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„Krawattenzwang“

Wo sind die gelben und orangen Autos?

Im persönlichen Blog berichtet Bernhard Rentsch, Chefredaktor „Bieler Tagblatt“, wöchentlich über Erlebnisse im privaten wie im beruflichen/gesellschaftlichen Leben – dies immer mit einem Augenzwinkern. Heute: Wo sind die gelben und orangen Autos?

Bernhard Rentsch: Krawattenzwang
  • Dossier

Familie Grün betreibt eine Kundenmaurerei und besitzt mehrere Firmenautos. Die Büezer der Grüns schwärmen täglich aus und sind in der ganzen Region unterwegs – in ihren giftgrünen Fahrzeugen. Diese sind zwar nicht schön, fallen aber extrem auf. Der Werbeeffekt mit den farbigen Autos ist gewollt und willkommen. Einige weitere Firmen mit Farbnamen tun dies ebenfalls, was zu farbiger und abwechslungsreicher visueller Kommunikation führt. Mit Blick auf dieses fiktive Beispiel sei trotzdem die Frage erlaubt, weshalb zwar viele beschriftete Firmenautos unterwegs sind, aber kaum aktiv mit deren Farben gearbeitet wird.

Die Strassen sind so eigentlich kein Abbild einer fröhlichen, bunten Gesellschaft. Gar im Gegenteil: Sind wir wirklich so bünzlig, dass seit Jahren die Lackierungen in Schwarz, Weiss und Grau dominieren? Denn dazu kann man sich in den entsprechenden Statistiken schlaumachen. Die Top-Farben bei neu verkauften Autos in den letzten fünf Jahren waren stets die drei genannten Färbungen, einmal ergänzt mit Rot und einmal ergänzt mit Blau. Der kritische Blick auf die eigenen Fahrzeuge, die seit gut 30 Jahren als Fortbewegungsmittel dienen, zeigt die brutale Wahrheit: Schwarz, Weiss und Grau ...

Nicht nur die fehlenden Farbtupfer im Landschaftsbild geben zu denken, sondern auch die erschwerten Rahmenbedingungen für eine beliebte Beschäftigung für gelangweilte Kinder in fahrenden Autos (Nebenbei: Gibt’s das heute noch? Jedes Kind wird ja auf dem Rücksitz mit Handy oder Tablett und entsprechenden Spielen und Filmen ruhig gestellt): Der Spielleiter gibt eine Farbe vor und alle Mitfahrenden halten nach einem Auto in dieser Farbe Ausschau. Wer zuerst ein solches entdeckt, gewinnt – und die langweilige Fahrzeit vergeht im Nu. Man wusste: Mit speziellen Farben dauert die Suche länger.

Doch halt: Zu den aktuellen Zeiten des Zuhausebleibens ist das ohnehin eine dumme Idee. Und eine, die noch viel schwieriger umzusetzen ist. Es sind nämlich richtigerweise deutlich weniger Autos unterwegs. Auf einer unvermeidlichen Fahrt auf der Autobahn in Richtung Bern wurde offensichtlich, dass das genannte Spiel mit den Farben Gelb oder Orange zum Scheitern verurteilt wäre. Auch blaue oder rote Autos zu finden ist ein Kunststück. Es tauchen einerseits eben grundsätzlich weniger Autos am Horizont auf.

Und wenn, dann sind diese ... schwarz, weiss oder grau.


brentsch@bielertagblatt.ch

Twitter: @BernhardRentsch

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