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«Wir wussten, 
dass wir untergehen»

Im Grossen Rat war sich die SP-Fraktion bewusst: Gegen 
die Sparpläne der bürgerlichen Mehrheit würde sie keine 
Chance haben. Gewehrt hat sie sich trotzdem. Und macht 
die Abbaupolitik zum Wahlkampfthema: «Investieren, nicht sparen», sagen Andrea Zryd und Christian Bachmann.

In Bildung und Innovation investieren: Die Sozialdemokraten machen im Wahlkampf Stimmung gegen die bürgerlichen Abbaupläne und zeigen auf, wie sie sich die Zukunft des Kantons Bern vorstellen. Matthias Käser
  • Dossier

Lino Schaeren

«Zukunft statt Abbau». So lautet der Slogan der Sozialdemokraten für die kantonalen Wahlen vom 25. März. Es kommt nicht überraschend, dass die SP die Sparprogramme des bürgerlichen Regierungsrats und des bürgerlichen Parlaments zum Wahlkampfthema macht. Es ist schliesslich auch konsequent: Die SP hatte sich zuletzt bereits im Vorfeld der Behandlung des Entlastungspakets 2018 lautstark gemeinsam mit anderen linken Kräften gegen die aus ihrer Sicht einschneidenden Sparmassnahmen zur Wehr gesetzt und auch in der Diskussion im Grossen Rat versucht, den Bürgerlichen Paroli zu bieten. Die Finanzdebatte dauerte insgesamt 30 Stunden und wurde gelegentlich auch als «Monsterdebatte» umschrieben. «Wir wussten, dass wir untergehen», sagt Andrea Zryd, SP-Grossrätin aus Magglingen, rückblickend. «Aber es geht um unsere Grundideale, um einen soliden Sozialstaat. Es wäre verlogen gewesen, uns nicht zu wehren.»

Zryd kommt zusammen mit Christian Bachmann, ehemaliger Gemeinderat von Nidau und ebenfalls amtierender Grossrat, zum Termin mit dem BT. Bachmann glaubt, dass die vom bürgerlichen Parlament beschlossenen Sparmassnahmen der SP bei den Wahlen zugutekommen werden: «Sparen auf Kosten der Bevölkerung, um Unternehmenssteuern zu senken, das kommt nicht gut an», sagt er. Das sei zuletzt bei der eidgenössischen Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III deutlich aufgezeigt worden. Und Zryd sagt, das unternehmerische Denken, das die Bürgerlichen im Kantonsparlament an den Tag legen würden, sei schlicht «nicht die Aufgabe des Staats».

 

Sitze verteidigen, die man hat
Die SP tritt im Wahlkreis Biel-Seeland mit vier Listen zu den Grossratswahlen an und hat sechs Sitze zu verteidigen. Nebst Andrea Zryd ist auf der Frauenliste die bisherige Margrit Junker Burkhard (Lyss) Spitzenkandidatin, auf der Männerliste ist Christian Bachmann der Einzige mit dem Bisherigen-Vorteil, da Daniel Hügli nicht mehr antritt. «Wir müssen versuchen, diesen Sitz zu halten», sagt Bachmann. Für den PSR treten beide Bisherigen, Samantha Dunning und Mohamed Hamdaoui (beide Biel), wieder an. Das «Aufgebot» der SP für die Grossratswahlen wird mit der Liste der Jungsozialisten komplettiert: «Es ist höchst erfreulich, verfügen wir in der Region über so viele junge Sozialdemokraten, die sich täglich in der Politik engagieren», sagt Andrea Zryd.

Sie und Bachmann glauben zwar beide, eine Stärkung der Linken im Kantonsparlament sei möglich, die kantonale Partei hat schliesslich auch eine Steigerung des Wähleranteils um drei Prozent auf neu 22 Prozent als Zielvorgabe bestimmt. Bei der Zielsetzung im Wahlkreis Biel-Seeland gilt für die beiden aber vordergründig die Wahrung des Besitzstands; schliesslich betrug der Wähleranteil der SP im Kreis Biel-Seeland bei den Wahlen vor vier Jahren bereits 21,8 Prozent, womit man bereits deutlich über dem kantonalen Schnitt lag. Dementsprechend zurückhaltend ist die Zielsetzung ausgefallen.

