überhaupt nicht sagen, weil das implizieren würde, dass Ausländer grundsätzlich eine Belastung sind. Aber es ist so, dass wir eine hohe Sozialhilfequote von 10 Prozent und einen hohen Ausländeranteil von 23 Prozent haben. Wir haben zu viele Leute, die von der Sozialhilfe leben und wir müssen schauen, dass diese Quote nicht so hoch ist.

Wie wollen Sie das schaffen?
Wir müssen uns immer wieder fragen, ob wir alles Nötige machen, damit nur diejenigen Personen soziale Unterstützung bekommen, bei denen es wirklich nicht anders geht.

Der Fall um den Hassprediger Abu Ramadan, der in Nidau Sozialhilfe bezogen hat, wirft ein schlechtes Licht auf Ihre Gemeinde. Hat Nidau ein Problem mit radikalen Islamisten?
Man muss ganz klar sagen, das ist ein krasser Einzelfall – der uns alle sehr schockiert. Der Fall zeigt, dass die Schweiz ein Problem mit radikalen Islamisten hat. Dass der Mann hier wohnt, ist keinesfalls repräsentativ für unsere Stadt und die 7000 Einwohnerinnen und Einwohner. Von unserer Seite müssen wir alles daran setzen, dass diese Leute unser System nicht ausnützen können und sie aus dem Land gewiesen werden.

In Nidau gibt es kein Problem mit Parallelgesellschaften?
Nein, absolut nicht. Ich kann nur betonen, dass in Nidau unglaublich gute Arbeit geleistet wird, und zwar von allen, die sich für ein aktives und gutes Zusammenleben engagieren. Darum macht es mich auch wütend, wenn man von aussen ein desolates Bild von Nidau zeichnet. Da wehre ich mich vehement dagegen.

* * * * *

Sandra Hess

  • Geburtsdatum: 25.11.1972
  • Die in Münchenbuchsee aufgewachsene Sandra Hess lebt seit 1997 in Nidau. Die gelernte Kauffrau ist verheiratet und Mutter von zwei Töchtern im Alter von 15 und 18 Jahren.
  • Seit 2013 ist Sandra Hess Nidaus erste Stadtpräsidentin. Für die kommende Legislatur wurde sie in stiller Wahl wiedergewählt.
  • Neben ihren Aufgaben als Mutter und nebenamtliche Politikerin fährt sie gerne Ski, geht in die Natur und liest. Ihre Ferien verbringt sie am liebsten im Wallis.
Stichwörter: Wahlen Nidau, Sandra Hess

Nachrichten zu Biel »