 

In Bildung investieren
Zurück zum Wahlkampf-Slogan der SP. «Zukunft statt Abbau». Man wehrt sich also gegen Kürzungen beim Sozialstaat – doch wo sieht die SP die Zukunft? Man wolle vor allem mehr in Bildung und Innovation investieren, sagt Andrea Zryd. «Es braucht nicht wahnsinnig viel mehr Staat, aber das, was wir haben, müssen wir pflegen und stärken.» Und auch Bachmann findet: Widerstand sei das eine, doch es brauche nun eine Vorwärtsstrategie.

Die beiden verweisen auf eine dringliche Motion, die die SP-Juso-PSA-Fraktion im Januar eingereicht hat. Unter dem Titel «Zukunftsfonds – für einen innovativen Kanton Bern» verlangt die SP einen Gesetzesvorschlag für die Schaffung eines neuen Fonds, der 2018 mit 55 Millionen Franken aus der Ausschüttung der Nationalbank geäufnet werden soll. Das Ziel: Weiterbildungsprojekte zugunsten älterer Arbeitnehmer sowie Selbstständigen und die Förderung der Kompetenzen von Berufseinsteigern. Zudem soll mit dem Geld die berufliche Integration von Sozialhilfebezügern, anerkannten Flüchtlingen sowie vorläufig Aufgenommenen stärker gefördert werden. Das diene letztlich allen, den Arbeitnehmenden genauso wie dem Gewerbe. Die Strategie der SP für den Kanton sei also nicht nur heisse Luft, sagt Bachmann, «wir haben durchaus konkrete inhaltliche Ziele».

Aktuell ist für die SP auch das Thema Steuern. So hat sich die kantonale Partei im Februar klar für ein Referendum nicht nur gegen die Sozialhilfegesetzesrevision, sondern auch gegen die Steuergesetzesrevision ausgesprochen. Man werde das Referendum gegen beide Vorlagen ergreifen, sollte der Grosse Rat in seiner Märzsession keine Anpassungen im Sinne der Sozialdemokraten vornehmen. Und davon ist nicht auszugehen. «Dem Thema Steuersenkung wird bei der bürgerlichen Mehrheit alles untergeordnet», kritisiert Andrea Zryd. Zwar wolle auch die SP «schon lange eine Steuersenkung, allerdings eine für den Mittelstand». Auch Christian Bachmann sagt: Steuersenkung ja, «aber nur, wenn sie gegenfinanziert ist».

 

Dem Sport verschrieben
Dem Vorhaben, Unternehmen steuerlich zu entlasten, können die beiden nichts abgewinnen. Der Kanton Bern brauche nicht tiefere Unternehmenssteuern, um als Wirtschaftsstandort attraktiv zu sein, sagt Zryd. Andere Werte wie eine zentrale Lage, die Zweisprachigkeit und gut ausgebildete Fachkräfte seien für das Anziehen von neuen Firmen wichtiger. Bachmann pflichtet bei, «gerade in der Region Biel ist das Gegenteil als ein Abzug von Firmen der Fall». Er verweist auf die Ansiedlung von CSL Behring in Lengnau oder der UBS in Biel.

Im Wahlkampf will die SP in den kommenden Wochen vor allem auf die Mobilisierung der eigenen Basis setzen – sie wird die Wähler telefonisch kontaktieren. Bachmann will zudem rausgehen und seine Flyer in die Briefkästen der Region verteilen. Andrea Zryd verfolgt hier – und da zeigt sich wohl auch der Altersunterschied – eine andere Strategie, sie will ihren Wahlkampf ganz auf die Sozialen Medien ausrichten.

Gemeinsam haben sie jedoch ein, persönlich wichtiges Anliegen, ganz unabhängig davon, ob sie beide in der kommenden Legislatur noch im kantonalen Parlament sitzen werden: Den beiden ausgebildeten Sportlehrern Zryd und Bachmann liegt der Strategiebericht «Sport Kanton Bern», der vom Grossen Rat in der Märzsession behandelt wird, am Herzen. «Das Geschäft müssen wir einfach gut über die Bühne bringen», sagt Zryd. Vom Strategiepapier kann der Grosse Rat erstmal allerdings nur Kenntnis nehmen.

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Zu den Kandidaten

  • Andrea Zryd wohnt in Magglingen, sie ist Sportlehrerin und Diplomtrainerin. Zryd absolviert derzeit bereits ihre dritte Legislatur im Grossen Rat und nimmt Einsitz in der Geschäftsprüfungskommission.
  • Christian Bachmann wohnt in Nidau und ist Gymnasiallehrer. Er politisiert seit 2013 im Grossen Rat und war bis Ende 2017 Mitglied der Regierung von Nidau. lsg
Stichwörter: Wahlen, SP, Bildung

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